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Wie SARS-Coronaviren die menschliche Zelle umfunktionieren

20.04.2021

Forscher haben einen spezifischen Mechanismus gefunden, wie sich SARS-Viren in infizierten Zellen effizient vermehren.

© Alissa Eckert, MSMI, Dan Higgins, MAMS.

Seit mehr als 50 Jahren sind Coronaviren bekannt, die beim Menschen harmlose Erkältungskrankheiten auslösen. Mit dem SARS-Coronavirus trat 2002/2003 erstmals ein Coronavirus auf, welches bei Infizierten zu schweren Lungenerkrankungen führte. Beim Vergleich der RNA-Genome harmloser Coronaviren mit denjenigen des SARS-Virus stießen Forscher auf eine Region, die nur in Letzterem vorkommt und deswegen „SARS-unique Domain" (SUD) genannt wird. Solche Genregionen und ihre Proteinprodukte könnten mit der außerordentlichen Pathogenität des SARS-Coronavirus und seines jüngsten Verwandten, des COVID-19-Virus SARS-CoV-2, in Zusammenhang stehen.

Wissenschaftler um Privatdozent Albrecht von Brunn vom Max von Pettenkofer-Insitut der LMU und Professor Rolf Hilgenfeld (Universität Lübeck) haben nun nachgewiesen, dass dies tatsächlich der Fall ist. Das SUD-Protein der Viren wechselwirkt mit einem menschlichen Protein namens Paip1, welches wiederum an den ersten Schritten der Proteinbiosynthese beteiligt ist. Zusammen mit Paip1 und anderen Proteinen der menschlichen Zelle bindet SUD offenbar an die Proteinsynthesefabrik der Wirtszelle, die Ribosomen, und steigert damit im Prinzip die Herstellung aller Proteine, sowohl die der menschlichen Zelle als auch die des Virus. Frühere Studien zeigten, dass in mit SARS-CoV oder SARS-CoV-2 infizierten Zellen die Boten-RNA-Moleküle, die menschliche Proteine kodieren, mithilfe eines viralen Proteins namens Nsp1 gezielt zerstört werden. Als Folge dieses komplizierten Prozesses produziert die infizierte Zelle dann überwiegend virale Proteine, sodass viele neue Kopien des Virus gebildet werden können. Andere Coronaviren als SARS-CoV und SARS-CoV-2 verfügen nicht über diesen Mechanismus, da sie kein SUD-Protein bilden können.

Möglich wurde dieser Erfolg durch die Kooperation der Arbeitsgruppen von Brunns und Hilgenfelds, die beide auch Forscher am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) sind. Die Wechselwirkung zwischen den Proteinen SUD und Paip1 entdeckte von Brunns Gruppe bereits vor mehreren Jahren. „Als erfahrener Coronavirus-Forscher wusste ich, dass man die Besonderheiten des SARS-Coronavirus-Genoms anschauen muss, wenn man dieses Virus verstehen will", sagt Albrecht von Brunn. Hilgenfelds Gruppe wiederum hatte bereits die dreidimensionale Struktur des SUD-Proteins aufgeklärt. Dr. Jian Lei aus Hilgenfelds Gruppe, inzwischen Gruppenleiter an der Sichuan University in Chengdu (China), gelang es nun, den Komplex aus SUD und Paip1 zu kristallisieren und seine dreidimensionale Struktur mittels Röntgenstrukturanalyse aufzuklären. Anschließend charakterisierte Co-Erstautorin Dr. Yue „Lizzy“ Ma-Lauer aus von Brunns Gruppe den Komplex und seine Funktion mithilfe zellbiologischer und biophysikalischer Methoden. „Derartige Wechselwirkungsstudien zwischen Coronavirusproteinen und Proteinen der infizierten menschlichen Zelle werden uns helfen zu verstehen, wie sich die Viren Schlüsselfunktionen der Wirtszelle zunutze machen", freut sich Hilgenfeld über die neuen Ergebnisse.
EMBO Journal2021

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