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Gefangen im Endothel

06.10.2016

LMU-Forscher decken auf, warum sich bei einer seltenen Erkrankung des Immunsystems der Körper nicht gegen Infektionen wehren kann.

Menschen mit dem MST1-Defekt, einer seltenen Immunerkrankung, leiden unter anderem an immer wiederkehrenden Entzündungen, die von Bakterien, Viren und Pilzen ausgelöst werden. Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Professor Markus Sperandio vom Walter-Brendel-Zentrum der LMU hat nun erstmals eine wichtige molekulare Ursache für die Immunschwäche entdeckt. Wie die Wissenschaftler aktuell in der Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation berichten, können neutrophile Granulozyten, eine bestimmte Sorte von Immunzellen, ihre Funktion nicht ausüben, sobald das Enzym MST1 fehlt.

Neutrophile Granulozyten sind für die frühe Abwehr von Infektionen und Entzündungen wichtig. „Sie sind die erste Polizei vor Ort“, mit einem ganzen Arsenal von Abwehrmechanismen, sagt Markus Sperandio. Dafür müssen sie die Wand der Blutgefäße durchwandern. Liegt ein MST1-Defekt vor, kommen sie aber nur durch die erste Zellschicht der Gefäßwand, dem sogenannten Endothel. „Neutrophile Granulozyten sind ohne MST1 nicht in der Lage, das Gefäßsystem komplett zu verlassen und dorthin zu wandern, wo sie gebraucht werden. Sie gelangen zwar durch die erste Zellschicht, aber bleiben dann an der nächsten Barriere, der Basalmembran, stecken“, sagt Sperandio, der dem Defekt im Rahmen der Zusammenarbeit im Sonderforschungsbereich „Immunzellwanderung bei Entzündung, Entwicklung und Krankheit“ (SFB 914) auf die Spur kam.

Bei funktionstüchtigen neutrophilen Granulozyten transportieren intrazelluläre Vesikel bestimmte Moleküle an die Zelloberfläche, die für die Passage der Basalmembran von wesentlicher Bedeutung sind. Fehlt nun aber das Enzym MST1, ist dieser Transport gestört. „Unsere Studie zeigt, wie entscheidend MST1 für den Vesikeltransport und die Migrationseigenschaft der neutrophilen Granulozyten ist“, sagt Sperandio. Die Studie erklärt auch, warum Kinder mit einem MST1-Defekt, der 2012 unter der Leitung von Professor Christoph Klein, Ärztlicher Direktor des Dr. von Haunerschen Kinderspitals am Klinikum der Universität München, entdeckt wurde, so schwer krank sind. Ohne den Einsatz der neutrophilen Granulozyten kann sich ihr Körper nicht gegen Infektionen wehren. (The Journal of Clinical Investigation 2016)

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