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Seltene Fisch-Fossilien entdeckt

30.04.2015

LMU-Forscher haben erstmals fossile Verwandte der heute weit verbreiteten Prachtgrundkärpflinge entdeckt: Die sechs Millionen Jahre alten Abdrücke geben Einblick in die Evolutionsgeschichte der Fische.

Prachtgrundkärpflinge sind Überlebenskünstler: Perfekt an ihren Lebensraum in nur kurzfristig bestehenden Regenwasser-Tümpeln angepasst, können die Eier der kleinen bunten Fische lange Trockenzeiten problemlos überdauern. Obwohl sie in vielen Arten vorkommen und heute in den Tropen und Subtropen weit verbreitet sind, wurden fossile Überreste dieser Fische noch nie gefunden – bis jetzt: Die LMU-Paläontologen Professor Bettina Reichenbacher und Melanie Altner haben erstmals fossile Verwandte der heutigen Prachtgrundkärpflinge entdeckt. „Die außerordentlich gut erhaltenen Fossilien sind etwa sechs Millionen Jahre alt und wurden von französischen Paläoanthropologen in Kenia gefunden“, sagt Reichenbacher, „unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich um eine neue, heute ausgestorbene Gruppe handelt, die wir nach ihrem Herkunftsland Kenyaichthys genannt haben – Fisch aus Kenia“.

77 Individuen komplett erhalten

Die Fundstelle der Fossilien liegt in den Tugen Hills im östlichen Arm des ostafrikanischen Grabenbruchs. Im ausgehenden Miozän – also vor etwa sechs Millionen Jahren – befand sich dort ein See, in dessen Ablagerungen die nur 2-4 cm großen Fische als Abdrücke erhalten geblieben sind. „Insgesamt haben wir 169 Individuen gefunden, von denen 77 sogar komplett erhalten waren“, sagt Altner. Die detaillierten Abdrücke erlaubten den Forschern einen so genauen Einblick in die Anatomie, dass sie die Fische zweifelsfrei als mit den Prachtgrundkärpflingen verwandt identifizieren konnten. „Vor allem die Form des Schwanzflossenskeletts, der Schädelknochen und der Bauchflossen gaben entscheidende Hinweise, dass wir die weltweit ersten Fossilien der Unterordnung Aplocheiloidei, zu denen neben den afrikanischen Prachtgrundkärpflingen u.a. auch die Madagaskar-Hechtlinge, die südasiatischen Streifenhechtlinge und die südamerikanischen Bachlinge gehören, vor uns haben“, sagt Altner.

Neben den fossilen Prachtgrundkärpfling-Verwandten wurden nur wenige andere Süßwasserfische gefunden. Die Forscher gehen davon aus, dass die damaligen Umweltbedingungen für andere Fische zu extrem gewesen sind. Im ausgehenden Miozän wurde das Klima trockener und vielerorts entstanden ausgedehnte Savannen. „Wir vermuten, dass Kenyaichthys genau wie die heutigen Prachtgrundkärpflinge besonders gut an lange Trockenperioden angepasst war und so mit diesen Klimabedingungen besser zurecht kam als andere Fische“, sagt Reichenbacher.

Ungewöhnliche Merkmalskombination

Prachtgrundkärpflinge werden oft für die Erforschung von Alterungsprozessen eingesetzt und sind ein beliebtes Modell in der Evolutionsforschung. Gerade im Hinblick auf die Evolutionsgeschichte sind einige Besonderheiten des Kenyaichthys sehr interessant: „Die Fossilien weisen nicht nur Eigenschaften der heutigen afrikanischen Prachtgrundkärpflinge auf, sondern sie besitzen auch ein für südamerikanische Bachlinge typisches Merkmal. Diese Kombination ist sehr ungewöhnlich und könnte auf eine nahe Verwandtschaft zu den südamerikanischen Arten hindeuten. Es könnte aber auch sein, dass dieses Merkmal im Laufe der Evolution in den heute noch lebenden afrikanischen Vertretern zurückgebildet wurde“, sagt Altner.

Außerdem sind viele Eigenschaften – etwa der Aufbau der Schwanz- und Rückenflossen und die Körperproportionen – bei den fossilen Fischen individuell sehr variabel. Von den nächsten heute lebenden Verwandten von Kenyaichthys ist dieses Phänomen nicht bekannt. Offensichtlich gibt der Fund Einblick in einen besonderen Moment der Evolution: Es handelt sich wohl um einen gerade entstehenden Artenschwarm. Als Artenschwarm wird eine Gruppe sehr nahe verwandter Arten bezeichnet, die sich in einem isolierten Gebiet aus einer Ursprungsart entwickelt haben und nebeneinander existieren. Ein bekanntes Beispiel für einen Artenschwarm sind die Darwinfinken, die auf den Galapagosinseln verschiedene ökologische Nischen besetzen. „Unser Fund ist also in vieler Hinsicht spannend und ermöglicht ganz neue Einblicke in die Evolutionsgeschichte der Prachtgrundkärpflinge und ihrer Verwandten“, sagt Reichenbacher. (PLOS ONE 2015)    göd

Weitere Informationen:

Verräterische Steinchen - Presseinformation vom 11. November 2014

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