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Lernen, den Raum zu hören

25.01.2017

Wer sein Gehör trainiert, kann hören, wie groß ein Raum ist. LMU-Forscher zeigen erstmals, wie eng dabei sensorischer und Motor-Kortex zusammenarbeiten.

Der Mensch muss nicht um sich schauen, um sich im Raum zu orientieren. Blinde Menschen orten Echos von selbstgenerierten Geräuschen, um zu wissen, in welcher Entfernung von Wänden sie sich befinden. Dafür klopfen sie zum Beispiel mit einem Stock auf den Boden oder klicken mit der Zunge. Auch sehende Menschen können Echoortung mit Klicklauten lernen, wie Forscher um Lutz Wiegrebe, Professor am Department Biologie der LMU, zeigen. Die LMU-Biologen haben zusammen mit Dr. Virginia L. Flanagin vom Deutschen Schwindelzentrum am Klinikum der LMU erstmals die Gehirnaktivitäten von Sehenden und einem Blinden im Moment der Echoortung analysiert. Welche neuronalen Mechanismen dabei greifen, berichten sie aktuell in der Fachzeitschrift Journal of Neuroscience.

Lutz Wiegrebe und seine Kollegen haben eine Technik entwickelt, die es erstmals möglich macht, Echoortung mit Klicklauten im MRT-Scanner aufzunehmen. Für ihre Studie haben die Forscher zunächst die Akustik in einer Kapelle aufgenommen. „Wir haben sozusagen ein akustisches Foto der Kirche gemacht und den aufgenommenen Raum im Versuch skaliert, also größer oder kleiner gemacht“, erklärt Wiegrebe. Mithilfe eines Headsets, das aus einem Mikrofon und einem Kopfhörer besteht, wurden die Probanden in dem virtuellen Raum positioniert. Echos von im Scanner generierten Klicklauten änderten sich für sie, je nachdem, wie groß der virtuelle Raum war, in dem sie sich befanden. „Allen Teilnehmenden ist es gelungen, sogar kleinste Unterschiede in der Raumgröße wahrzunehmen“, sagt Wiegrebe, der diese Technik der Echoortung mit den Probanden zuvor trainiert hatte. Dabei konnten sie sich besser orientieren, wenn sie mit der Zunge schnalzten, um die Raumgröße zu bestimmen, als wenn ihnen nur ihre Klicks und Echos vorgespielt wurden. Ein Proband konnte die Raumgrößen so genau nennen, dass seine Angaben nur um höchstens vier Prozent von der tatsächlichen Größe abwichen.

Um die neuronalen Mechanismen bei der Echoortung zu erfassen, lagen die Probanden dabei in einem MRT. „Bei der Echoortung gibt es eine ganz enge Kopplung zwischen sensorischem und Motor-Kortex“, sagt Virginia L. Flanagin. Der Schall wird beim Schnalzen mit der Zunge ausgesendet, von der Umgebung reflektiert und kehrt zum Ohr zurück, wodurch der sensorische Kortex aktiviert wird, kurz darauf wird der Motor-Kortex angeregt, damit neue Klick-Geräusche produziert werden. Die Aufnahmen eines blinden Probanden zeigten dagegen eine Aktivierung im visuellen Kortex. „Das zeigt, wie plastisch das menschliche Gehirn ist. Der visuelle primäre Kortex kann offenbar auditive Aufgaben übernehmen“, sagt Wiegrebe. Die sehenden Probanden hatten dagegen nur eine geringe Aktivierung im visuellen Kortex, wenn sie den Raum über das Echo orteten.

Die Forscher wollen nun ein Trainingsprogramm entwickeln, damit blinde Menschen die Echoortung mit Klicklauten gezielt trainieren können.(The Journal of Neuroscience 2017)

Mehr zur Forschung von Prof. Lutz Wiegre be: Projektstart: Vokales lernen besser verstehen (vom 22.3.2016) Beutejagd von Fledermäusen: Kein Entkommen (vom 17.3.2015) Echoortung: Den Raum hören (vom 28.8.2013)

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