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Die Identität der Zellen

20.02.2017

Jede Zelle besitzt einen individuellen molekularen Fingerabdruck, der Rückschlüsse auf ihre Funktionen und Steuerungsmechanismen erlaubt. LMU-Wissenschaftler haben untersucht, wie er sich am besten nehmen lässt.

Die Zelle ist der Grundbaustein aller Lebewesen. Ihre Funktionen und Regulationsmechanismen zu entschlüsseln ist wichtig, um essenzielle Lebensvorgänge und das Entstehen von Krankheiten zu verstehen. Moderne Hochdurchsatz-Sequenzierung ist dabei ein unverzichtbares Werkzeug. Dadurch lassen sich auch Art und Menge von RNAs bestimmen und die sogenannte Einzelzell-RNA-Sequenzierung hat eine rasante Entwicklung genommen. Sie ermöglicht es, von einzelnen Zellen einen molekularen Fingerabdruck zu erstellen, der Auskunft über ihren Zelltyp und ihren Zustand gibt. „Damit stellt diese Technologie ein äußerst wertvolles Werkzeug für die Forschung, aber auch für die Entwicklung neuer Therapien dar“, sagt der LMU-Biologe Wolfgang Enard, der nun mit seinem Team erstmals verschiedene RNA-Sequenzierungstechniken bezüglich ihrer Sensitivität, Genauigkeit und wirtschaftlichen Effizienz verglichen hat. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im renommierten Fachmagazin Molecular Cell.

Mit der Einzelzell-RNA-Sequenzierung wird untersucht, welche Boten-RNA-Moleküle in der Zelle vorhanden sind. Die Boten-RNA übermittelt die in der DNA gespeicherten Baupläne für Proteine an die Ribosomen, wo die entsprechenden Proteine synthetisiert werden. Ein vollständiger RNA-Katalog der Zelle ermöglicht daher einen umfassenden Einblick in deren Aktivität. Er zeigt, welche Gene aktiv sind, wie die Zelle reguliert wird und was passiert, wenn Krankheiten entstehen. Für die technische Durchführung der Einzelzell-RNA-Sequenzierung gibt es sowohl kommerziell angebotene Methoden als auch solche, für die sich die Forscher alle notwendigen Komponenten eigenständig zusammenstellen können.

Um zu untersuchen, welche Methode am effektivsten und kostengünstigsten zu Ergebnissen führt, machten die Wissenschaftler Screens von embryonalen Stammzellen der Maus mit sechs verschiedenen Methoden und verglichen, wie viele und welche Gene jede Methode erfasste. Außerdem berechneten sie, was es mit jeder Methode kostet, eine bestimmte Anzahl an Genen zwischen zwei Zelltypen signifikant zu unterscheiden. „Diese Kalkulation zeigte, dass einige kommerzielle Methoden um den Faktor 10 teurer sind als die ,selbst gebrauten‘“, sagt Enard. Die Forscher betonen allerdings, dass es auch von den individuellen Erfordernissen und Bedingungen abhängt, welche Methode am geeignetsten ist. „Es macht einen Unterschied, ob tausende von Zellen auf hunderte von Genen untersucht werden sollen, oder hunderte von Zellen auf tausende von Genen“, sagt Enard. „Mithilfe unserer Ergebnisse konnten wir auch zeigen, welche Methoden für welchen Zweck am geeignetsten sind und haben wichtige Informationen für zukünftige Entwicklungen gewonnen.“

Die neuen Erkenntnisse sind umso interessanter, weil diese Technologie ein wichtiges Werkzeug für die Genomik darstellt. Unter anderem ist sie unverzichtbares Hilfsmittel für den „Human Cell Atlas“, ein ehrgeiziges internationales Projekt, in dem analog zum Entschlüsselung des Genoms alle menschlichen Zellen vom Embryo bis zum Erwachsenen anhand ihrer Genaktivität katalogisiert werden sollen – rund 35 Billionen Zellen. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass ein solcher Atlas das Wissen über den menschlichen Körper und die Entstehung von Krankheiten revolutionieren würde.Molecular Cell 2017

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