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Mechanische Reize erfühlen

30.01.2020

LMU-Wissenschaftler haben aufgeklärt, wie zelluläre Sensoren mechanische Kräfte in Blutgefäßen wahrnehmen, die an der Steuerung wichtiger physiologischer Prozesse beteiligt sind. Ihre Ergebnisse könnten Ansatzpunkte für neue Therapien sein.

Das durch die Blutgefäße strömende Blut erzeugt mechanische Kräfte, die auf die Gefäßwand wirken. | © Kateryna_Kon - stock.adobe.com

Das durch die Blutgefäße strömende Blut erzeugt mechanische Kräfte, die auf die Gefäßwand wirken und an verschiedenen wichtigen physiologischen Prozessen beteiligt sind. Dazu gehört die Autoregulation der Gefäße mit der die Blutversorgung in unterschiedlichen Geweben sichergestellt wird. Aber auch bei der Entstehung von Erkrankungen wie der Herzhypertrophie oder der umgangssprachlich auch als Schwangerschaftsvergiftung bezeichneten Präeklampsie spielt es eine Rolle. Die LMU-Wissenschaftler Professor Michael Mederos y Schnitzler, Professor Thomas Gudermann und PD Dr. Ursula Storch vom Walther-Straub-Institut für Pharmakologie und Toxikologie haben nun einen an diesen Prozessen beteiligten Sensor identifiziert und die molekularen Mechanismen aufgeklärt, die dahinterstehen. Davon berichten sie im Fachmagazin Nature Communications.

In der Zellmembran sitzen zahlreiche Rezeptoren, von denen die sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCR) die größte Familie bilden. Von diesen Rezeptoren weiß man, dass sie als vielseitige Sensoren für chemische Stimuli dienen, aber auch mechanische Reize wahrnehmen können. In Endothelzellen, die die innerste Wandschicht der Blutgefäße bilden, ist der sogenannte G-Protein-gekoppelte Histamin-H1-Rezeptor im Vergleich zu anderen Rezeptoren dieser Familie stark überrepräsentiert. „Dieser Rezeptor vermittelt im Gefäßsystem die typischen allergieartigen Wirkungen von Histamin. Wie wir in früheren Arbeiten gezeigt haben, kann er aber auch tatsächlich mechanische Reize wahrnehmen“, sagt Mederos.

Deshalb haben die Wissenschaftler nun die Rolle dieses Rezeptors im vaskulären System näher untersucht. Dabei fanden sie mithilfe von Messungen an isolierten Mesenterialarterien von Mäusen, die die Darmwand mit Blut versorgen, dass der H1-Rezeptor unabhängig von Histamin zusätzlich als Sensor für strömungsbedingte Scherkräfte dient. Wird er durch solche mechanischen Kräfte aktiviert, setzt er einen Signalweg in Gang, der zu einer Erweiterung der Blutgefäße und dadurch zu einer stärkeren Durchblutung der nachfolgenden Gewebe führt.

Über diese physiologischen Auswirkungen hinaus konnten die Wissenschaftler auch die molekularen Mechanismen der Mechanosensitivität aufklären: Entscheidend hierfür ist ein bestimmtes strukturelles Element, das viele, aber nicht alle G-Protein-gekoppelten Rezeptoren besitzen. „Wenn wir diese Struktur entfernten, ging die Mechanosensitivität des Rezeptors verloren“, sagt Mederos.

„Umgekehrt konnten wir eigentlich nicht-mechanosensitive Rezeptoren durch Einfügen der Struktur sensibel für mechanische Reize machen.“ Die Wissenschaftler vermuten, dass sich diese Struktur durch mechanische Stimulation ausdehnt. Dadurch nimmt der Rezeptor unterschiedliche Konformationen ein, je nachdem, ob er durch chemische Moleküle wie Histamin oder durch mechanische Kräfte aktiviert wurde, und kann auf diese Weise unterschiedliche Signale vermitteln. „Um die genauen Mechanismen der Dehnung zu klären, sind aber noch weitere Studien nötig“, sagt Mederos.

Insgesamt sind diese Ergebnisse nach Ansicht der Wissenschaftler ein wichtiger Schritt. „Ein genaueres Verständnis der Mechanismen der Mechanosensitivität ermöglicht einen tieferen Einblick in die Entstehung mechanisch induzierter Krankheiten und könnte wegweisend sein für neue Ansätze zur Prävention und Therapie dieser Erkrankungen“, sagt Mederos.

Nature Communications 2019

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