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Ein winziger Golfstrom der Evolution

26.07.2020

„Ursprung des Lebens“: LMU-Biophysiker stellen im Labor nach, wie sich in porösem, vulkanischem Gestein erste Erbgutbausteine vervielfältigen konnten.

Vulkanisches poröses Gestein, umflossen von heißem Wasser

Heiße Fluide treffen auf einen kalten Ozean:

So entstehende Temperaturunterschiede in vulkanischem, ... | © ABACA/picture alliance

Leben entwickelte sich durch Evolution; das postulierte Charles Darwin schon vor langer Zeit. Doch wie begann diese Geschichte des Lebens, wie konnten sich aus gewöhnlicher Materie die ersten einfachen Bausteine bilden, die die Entstehung des Lebens in Gang setzten? Für den Ursprung des Lebens musste auf der frühen Erde eine Umgebung existieren, in der molekulare Evolution möglich war. Forscher versuchen daher, Bedingungen zu identifizieren, die die ersten Schritte der molekularen Evolution aus sehr einfachen Komponenten hin zu immer komplexeren Einheiten einleiten konnten – ohne menschliches Eingreifen. „Hierzu ist es nötig, die präbiotische Chemie in ein passendes physikalisches Nichtgleichgewicht einzubetten“, sagt Dieter Braun. Ein Team um den LMU-Biophysiker ist diesem Ziel gemeinsam mit Forschern aus dem Salk Institute San Diego einen großen Schritt nähergekommen. Sie zeigen experimentell, dass ein Wärmefluss, eine Art Mikrogolfstrom innerhalb von wassergefülltem, porösem Vulkangestein die Vervielfältigung von RNA antreiben kann.

RNA ist neben der DNA als zentrales Erbgutmolekül im Fokus der Origins-of-Life-Forschung, denn es ist in der Lage, Informationen zu speichern und diese zu kopieren - eine der grundlegenden Eigenschaften von Leben. Genau wie DNA ist auch RNA in der Lage, Informationen zu kodieren. Zusätzlich kann sich RNA aufgrund ihrer im Vergleich zur DNA leicht modifizierten, etwas einfacheren chemischen Eigenschaften in dreidimensionale Strukturen falten, die von der einfache Helixstruktur abweichen. Diese sogenannten Ribozyme können ähnlich wie Proteine chemische Reaktionen herbeiführen. Auf dieser Dualität basiert die sogenannte RNA-Welt Hypothese. Diese geht davon aus, dass am Beginn des Lebens RNA sowohl die heutige Rolle von DNA, als auch die Rolle von Proteinen übernommen hat.

Der Vervielfältigung der RNA kommt bei der Entstehung des Lebens eine Schlüsselrolle zu. Um die präbiotischen Bedingungen zu simulieren, entwarfen die Biophysiker ein Experiment, in dem eine zylindrische Kammer eine Pore in vulkanischem Gestein imitiert. Auf der frühen Erde könnte so ein poröses Gestein einem natürlichen Temperaturgradienten ausgesetzt gewesen sein. Heiße Fluide aus dem Erdinneren könnten auf einen kalten Ozean, einen kalten See oder auf kaltes Gestein getroffen sein. In der Origins-of-Life-Forschung sind solche unterseeischen, hydrothermalen Mikrokosmen ein häufig verwendetes Modellsystem. Auf kleinstem Raum können dort große Temperaturschwankungen auftreten und Wärmeflüsse sowie Konvektion verursachen. Dies bilden die Forschenden nach.

Die LMU-Forscher konnten dabei zeigen, dass solche Temperaturunterschiede den Kopiervorgang von RNA-Sequenzen durchaus antreiben können. Ein Hauptproblem beim Kopieren ist, dass bei hohen Temperaturen, die notwendig sind, um doppelsträngige RNA in einzelne Stränge zu „schmelzen“, RNA auch zersetzt werden kann. Hier wendeten die Biophysiker einen Trick an. „In unserem Experiment stellt ein einfacher Wärmefluss durch eine geschlossene Pore eine Kombination aus Konvektion, Thermophorese und Brown‘scher Bewegung her“, sagt Braun. Das ist essentiell für das System, denn „kleine RNA-Moleküle wurden zyklisch zur Strangtrennung in warme Regionen bewegt, während das sensible RNA-Ribozym durch die bevorzugte Akkumulation in kälteren Regionen vor Denaturierung geschützt wurde.“ Es entstand eine Art Mikrogolfstrom für RNA-Moleküle. Erstaunt waren die Forscher, dass sich die Ribozyme zu größeren Komplexen zusammenschlossen und so sehr effektiv in der kälteren Region aufkonzentriert werden konnten. Die labilen Ribozyme konnten so ihre Lebensdauer trotz der hohen Temperatur um ein Vielfaches verlängern. „Das war für uns völlig überraschend“, sagt Braun.

Derzeit ist die Länge der replizierten Stränge noch begrenzt. Die kürzesten RNA-Sequenzen vervielfältigen sich nämlich am schnellsten, die kopierte RNA wird immer auf ihre minimale Länge reduziert und eine Evolution mit ansteigender Komplexität ist nicht möglich. Eine echte Darwin‘sche Evolution längerer RNA-Stränge wird durch die Bedingungen noch nicht bevorzugt. „Aufgrund von Modellrechnungen sind wir aber zuversichtlich, dass dies durch eine weitere Optimierung der thermischen Fallen in Zukunft möglich sein wird“, sagt Braun. Denkbar wäre auch ein System, in dem sich das Ribozym aus kürzeren Strängen zusammensetzt, die es dann wiederum selbst replizieren kann.Physical Review Letters, 2020

Mehr zum Thema: A Jumpstart for Biochemistry. Physics 2020

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