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Gefährliche Gerinnsel hemmen

08.04.2018

Blutgerinnsel in Schlagadern führen zu Herzinfarkten und Schlaganfällen. LMU-Mediziner zeigen, dass neuartige Wirkstoffe, die für die Leukämietherapie entwickelt wurden, in niedriger Dosierung die Gerinnselbildung selektiv hemmen.

Die Ruptur oder Erosion von atherosklerotischen Ablagerungen (Plaques) in Schlagadern (Arterien) führt zur Freisetzung von Material im Gefäßinnern. Dieses Material stimuliert die Anheftung und Verklumpung von Blutplättchen (Thrombozyten) in den Arterien, was zur Bildung von Blutgerinnseln (Thromben) führt und Herzinfarkte oder Schlaganfälle auslösen kann. Bei diesem komplexen Prozess spielen verschiedene Proteine eine entscheidende Rolle, unter anderem Plaque-Kollagene, welche Oberflächenrezeptoren auf Blutplättchen aktivieren. LMU-Mediziner um Professor Wolfgang Siess vom Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten haben nun gezeigt, dass für die Krebstherapie entwickelte Medikamente die Bildung dieser durch atherosklerotische Plaques ausgelösten Thromben spezifisch hemmen und effektiver sind als derzeit eingesetzte Präparate. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin Blood.

Aus früheren Untersuchungen wussten die Wissenschaftler bereits, dass Antikörper gegen bestimmte Oberflächenrezeptoren (Glykoprotein VI, Glykoprotein Ib) auf den Thrombozyten die Bildung der durch atherosklerotsche Plaques ausgelösten Thromben effektiver unterbinden als die derzeit verwendeten Standardtherapien. „Deshalb haben wir vermutet, dass die Hemmung der von diesen Rezeptoren vermittelten Signalübertragung die Thrombozytenaktivierung durch Plaques – und damit die Thrombenbildung – ebenfalls sehr wirksam supprimieren könnte“, sagt Siess. Diese Hypothese haben die Wissenschaftler für das Enzym Bruton-Tyrosinkinase (Btk) bestätigt: Btk ist daran beteiligt, die durch die Aktivierung der Glykoproteine VI und Ib auf den Blutplättchen ausgelösten Signale in das Thrombozyten-Innere weiterzuleiten. Durch die Einnahme pharmakologischer Btk-Hemmer wie Ibrutinib kann diese Signalweiterleitung irreversibel blockiert werden. Ibrutinib ist zugelassen für die Behandlung von chronischer lymphatischer Leukämie (CLL). Mittlerweile wurden neue, noch selektivere Btk-Inhibitoren für die Behandlung von B-Zell -Malignomen entwickelt.

Die Wissenschaftler haben nun nachgewiesen, dass Ibrutinib und zwei der neuen Btk-Hemmer (Acalabrutinib und ONO/GS-4059) die Plättchenaggregation, die durch atherosklerotische Plaques ausgelöst wird, spezifisch hemmten – sowohl unter statischen Bedingungen als auch unter arteriellen Strömungsbedingungen. Die normale Thrombenbildung wurde dabei nicht beeinträchtigt, da die durch normales Bindegewebskollagen induzierte Plättchenadhäsion nicht gehemmt wird. Bei Gesunden reichte bereits eine sehr niedrige Dosierung von Ibrutinib aus, um die Plaque-induzierte Plättchenaktivierung effektiv zu hemmen. Dies beruht auf der irreversiblen Hemmung von Btk in Thrombozyten, welche als kernlose Zellen keine Proteine bilden können. Aufgrund der sehr niedrigen Dosierung dieser Medikamente sollte daher eine selektive Btk-Hemmung in Blutplättchen möglich sein, ohne die Funktion anderer Zellen, in denen Btk exprimiert ist, zu beeinträchtigen.„Da oral verfügbare Btk-Hemmer die Plaque-induzierte Thrombenbildung selektiv und besser hemmen als die derzeit verwendeten Präparate, nehmen wir an, dass diese auch geeigneter für die Prophylaxe und Therapie von Herzinfarkt und Schlaganfall sind“, sagt Siess. „Dies ist ein erster hoffnungsvoller Schritt in Richtung einer möglichen präventiven und therapeutischen Anwendung von Btk-Hemmern bei diesen kardiovaskulären Erkrankungen.“Blood 2018

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