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Vokales Lernen besser verstehen

22.03.2016

Mensch und Fledermaus sind sich beim Erwerb von Lauten in vielerlei Hinsicht ähnlich. Das nutzen Neurobiologen in einem internationalen Forschungsprojekt. Ihr Ziel: ein neues Tiermodell für vokales Lernen zu etablieren.

Vokales Lernen ist die Voraussetzung für den Spracherwerb beim Menschen. Wie das genau funktioniert, ist noch weitgehend unerforscht, da über die neuronalen Mechanismen, die dem vokalen Lernen bei Säugetieren zugrunde liegen, noch zu wenig bekannt ist. Professor Lutz Wiegrebe vom Department Neurobiologie der Fakultät für Biologie der LMU und Dr. Uwe Firzlaff am Lehrstuhl für Zoologie der TU München starten nun zusammen mit einem internationalen Forscherteam ein Projekt, das vom Human Frontier Science Program gefördert wird. In insgesamt vier gleichberechtigten Teilprojekten werden die Forscher gemeinsam mit Dr. Sonja Vernes vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik und Professor Michael Yartsev von der University of California in Berkeley Fledermäuse als Modell für vokales Lernen etablieren. Dafür erhält das internationale Forscherteam eine Förderung in Höhe von insgesamt 1,2 Millionen Dollar für die kommenden drei Jahre.

Bei den allermeisten Tieren ist es genetisch programmiert, welche Laute sie bilden. Beim Menschen ist die Fähigkeit, Laute zu imitieren und mit Bedeutung zu verbinden, die Voraussetzung für seine verbale Kommunikation. Die Fähigkeit zu vokalem Lernen ist aber nicht nur dem Menschen zu eigen. Auch Zahnwale, Fledermäuse und wenige andere Säugetiere sowie Singvögel, darunter Papageien und Zebrafinken, haben die Fähigkeit Laute durch Nachahmung zu erwerben. Bei Vögeln ist der Lauterwerb inzwischen recht gut erforscht. Da sich Vögel entwicklungsgeschichtlich sehr früh von Säugetieren abgetrennt haben, ist aber nicht klar, inwieweit die Ergebnisse auf den Menschen übertragbar sind.

Die Laute der Mutter imitieren

Bislang gibt es noch kein Tiermodell für vokales Lernen bei Säugetieren, an dem die neuronalen Zusammenhänge beim Lauterwerb untersucht werden können. „Fledermäuse eignen sich dafür besonders. Ähnlich wie der Mensch geben sie in ihrer frühen Entwicklung alle möglichen Laute von sich. Erst wenn sie älter werden, imitieren sie die Laute ihrer Mutter. Das macht sonst kein Labortier“, sagt Lutz Wiegrebe. „Anders als die auditiv-vokale Kopplung, also die Rückkopplung zwischen dem Hören und dem eigenen Äußern von Lauten, die bei Fledermäusen schon relativ gut studiert ist, sind die neuronalen Vorgänge beim stimmlichen Lernen bisher aber noch kaum untersucht worden“ ergänzt Uwe Firzlaff. Zudem besitzen Fledermäuse das FoxP2-Gen in besonderer Ausprägung, für das beim Menschen bereits ein Zusammenhang beim Spracherwerb nachgewiesen werden konnte. Dies wird von Dr. Sonja Vernes weiter erforscht.

Die Forscher hoffen mit den Ergebnissen ihres Projekts ein Tiermodell für vokales Lernen etablieren zu können, das näher am Menschen ist als Singvögel. Zudem wollen sie unter anderem Antworten auf die Fragen finden, welche neurologischen und genetischen Voraussetzungen mit vokalem Lernen verbunden sind, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten es zwischen Vögeln und Säugetieren gibt, und wie vokale Laute in Nervenimpulse umgewandelt werden.

Mehr zum Thema: Beutejagd von Fledermäusen: Kein Entkommen (vom 17.3.2015) Echoortung: Den Raum hören (vom 28.8.2013)

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