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Die Bedeutung von Fleisch

17.08.2020

Wer für Gäste kocht oder essen geht, bevorzugt öfter Fleisch als sonst, zeigen LMU-Wissenschaftlerinnen.

Familie beim Grillen

Das Bier steht kalt, das Fleisch ist durch – die Gäste können kommen. | © imago images / Arnulf Hettrich

Kaum steigen die Temperaturen, beginnt die Grillsaison. Dann kommen Steaks und Würstchen auf Rost. Vereinzelt sind es auch Tofubratlinge oder Gemüsestreifen, doch in der Regel geht es beim Grillen um Fleisch; es handelt sich offenbar um eine moderne Form des Rituals. Die beiden LMU-Forscherinnen Gesa Biermann und Henrike Rau haben nun diese und andere zunächst so unscheinbare Alltagshandlungen rund um das Thema Essen umfassender untersucht. „Die Bedeutung von Fleisch“ und der Einfluss auf die Umwelt ist zentrales Thema ihrer nun im Fachmagazin Appetite veröffentlichten Studie. Offenbar haben bestimmte Essenspraktiken ganz spezielle Bedeutungen, die wir im Alltag oft nicht hinterfragen. „Beim Grillen ist Fleisch ein inhärenter Bestandteil“, sagt Gesa Biermann, „so wie in Deutschland zum Frühstück kalte Zerealien in Milch als geeignet empfunden werden.“Um die Bedeutung von Fleisch oder Essen im Allgemeinen zu erforschen, sei es daher wichtig zu verstehen, dass Menschen an unterschiedlichen Essenspraktiken teilnehmen, so Biermann: Es mache einen Unterschied, ob man essen geht oder zuhause kocht, ob in Gesellschaft oder allein. „Die wichtigste Erkenntnis ist dabei, dass sich das Essen zuhause von dem im Restaurant unterscheidet“, sagt Biermann. „Bei einem Restaurantbesuch wird häufiger Fleisch gegessen als zuhause.“ Und auch wer zuhause für andere kocht, egal ob für Gäste oder die Familie, bringt häufiger Fleisch auf den Tisch, als wenn er nur für sich etwas zubereitet. „Dies galt auch für Studienteilnehmer wie Flexitarier, also Menschen, die bereits Fleischkonsum reduziert haben und so auf eine nachhaltigere Ernährung setzen“, sagt Biermann.Offenbar spielt der Anlass des Essens eine wichtige Rolle. Ein Restaurantbesuch werde oft mit einem besonderen Anlass gleichgesetzt, so die Studie. „Fleisch gilt in unserer Gesellschaft als ein gewisses Statussymbol, ein Luxusgut, welches sich für einen solchen Anlass eignet“, sagt Biermann. Genauso sei es beim Kochen für andere zuhause, womit man Gastfreundschaft signalisieren möchte. In solchen Situationen wird einem „Ess-Event“ eine normative und emotionale Bedeutung zugeschrieben.

Die Ergebnisse zeigen die zentrale Rolle der „Bedeutung“ verschiedener Essenspraktiken für deren Nachhaltigkeit. Fleischlose Ernährung wird offenbar immer noch in bestimmten Zusammenhängen als weniger passend angesehen. Um gesamtgesellschaftlich eine nachhaltigere Ernährung zu fördern, so folgern die Wissenschaftlerinnen, muss man Gerichten ohne Fleisch die Bedeutung von etwas Besonderem, von „sich etwas gönnen“ verleihen, so Biermann. Neben Politik und Wirtschaft könnten hier auch Akteure wie Starköche, Social Media Influencer und Bestseller-Autoren eine wichtige Rolle spielen, um ein Umdenken zu befördern.Appetite 2020

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