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Von der Atomuhr zur Kernuhr

04.05.2016

Die Zeit mithilfe der Schwingungen von Atomkernen messen – das könnte die Präzision herkömmlicher Atomuhren deutlich steigern. Physiker sind diesem Ziel nun einen wichtigen Schritt näher gekommen.

Atomuhren sind die genauesten Uhren der Welt: Den Rekord hält derzeit eine Uhr, die in 20 Milliarden Jahren nur eine Sekunde abweicht. Wissenschaftler um die LMU-Physiker Peter Thirolf, Lars von der Wense und Benedict Seiferle haben nun erstmals einen seit 40 Jahren weltweit gesuchten Anregungszustand (Isomer) des Elements Thorium experimentell nachgewiesen, mit dessen Hilfe diese Genauigkeit sogar um etwa den Faktor 10 verbessert werden könnte. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Fachmagazin Nature. Beteiligt an den Arbeiten waren auch Forscher der Johannes Gutenberg-Universität und des Helmholtz-Instituts Mainz sowie des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung in Darmstadt

Schwingungen als Taktgeber

Die Sekunde ist die Basiseinheit der messbaren Zeit. Herkömmliche Atomuhren ermitteln die Dauer einer Sekunde über Schwingungen, die angeregte Elektronen in der Elektronenhülle des Elements Cäsium aussenden. Die derzeit beste Atomuhr erreicht eine relative Genauigkeit von etwa 2*10-18. „Noch viel präzisere Messungen wären mit einer sogenannten Kernuhr möglich, bei der nicht Schwingungen in der Elektronenhülle eines Atoms gemessen würden, sondern Schwingungen direkt im Atomkern“, sagt Thirolf. „Eine solche Uhr hätte außerdem den Vorteil, dass Atomkerne etwa 100.000mal kleiner sind als ganze Atome und daher wesentlich unempfindlicher auf Störeinflüsse von außen reagieren.“

Allerdings ist von allen bisher bekannten über 3300 Atomkernen nur ein einziger potenziell für den Einsatz als Kernuhr geeignet: der schwere Atomkern des Elements Thorium mit der Massenzahl 229 (Thorium-229). Seit mehr als 40 Jahren vermuten Wissenschaftler, dass es für diesen Atomkern einen Anregungszustand gibt, der nur knapp über dem energetischen Grundzustand liegt, das sogenannte Thorium-Isomer Th-229m. Dieses Isomer stellt den niedrigsten Anregungszustand aller bekannten Atomkerne dar. „Zusätzlich wird für Th-229m eine relativ lange Lebensdauer von einigen Minuten bis zu Stunden erwartet. Deswegen geht man davon aus, dass extrem genaue Messungen der Schwingungen, die beim Kernübergang von Th-229m zurück zum Grundzustand entstehen, möglich sind“, beschreibt Thirolf einen weiteren Vorteil des Isomers.

Kernübergang erstmals direkt nachgewiesen

Allerdings konnte das Thorium-Isomer Th-229m bisher noch nie direkt nachgewiesen werden: „Dass es existiert, ging bislang nur aus indirekten Messungen hervor“, sagt Thirolf. In einem komplexen Experiment ist es den Wissenschaftlern nun erstmals gelungen, das Isomer direkt nachzuweisen. Dabei nutzten sie den radioaktiven Alpha-Zerfall von Uran-233 als Quelle: Eines der Zerfallsprodukte von Uran-233 eben ist Th-229m, das die Wissenschaftler über mehrere Zwischenschritte schließlich als Ionenstrahl isolieren konnten. „Mithilfe eines Mikrokanalplatten-Detektors konnten wir dann den Kernübergang, also den Zerfall des Isomers zurück zum Grundzustand von Thorium als klares und eindeutiges Signal messen – und so direkt nachweisen, dass dieser angeregte Zustand tatsächlich existiert“, sagt Thirolf. „Das ist ein Fortschritt, der für die zukünftige Entwicklung einer Kernuhr entscheidend ist“, betont der LMU-Physiker. „Im Rahmen des europäischen Forschungsverbundes nuClock werden wir dieses Ziel weiter verfolgen. Als nächstes müssen nun die Eigenschaften des Kernübergangs genauer bestimmt werden, das heißt seine Halbwertszeit und vor allem die genaue Übergangsenergie. Mithilfe dieser Daten könnten Laserphysiker einen auf die Übergangsfrequenz abgestimmten Laser entwickeln – eine wichtige Voraussetzung, um die Kernanregung optisch zu kontrollieren.“Nature 2016

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