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„Wenn man etwas will,schafft man es“

05.02.2020

Als Samh Yousef auf der Bühne von „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) steht, zittern seine Knie ein wenig. Er hat den Habibi-Song mitgebracht, ein bekanntes Liebeslied in seinem Heimatland Syrien. Kurz bevor er zu singen beginnt, geht ihm sein We...

Samh ist seit dem 3. Januar 2016 in Deutschland und hat in knapp drei Jahren sein Leben auf den Kopf gestellt. Er studiert jetzt Deutsch als Fremdsprache (DaF) an der LMU, sagt: „Ich möchte die Sprache, die ich gelernt habe, weitervermitteln. Ich kenne die Schwierigkeiten, weiß, wo die Lernenden vielleicht auf Probleme stoßen, und ich habe Spaß daran.“ Er hat hart gearbeitet für seinen Traum, sich zuerst alleine durch den Dschungel an deutscher Grammatik gekämpft. Um dann über viele Wege, er nennt das Schicksal, an Sprachkurse zu gelangen. Bald hat er den ersten Kurs absolviert, dann den zweiten und dritten. Immer wieder läuft er an der LMU vorbei und beschließt, dass er dort studieren möchte. „Meine Gastfamilie war nicht begeistert von meinen Studiumswünschen, sie wollte, dass ich stattdessen eine Ausbildung absolviere.“ Er hält trotzdem an seinem Traum fest, muss aber wieder in eine Flüchtlings-Unterkunft ziehen. „Da war ich noch auf B1-Niveau des Deutschen. B1 bedeutet, dass man sich verständigen kann, es bedeutet aber auch, dass man seine Gefühle nur schwer ausdrücken kann. Das war nicht leicht für mich.“ Für eine Immatrikulation an der Uni muss er einen anspruchsvollen Test bestehen. Gleichzeitig möchte er, trotz seiner abgelehnten Aufenthaltsgenehmigung, den „Integrationskurs“ ablegen. Und so besucht er über Monate hinweg die nötigen Kurse. Erst zwei pro Tag. „Aber ich hatte das Gefühl, dass mir das noch nicht reicht. Also habe ich mir einen dritten Kurs gesucht.“ Und es klappt.

Nicht weiter nachgedacht, einfach gehandelt „Ich wollte eigentlich Musik studieren, aber mein Vater war immer dagegen, er meinte, dass man damit kein Geld verdienen kann.“ Deshalb hat Samh stattdessen Persisch und Arabisch studiert, nebenbei aber heimlich in Bars und Cafés gesungen. „Singen ist in Syrien für Männer nicht sehr angesehen. Nur meine Mutter wusste davon, sie hat mich ab und an begleitet und war meine Mitverschwörerin.“ 2011 war damit dann erst einmal Schluss: In Syrien brach der Krieg aus und die Einwohner wurden systematisch zur Armee eingezogen. So auch Samh, doch er wollte nicht kämpfen. „Einmal wurde ich von der Armee entführt, sie wollten Geld. Sie haben aber erkannt, dass wir eine arme Familie sind, nur deshalb stehe ich jetzt noch hier“, sagt er. „Das Leben in Damaskus war nicht mehr zu ertragen. Kein Wasser, kein Strom.“ Seine Familie ist in der Stadt eingeschlossen, es führt kein Weg hinein und auch keiner hinaus. Er ist in einem Wohnheim untergebracht und finanziert sich selbst, möchte der Familie nicht zur Last fallen.

„Der Krieg verändert die Menschen. Es gibt keinen Respekt mehr, alle sind so gierig geworden“, sagt er. Es fällt ihm eine List ein: Auf seinem Studentenausweis ist eine Flagge abgedruckt, die der des Assad-Regimes ähnelt, er kann sich mit ihr als Soldat ausgeben. „Beim Bäcker gab es immer zwei Reihen. Eine für die Soldaten und eine für die einfachen Menschen, wobei die Soldaten schneller und großzügiger bedient wurden.“ Schlussendlich war das aber der Auslöser für ihn, sein Heimatland zu verlassen: „Was ist das für ein Leben, wenn ein Ausweis entscheidet, wer wie viel Brot bekommt, und Menschen hungern.“ Ist der Entschluss einmal gefasst, geht alles schnell. Er lässt seine Zeugnisse übersetzen, durch Zufall auf Deutsch. Seine ganze Familie arbeitet zusammen, um ihm den Schlepper bezahlen zu können. Zuerst erreicht er die Türkei und zieht nach zwei Monaten weiter, sein Ziel ist Schweden. An der deutschen Grenze wird er schließlich von der Polizei aufgehalten: „Sie haben gesagt, entweder du bleibst in Deutschland, oder du gehst zurück. Ich glaube, manchmal entscheidet das Schicksal für einen.“

Mit brüchigem Deutsch zum Arzt Samhs Weg führt nach München. Im Flüchtlingslager angekommen, beginnt er sofort damit, sich Deutsch beizubringen, alte Schulbücher und Onlinekurse helfen ihm. Trotz seiner noch brüchigen Sprachkenntnisse setzt er sich für Menschen ein, die eine ähnliche Vergangenheit haben. Er begleitet sie zum Arzt oder auf Behördengänge. „Kleine Dinge können manchmal Großes bewirken. Auch wenn mein Deutsch nicht großartig war, es hat gereicht. Manchmal hilft auch schon die Begleitung, damit man sich nicht so einsam fühlt.“ Das hat Samh auch in anderen Situationen gemerkt. „Ich weiß, wie es ist, wenn man in Schwierigkeiten steckt und sich alleine nicht mehr helfen kann. Nicht alle Menschen haben diesen Mut, einfach weiterzumachen.“ Er zögert kurz, sagt: „Wenn man etwas wirklich erreichen will, dann schafft man das auch.“ Und er spricht aus Erfahrung. „Das Schlimmste war, wenn Menschen gesagt haben, dass wir als Geflüchtete keine Chance auf eine Zukunft haben. Ich wollte zeigen, dass auch wir alles können, wir müssen nur zuerst die Sprache lernen.“

Ganz einfache Wünsche Wie das mit der Zukunft jetzt weitergeht? Er nickt, schweigt kurz und resümiert zunächst: „2019 war ein gutes Jahr für mich.“ Er hat eine Stelle als Projektleiter bei „Land der Kulturen“ bekommen, einer Organisation, die geflüchteten Menschen neue Perspektiven anbietet, sie kreativ und sozial fördert. Jetzt möchte er einen Master machen, eine Familie gründen, vielleicht eine kleine Wohnung kaufen. Sein Lebenslauf ist eine Liste an ehrenamtlichen Tätigkeiten, Projekten und verschiedenen Jobs. Beste Referenzen zum Durchstarten, Samh stehen viele Türen offen. Trotzdem hängen seine Träume nicht am Studium oder an einem bestimmten Beruf: „Ich baue mir gerade ein neues Leben auf.“ Und wie ist das eigentlich mit Syrien, plant er, dorthin zurückzukehren? Das ist derzeit keine Option, ihm wäre es noch wichtig, einen Teil seiner Familie zu sich zu holen. „Am Anfang konnte ich oft nachts nicht schlafen. Es ist sehr schwer zu wissen, dass meine Familie gerade nicht in Sicherheit ist.“

Von DSDS zu DAAD und zurück zu DSDS? Am 21. November 2019 wurde Samh in feierlichem Rahmen mit dem DAAD -Preis ausgezeichnet. „Das war ganz groß für mich, ich habe am Abend vorher mit meiner Familie telefoniert.“ Der Preis wird an ausländische Studierende von deutschen Hochschulen verliehen und zeichnet ihr soziales Engagement aus. „Zuerst DSDS, dann DAAD . Das ist doch der Wahnsinn, was dieses Jahr alles passiert ist.“ Als Samh vor Dieter Bohlen auf der Bühne stand, hat es leider nicht für die nächste Runde gereicht. „Aber er hat mir sehr viel Mut gemacht und meine Stimme gelobt.“ Deshalb ist sich Samh auch sicher, dass er weiter Musik machen möchte: „Ich habe das schon einmal für meinen Vater aufgegeben, das mache ich nicht noch einmal.“ Er hat eine kleine Band gegründet, „und wer weiß, vielleicht seht ihr mich bald auf der Bühne von The Voice of Germany.“

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