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Die gute Tat der Neutrophilen

08.02.2016

Nach einem Herzinfarkt lösen Neutrophile eine Entzündung im betroffenen Gewebe aus. Nun stellt sich erstmals heraus: Sie helfen auch, die Immunreaktion wieder zu stoppen.

Neutrophile Granulozyten, kurz Neutrophile, spielen eine entscheidende Rolle beim Heilungsprozess nach einem Herzinfarkt. Das zeigt eine neue Studie von Sabine Steffens, Professorin für Klinische Pathobiochemie am Institut für Epidemiologie und Prophylaxe der Kreislaufkrankheiten am Klinikum der LMU. „Unser Ergebnis ist insofern überraschend, da man den Neutrophilen bislang lediglich eine schädliche Wirkung nach einem akutem Herzinfarkt zugeordnet hat“, sagt Sabine Steffens, die darüber aktuell im Fachmagazin European Heart Journal berichtet.

Ein Herzinfarkt führt zum Absterben einer großen Zahl an Herzmuskelzellen. Darauf reagiert das Immunsystem: Neutrophile wandern unmittelbar nach einem Infarkt in den geschädigten Herzmuskel. Sie können verschiedene Stoffe freisetzen, die Krankheitserreger unschädlich machen und eine akute Entzündungsreaktion auslösen können. Diese ist bei einem Herzinfarkt notwendig, um den Heilungsprozess anzustoßen, damit das abgestorbene Gewebe abgebaut wird. Letztendlich führt die Entzündung aber dazu, dass sich Narben bilden und der Herzmuskel ausdehnt. Die Folge sind häufig eine Herzinsuffizienz, die eine dauerhafte Nachbehandlung erfordert.

Eine Frage des Gleichgewichts

Die Arbeitsgruppe von Sabine Steffens konnte nun erstmals im Mausmodell nachweisen, dass die Neutrophilen nicht nur Ursache für die Entzündung, sondern auch entscheidend für die Infarktheilung sind. Denn sie setzen Stoffe frei, die die Entwicklung von bestimmten Monozyten begünstigen, die den Reparaturprozess vorantreiben. „Eine Entzündung ist nicht unbedingt nur schädlich, sondern für den Ablauf einer geordneten Wundheilung in Maßen sogar notwendig. Bislang wurde die positive Rolle der Neutrophilen dabei übersehen“, erklärt Sabine Steffens. Wie ihre Untersuchung zeigt, sind Neutrophile auch entscheidend dafür, dass sich eine Entzündung auflöst und sich das Gewebe wieder stabilisiert.

Die neuen Ergebnisse bestätigen, dass die Funktion der Neutrophilen noch nicht vollständig verstanden ist. Das hat Implikationen für aktuelle therapeutische Ansätze, wonach die Anzahl der Neutrophilen nach einem Herzinfarkt verringert werden soll, um den Entzündungsprozess zu kontrollieren. „Es kommt auf das richtige Gleichgewicht an. Es könnte einen Grenzwert geben, ab dem die positive Wirkung der Neutrophilen kippt“, sagt Steffens. Verringert man die Neutrophilen zu sehr, könnte das dazu führen, dass der Heilungsprozess beeinträchtigt wird. Stattdessen könnte es ein vielversprechender Ansatz sein, die Entwicklung jener Monozyten zu stärken, die den Reparaturprozess beschleunigen. In weiteren Studien gilt es daher, die Signalwege und regulatorischen Prozesse aufzudecken, die zu ihrer Bildung führen.

(European Heart Journal 2016, doi: 10.1093/eurheartj/ehw002)

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