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Robuste Musterbildung

17.04.2018

Die richtige Verteilung von Proteinen in der Zelle ist für viele biologische Prozesse entscheidend. LMU-Physiker haben untersucht, welche Mechanismen die Musterbildung unempfindlich gegen Konzentrationsänderungen der Proteine machen.

Viele lebenswichtige Prozesse werden mithilfe biologischer Muster gesteuert. Bei der Zellteilung etwa legt die Verteilung bestimmter Proteine fest, an welcher Stelle die Mutterzelle abgeschnürt wird. Damit das Überleben der Zelle gesichert ist, müssen diese Prozesse auch bei Störungen – etwa durch schwankende Proteinkonzentrationen – sehr stabil ablaufen. Welche Mechanismen diese Stabilität sicherstellen, haben nun LMU-Physiker um Professor Erwin Frey in Kooperation mit Professor Petra Schwille (Max-Planck-Institut für Biochemie, München) untersucht. Über ihre Ergebnisse berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin PNAS.

Ein wichtiges Modell für die biologische Musterbildung ist das Min-System, mit dem das stäbchenförmige Bakterium Escherichia coli festlegt, an welcher Stelle die Zelle geteilt wird. Die sogenannten Min-Proteine pendeln dabei zwischen den beiden Enden der Zelle hin und her und erzeugen ein Proteinmuster, das die Teilung in der Nähe der Zellpole verhindert, aber nicht in der Mitte der Zelle. Angetrieben wird der Pendelverkehr durch ein komplexes Zusammenspiel der Proteine MinD und MinE: MinE aktiviert an die Zellmembran gebundenes MinD, das sich daraufhin löst und durch die Zelle diffundiert, bis es erneut bindet. „Bisherige mathematische Modelle haben immer ergeben, dass der Pendelverkehr nur funktioniert, wenn weniger MinE als MinD vorhanden ist“, sagt Jonas Denk, Doktorand in Freys Team und Erstautor der Studie. Reale Zellen enthalten allerdings normalerweise etwa gleich viel MinE und MinD, und experimentelle Studien zeigten, dass die Musterbildung sogar dann noch gelingt, wenn die MinE-Konzentration deutlich erhöht wird.

Diesen scheinbaren Widerspruch konnten die Wissenschaftler nun auflösen, indem sie eine Konformationsänderung von MinE in ihr Modell einbezogen: Aus früheren Untersuchungen war bereits bekannt, dass MinE in zwei Formen vorkommt, einer offenen und einer geschlossenen. Die geschlossene Form von MinE hat nur eine sehr geringe Affinität zu MinD und bindet deswegen nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit. Ist MinE allerdings erst einmal an MinD gebunden, wechselt es in die offene Form, die hochaffin an MinD bindet. Dabei wird es aktiviert und löst sowohl sich selbst als auch MinD von der Membran. Die Wissenschaftler schlagen vor, dass das aktivierte MinE danach noch für kurze Zeit seine offene Form behält und somit direkt zum nächsten membrangebundenen MinD „springen“ kann – trifft es nicht schnell genug auf einen Reaktionspartner, wechselt es aber wieder in die geschlossene Form. „Dieses Umschalten zwischen den beiden Konformationen ist entscheidend für die Robustheit der Musterbildung und macht das System selbst gegenüber stark erhöhten MinE-Konzentrationen unempfindlich, wie unsere Simulationen zeigten“, sagt Frey. In-vitro-Experimente von Simon Kretschmer aus Schwilles Team bestätigten diese Ergebnisse.

Das neue Modell ermöglicht über das Min-System hinaus grundlegend neue Einsichten in die Mechanismen, mit denen die Zelle die biologische Musterbildung reguliert. Die Robustheit gegenüber Konzentrationsänderungen von Proteinen könnte nach Ansicht der Wissenschaftler auch in evolutiver Hinsicht vorteilhaft sein, denn sie eröffnet der Zelle mehr Flexibilität: Durch mehr Spielraum bei der Regulation von Proteinmustern, bleiben lebenswichtige Prozesse auch unter veränderten Bedingungen stabil.PNAS 2018

Publikation: MinE conformational switching confers robustness on self-organized Min protein patternsJonas Denk*, Simon Kretschmer*, Jacob Halatek*, Caroline Hartl, Petra Schwille and Erwin FreyPNAS 2018 (*trugen zu gleichen Teilen bei)

Weitere Informationen: Biophysikalische Muster-Aus dem Gleichgewicht Biophysik-Stabile Muster Biophysik-Mustergültige Zellgeometrie

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