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Die gute Seite des Risikos

24.11.2015

Eine weit verbreitete genetische Veranlagung für Asthma lässt sich ausschalten: Betroffene sind als Säuglinge besonders für den schützenden Bauernhof-Effekt empfänglich.

LMU-Allergologen haben erstmals gezeigt, dass sich bei Infekten der unteren Atemwege mit den richtigen Umwelteinflüssen sogar eine weit verbreitete genetische Veranlagung wettmachen lässt. Dieselbe Genveränderung, die das Risiko für Asthma erhöht, macht besonders für Umwelteinflüsse empfänglich, die langfristig vor Asthma schützen: Kinder mit dieser veränderten Gensequenz, die im Alter von unter einem Jahr bereits mit Mikroorganismen in Ställen von Kühen und anderen Tieren regelmäßig in Kontakt kommen, entwickeln seltener Symptome von Infekten der unteren Atemwege als Kinder mit demselben Risiko, die sich nicht in Ställen aufhalten. „Daraus können wir schließen, dass diese Kinder später auch seltener Asthma entwickeln als Kinder, die nicht vom Stalleffekt profitierten“, sagt Markus Ege, Professor für klinisch-pneumologische Epidemiologie am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU. Über die Ergebnisse berichten die Forscher um Markus Ege gemeinsam mit Dr. Georg Loss aus der Arbeitsgruppe von Professor Erika von Mutius, Leiterin der Asthma- und Allergieambulanz am Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU, aktuell im American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine.

Die LMU-Forscher werteten für ihre aktuelle Untersuchung Daten der Langzeitstudie "Pasture" aus, an der fast 1000 Mütter aus ländlichen Regionen teilnahmen und eine Art Tagebuch über die Entwicklung ihrer Kinder von ihrer Geburt an führten. Unter anderem lagen ihnen Informationen darüber vor, wie oft die Kinder Atemwegserkrankungen hatten und wie häufig und lang sie sich in Ställen von Kühen, Pferden, Schweinen und Geflügel aufhielten. Ihr Fokus lag dabei auf Infekten der unteren Atemwege, die in der Regel durch Viren ausgelöst werden und sich in Symptomen wie einem Keuchen oder Pfeifen der Lunge bemerkbar machen. Bei Kindern mit einer bestimmten genetischen Asthma-Veranlagung, die sich bereits als Säuglinge und Kleinkinder mindestens zwei Stunden die Woche in Tierställen aufhielten, war das Risiko, diese Atemwegssymptome zu entwickeln, um 80 Prozent reduziert. „Gerade der Risiko-Genotyp ist empfänglich für schützende Umweltsignale“, sagt Markus Ege.

Anders krank

Die LMU-Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass Kinder, die schon als Säuglinge regelmäßig in den Stall mitgenommen werden, Viruserkrankungen offenbar leichter wegstecken. Aufgrund der vorliegenden Daten, etwa der Anzahl der Geschwisterkinder, gehen sie davon aus, dass sie sich ebenso häufig mit Viren anstecken wie Kinder, die nicht auf Bauernhöfen leben. „Aber sie verarbeiten Infekte anders und zeigen keine Symptome“, sagt Loss. Die Pasture-Studie gibt den Forschern die Gelegenheit, die kindliche Entwicklung über mehrere Jahre hinweg zu beobachten. Dadurch können sie belegen, dass Kinder mit einer erhöhten genetischen Anfälligkeit für Asthma, die im Alter von unter einem Jahr keine Symptome von unteren Atemwegserkrankungen zeigen, auch ein geringeres Risiko haben, später an Asthma zu erkranken. „Die schützende Wirkung ist so stark, als hätten sie diese genetische Veranlagung gar nicht“, sagt Ege.

Kinder, die in Tierställen spielen, atmen eine komplexe Mischung von Mikroorganismen ein. Kleine Partikel von Heu und Gras, die unter anderem Bakterien, Pilze und Pollen enthalten, treten in ihre Atemwege ein. „Die Mikroorganismen verändern offenbar das Entzündungsgeschehen im Körper“, sagt Loss. Das Ziel der LMU-Allergologen ist es, herauszufinden, was genau der sogenannte Stalleffekt im Körper auslöst, um Ansatzpunkte für künftige präventive Strategien zu finden. Die Veränderung auf dem Chromosom 17, einem der Orte, die für Asthma empfänglich machen, ist weit verbreitet. „75 Prozent der Bevölkerung haben dieses genetische Asthma-Risiko. Wir können bereits jetzt davon ausgehen, dass sie vom Stalleffekt in der ganz frühen Kindheit profitieren würden“, sagt Ege.

(American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine 2015, DOI: 10.1164/rccm.201507-1493OC)

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