News

Wehrhaft gegen den Oliven-Killer

19.06.2020

Silke Robatzek erforscht, was Pflanzen gegen Schädlinge immun macht – und wie diese die Abwehr umgehen.

Dr. Silke Robatzek

© Dr. Silke Robatzek / LMU

Es gehört zu ihren frühesten Kindheitserinnerungen, erzählt Silke Robatzek, wie sie Blätter nebeneinanderlegt und sich fragt, ob diese auch im Inneren so unterschiedlich sind, wie sie aussehen, oder sich wundert, warum der Johannisbeerstrauch in ihrem elterlichen Garten immer so viele Blattläuse hat und der Stachelbeerstrauch nicht. „Ich war schon immer neugierig, wie Pflanzen sich gegen Schädlinge wehren, obwohl sie ja nicht Schutz suchen oder zum Arzt gehen können“, erinnert sich die Biologin. Diese Neugier hat nie nachgelassen und heute gehört Robatzek, die seit 2018 eine Forschungsgruppe am Biozentrum der LMU leitet, zu den führenden Fachleuten auf dem Gebiet der zellbiologischen Immunität bei Pflanzen. Ihr Interesse gilt vor allem den Mechanismen wie Pflanzen Krankheitserreger erkennen und den Tricks, die die Krankheitserreger anwenden, um Immunsignale zu unterdrücken – und das bei jeweils ganz unterschiedlichen Pflanzen, über Artgrenzen hinweg. Für ihre innovative Forschung wird Silke Robatzek jetzt mit einem der begehrten Advanced Grants des Europäischen Forschungsrates (ERC) gefördert. Für die Wissenschaftlerin ist es nach einem ERC Starting Grant 2012 bereits die zweite derartige Auszeichnung in ihrer Karriere.

Anders als Menschen oder Tiere haben Pflanzen keine durch den Organismus zirkulierenden Zellen, die sich auf die Abwehr von Erregern spezialisiert haben. Egal ob Blatt-, Wurzel -oder Gefäßzelle, jede Pflanzenzelle hat grundsätzlich die Möglichkeit, sich gegen Pathogene zu wehren. Dazu besitzt sie ein angeborenes Immunsystem in dem Rezeptoren eine Schlüsselrolle spielen, die verschiedene Erreger erkennen und eine Immunantwort auslösen. Diese Abwehr hat verschiedene Ebenen: Die erste Abwehrlinie besteht aus Immunrezeptoren auf der Zelloberfläche, die generelle Strukturen der Krankheitserreger erkennen. Falls ein Erreger es schafft, diese Ebene zu umgehen, erwartet ihn ein weiteres Arsenal an Immunrezeptoren im Zellinneren. Dabei ist das angeborene Immunsystem der Pflanzen extrem vielfältig: Je nach Spezies kann eine Pflanze Hunderte bis mehrere Tausend Immunrezeptoren besitzen. Auch zwischen den Arten unterscheidet sich das Immunsystem stark – ein Grund, warum zum Beispiel Johannisbeeren anfällig für Blattläuse sein können und Stachelbeeren nicht.

Feuerbakterium infiziert mehr als 300 Pflanzenarten

Wie es ein Pathogen schafft, trotz dieser großen Rezeptorvielfalt völlig unterschiedliche Arten zu infizieren, untersucht Robatzek in ihrem neuen ERC-Projekt am Beispiel des Oliven-Killers Xylella fastidiosa. Der auch als Feuerbakterium bezeichnete Erreger besiedelt die Leitbündel, die Wasser in den Pflanzen transportieren, und kann so zu deren Austrocknung und Absterben führen. Er befällt mehr als 300 Pflanzenarten – unter anderem Kaffee, Wein, Zitrus, Rosmarin, Thymian, Kirsche, Mandel – und breitet sich zunehmend in Europa aus, wo er insbesondere die Olivenproduktion bedroht. „Möglicherweise besitzt das Bakterium eine allgemeine Virulenzstrategie, mit der es viele verschiedene Immunrezeptoren ausschalten kann“, sagt Robatzek. Dieser Vermutung geht sie nun nach und analysiert systematisch die bakteriellen und pflanzlichen Faktoren, die an der Entstehung der durch X. fastidiosa verursachten Krankheit beteiligt sind. Auf diese Weise will sie besser verstehen, was die Wirtspflanze anfällig macht und welche Immunrezeptoren eine Infektion kontrollieren.

Ausgangspunkt der Studie sind Untersuchungen an den Modellpflanzen Ackerschmalwand und Tabak. Beide werden ebenfalls von X. fastidiosa befallen und haben im Vergleich zu Oliven den Vorteil, dass man die Krankheit in ihnen schneller beobachten kann. Zudem lassen sie sich unter kontrollierten Bedingungen im Labor halten, und ihr Genom ist bereits sehr gut untersucht. „Unter anderem werde ich mit meiner Gruppe untersuchen, welche Gene bei einer Infektion in der Pflanze und im Pathogen eingeschaltet werden, um die zugrundeliegenden Mechanismen aufzudecken“, erklärt Robatzek. „Dazu planen wir vergleichende Transkriptionsstudien mit anderen Pflanzenarten wie Weinreben und Olivenbäumen. Zum einen wollen wir wissen, ob im Pathogen immer dieselben Virulenzmechanismen eingeschaltet werden, oder ob sich der Erreger an unterschiedliche Arten anpasst. Und an den Pflanzen wollen wir untersuchen, ob es ein allen gemeinsames Gen oder eine gemeinsame Gruppe von Genen gibt, die sie anfällig machen und die von X. fastidiosa angesteuert werden.“

Auf das Thema gebracht hat die Forscherin ein italienischer Postdoc, dessen Familie in Apulien einen Olivenhain besitzt. „Er erzählte mir von der Olivenkrankheit in Italien und davon, dass die Olivenbauern dort verzweifelt sind, weil niemand weiß, was man dagegen machen kann.“ Dass X. fastidiosa die Ursache ist, wurde erst 2013 entdeckt, und Robatzek hofft, dass mithilfe ihrer Arbeiten Lösungen entwickelt werden können, um den Olivenbauern in Italien zu helfen.

Vom Entdeckergefühl geleitet

Im Zentrum ihrer Forschung steht für die Zellbiologin und Genetikerin immer der biologische Prozess, den sie verstehen möchte. „Mich fasziniert dieses Gefühl, neue Dinge zu entdecken und der Gesellschaft dadurch wieder etwas zurückzugeben“, sagt Robatzek. In dieser Hinsicht fühlt sie sich dem Naturforscher Alexander von Humboldt verbunden, der „auf seinen zahlreichen Reisen ebenfalls viele Entdeckungen gemacht und der Gesellschaft viel Gewinn gebracht hat.“ Dieses Entdeckergefühl, so sagt sie, hat sie in ihrer wissenschaftlichen Karriere immer geleitet, dabei stand vor einer ihrer wichtigsten Entdeckungen zunächst ein eher frustrierendes Erlebnis: „Meine Postdoc-Arbeit am Friedrich-Miescher-Institut für Biomedizinische Forschung in Basel habe ich zu einem Thema begonnen, das sich für die damaligen methodischen Möglichkeiten als zu komplex und schwierig herausgestellt hat. Deshalb habe ich ein Projekt zu einem Immunrezeptor für das bakterielle Protein Flagellin weiterverfolgt, das ich parallel und eher als Sicherheitsstandbein aufgebaut hatte. Ich hätte nie erwartet, dass dieses Projekt dann die Grundlage für meine weitere Karriere war.“

Zum Verständnis dieses Flagellin-Immunrezeptors hat Robatzek dann mit ihrer Forschung wichtige Erkenntnisse beigetragen; zunächst in Basel, dann am Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung (MPIZ) in Köln und schließlich am The Sainsbury Laboratory in Norwich, Großbritannien, wo sie neun Jahre lang eine Forschungsgruppe leitete, bevor sie an die LMU wechselte. Unter anderem untersuchte sie, wie der Flagellin-Immunrezeptor die Schließung der Spaltöffnungen in Blättern veranlasst, wenn er Flagelline – den Hauptbestandteil bakterieller Geißeln – erkennt. Da Spaltöffnungen prominente Eintrittsstellen für Bakterien sind, wird so eine Infektion der Pflanze abgewehrt. „Besonders aber hat mich interessiert, was eigentlich anschließend mit dem Immunrezeptor passiert“, sagt Robatzek. „Damit habe ich mich mehr als zehn Jahre lang sehr ausführlich beschäftigt und konnte mit meiner Gruppe zeigen, dass der Immunrezeptor, nachdem er das Signal empfangen hat, in die Zelle eingeschleust und abgebaut wird.“ Der Rezeptor wird also, einmal aktiviert, nicht wieder recycelt und der Abbau verhindert, dass die Pflanze auf Dauer blind gegenüber Flagellin wird.

Mit ihrer Forschung will sie langfristig dazu beitragen, resistente Nutzpflanzen zu züchten und so Pflanzenschutzmittel einzusparen. Robatzek kommt zwar aus der Grundlagenforschung, und auch ihr neues ERC-Projekt ist naturgemäß in diesem Bereich angesiedelt. „Aber wir hoffen natürlich, dass aus unseren Erkenntnissen Anwendungen entstehen“, betont sie. Im Fall von X. fastidiosa etwa ließe sich womöglich eine Methode entwickeln, das Immunsystem der Pflanze durch die gezielte Aktivierung von Immunrezeptoren zu unterstützen und so die Krankheit zu bekämpfen. „Auch gegen andere Gefäßpathogene könnten unsere Erkenntnisse die Basis für ähnliche Bekämpfungsstrategien liefern.“ Falls es ihr gelingt, ein entsprechendes Anfälligkeitsgen zu identifizieren, könnte sich Robatzek umgekehrt auch vorstellen, dieses Gen gezielt auszuschalten. Für Anfälligkeitsgene unter anderem in Gerste und Reis ist das bereits gelungen. Auch wenn sie jetzt ein grundsätzliches Verständnis hat, warum die Johannisbeere anfälliger ist als die Stachelbeere: Es gibt noch viele offene Fragen zur pflanzlichen Immunität, die ihr Interesse wecken.

Wonach suchen Sie?