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Jobwechsel weckt den Kampfgeist

06.04.2016

Gestern Kollege, heute Konkurrent: Wer den Arbeitgeber wechselt, fühlt sich zwei Unternehmen verbunden – und kämpft umso härter gegen seine frühere Firma, zeigt eine Studie von LMU-Wirtschaftswissenschaftler Thorsten Grohsjean.

Wer nach einem Jobwechsel mit seinem früheren Arbeitgeber konkurriert, strengt sich umso mehr an – es sei denn, die Ex-Kollegen sind mit im Spiel. Das zeigt eine Studie von Thorsten Grohsjean, Professor an der Fakultät für Betriebswirtschaft der LMU, die in der April-Ausgabe des Academy of Management Journal erscheint. Der Juniorprofessor für Strategie/Organisation in technologieintensiven Industrien hat zusammen mit seinen Co-Autoren Pascal Kober und Dr. Leon Zucchini anhand von Spielerwechseln in der amerikanischen Eishockeyliga untersucht, wie es sich auf die Leistungsbereitschaft auswirkt, wenn ehemalige Mannschaftskollegen auf einmal Konkurrenten sind. Diesen auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinenden Ansatz haben der Wirtschaftswissenschaftler und seine Kollegen gewählt, da sich anhand von Daten aus den Spielen das Verhalten der abgeworbenen Spieler gut analysieren lässt: Wie oft greifen sie an, wenn ihre frühere Mannschaft auf einmal der Gegner ist? Und wie oft attackieren sie Spieler, die frühere Kollegen sind?

„Wir glauben, dass sich das Ergebnis auf die Wirtschaft übertragen lässt. Es gilt insbesondere für die Wissensarbeiter, die sich stark mit ihrem Unternehmen identifizieren und einen Einfluss darauf haben, wie das Unternehmen in der Öffentlichkeit dasteht, etwa in Werbeagenturen, Beratungsfirmen und Architekturbüros“, sagt Grohsjean.

Wer bin ich?

Die Identifikation mit dem Arbeitgeber wächst über die Zeit und lässt sich auch nach einem Jobwechsel nicht einfach abstellen. Darunter verstehen die Forscher das Selbstverständnis, das ein Mitarbeiter von sich im Hinblick auf das Unternehmen hat. Wie die Studie zeigt, bemühen sich Mitarbeiter gerade nach einem Jobwechsel darum, die Identifikation mit dem neuen Arbeitgeber zu stärken, und sind deswegen gerade gegenüber ihrer früheren Firma besonders wettbewerbsorientiert. Auf diese Weise lösten sie ihren Loyalitätskonflikt, denn im Grunde fühlten sie sich beiden Unternehmen verbunden, heißt es in der Studie.

Nicht nur im Silicon Valley ist der Kampf um die besten Mitarbeiter hoch. Auch in Deutschland werben Unternehmen in Branchen, in denen starker Wettbewerb herrscht, Mitarbeiter häufig von konkurrierenden Firmen ab. „Sie versprechen sich davon vor allem neues Wissen und wertvolle Kontakte“, sagt Grohsjean. Gerade in Consultingfirmen und Anwaltskanzleien seien Kunden oft einzelnen Mitarbeitern gegenüber loyal und wechselten dann mit diesen zum neuen Unternehmen.

Ganz skrupellos verhalten sich die Jobwechsler jedoch nicht. Wenn sie mit früheren direkten Kollegen konkurrieren müssen, schränken sie ihre Wettbewerbsorientierung ein. Plagen sie also Gewissensbisse? „Mit Gewissensbissen hat das weniger zu tun, sondern mit einem Gefühl der Verbundenheit zu früheren Kollegen. Die Überlegung dahinter ist offenbar: Ich attackiere die Ex-Kollegen zwar weniger, aber das schadet nicht zwangsläufig der neuen Firma, wenn ich dafür unbekannte Mitarbeiter der alten Firma mehr angehe“, sagt Grohsjean. Für Arbeitgeber, die darüber nachdenken, der Konkurrenz Mitarbeiter abzuwerben, empfiehlt der Wirtschaftswissenschaftler daher: „Es ist besser, ganze Teams abzuwerben als einzelne Mitarbeiter.“ Wirbt man nur Individuen ab, sollte man diese nicht gegen ihre früheren Kollegen einsetzen.

Die Beziehung zu früheren Kollegen bleibt über lange Zeit bestehen, während die Identifikation mit dem früheren Unternehmen und der dadurch ausgelöste besondere Wettbewerbswille schleichend abnehmen. Damit widersprechen die Ergebnisse bisherigen Annahmen in der Management-Literatur, wonach die Identifikation mit Kollegen und dem Unternehmen in dieselbe Richtung geht. „Unsere Studie zeigt, dass das nach einem Jobwechsel nicht der Fall ist, sondern in entgegengesetzte Richtungen läuft. Die Verbindung zu früheren Kollegen wird sogar mit der Zeit stärker.“

Der Studie zufolge macht es für das Verhalten des neuen Mitarbeiters keinen Unterschied, ob der Jobwechsel aus freien Stücken, infolge eines Streits mit dem früheren Arbeitgeber oder gar wegen einer Kündigung erfolgt. „Das hat uns auch erstaunt, möglicherweise sind in unserer Studie aber auch die Fallzahlen von jenen, die im Schlechten auseinandergingen, zu gering“, schränkt Grohsjean ein. Am Beispiel der Eishockey-Spieler ist es den Wirtschaftswissenschaftlern jedoch gelungen, zu zeigen, dass das Abwerben von Mitarbeitern nicht nur neues Wissen und neue Kontakte bringt, sondern auch besonderen Wettbewerbswillen. Umgekehrt lässt sich auch ein möglicher Rückgang der Arbeitsleistung nach einem Jobwechsel nun unter neuem Licht sehen: „Wir konnten mit unserer Analyse zeigen, dass es nicht nur etwa an fehlendem firmeninternen Wissen von neuen Mitarbeitern liegen muss, wenn ihre Arbeitsleistung nach einem Jobwechsel zunächst runtergeht. Es kann eben auch daran liegen, dass sie einen plötzlichen Konkurrenten zu gut persönlich kennen.“

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