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200 Jahre Blick ins All

08.07.2016

1816 nahm die Sternwarte in Bogenhausen ihren Betrieb auf. 1937/38 wurde sie der LMU angegliedert. Jetzt wird sie 200 Jahre alt.

Mit dem Fahrrad braucht man nur zehn Minuten vom Hauptgebäude der LMU in der Maxvorstadt in die Scheinerstraße. Das Radl war aber noch gar nicht erfunden, als die Sternwarte 1816 dort ihren Betrieb aufnahm. Erst ein Jahr später sollte Karl Drais seinen Vorläufer des Drahtesels präsentieren. Dem ersten Direktor der Sternwarte, Johann Georg von Soldner (1776–1833), stand noch ein Dienstpferd zur Verfügung, um von der Bayerischen Metropole über Felder und Wiesen zu seiner Wirkungsstätte zu kommen. Denn hier war München weit genug entfernt und die Sicht frei bis an den Horizont: perfekt für eine Sternwarte. Heute haben die frühen Instrumente sowie das der Sternwarte in Bogenhausen angeschlossene Observatorium mit dem 1835 aufgestellten, vom berühmten Physiker und Optiker Joseph von Fraunhofer entwickelten Refraktor, nur mehr museale Bedeutung.

Dennoch zählt die Universitäts-Sternwarte (USM) zu den renommiertesten universitären Einrichtungen ihrer Art in Deutschland, unter anderem aufgrund des Wendelsteinobservatoriums auf dem gleichnamigen Berg in den Alpen, das 1949 der LMU angegliedert wurde. Dort können seit 2013 Beobachtungen mit einem neuen 2-Meter-Teleskop durchgeführt werden. „Für die Ausbildung von Studierenden, die Nachbeobachtung etwa von mittelhellen Objekten oder Langzeitserien ist das Teleskop ideal“, sagt Professor Ralf Bender, unter dessen Leitung der Wendelstein betrieben wird.

Und die USM kann mit einem weiteren wichtigen Pfund wuchern – der Konstruktion und dem Bau von Instrumenten, die unter anderem in der ESO-Südsternwarte in Chile zum Einsatz kommen. So haben die Astrophysiker und Ingenieure der USM zusammen mit Kollegen aus Deutschland und England erst kürzlich wieder ein Instrument an die ESO geliefert. Der KMOS genannte Spektrograph kann räumlich aufgelöste Spektraldaten von bis zu 24 Objekten gleichzeitig im infraroten Spektralbereich liefern. Eingesetzt ist KMOS an einem der 8m Teleskop der ESO in Chile. – Und es wird bereits am nächsten Projekt gearbeitet, der ‚First-Light’-Kamera für das zukünftig größte Teleskop der Welt, das 39m E-ELT der ESO, das auch in Chile stehen wird und 2024 in Betrieb gehen wird. Am 10-Meter-Hobby-Ebberly-Teleskop in Texas ist die USM direkt beteiligt. „Internationale wissenschaftliche Vernetzung ist immens wichtig für uns“, betont Bender.

Aufnahme der ersten Sternenspektren Dabei setzten Benders Vorgänger wie Soldner oder der Schotte Johann von Lamont (1805-1879) durchaus ihre ganz eigenen Schwerpunkte. So erarbeitete Soldner an der Sternwarte die theoretischen Grundlagen für die bayerische Landvermessung. Aber er war natürlich auch Astronom: Die Teleskope der Sternwarte nahmen die ersten Sternenspektren auf - die Sternspektroskopie wurde hier begründet. Der zweite Direktor Lamont wiederum befasste sich vor allem mit der Geophysik, insbesondere dem Erdmagnetismus. Lamonts magnetische Messungen machten die Sternwarte auch zur ersten erdmagnetischen Untersuchungswarte Europas. Damit war sie auch Nukleus des heutigen Geophysikalischen Observatoriums der LMU in Fürstenfeldbruck.

„Die Zeit Soldners, Fraunhofers und Lamonts war eine erster Höhepunkt in der Geschichte der Sternwarte, so Professor Bender. Mit Hugo von Seeliger (1849-1924) kam ein vor allem theoretisch arbeitender Astronom als Direktor an die Sternwarte. Seeliger ging es weniger um die klassische Sternvermessung, als um das Verstehen der Sternverteilung mithilfe mathematischer Methoden. Sein berühmtester Doktorand war Karl Schwarzschild, der später Direktor in Potsdam wurde auf vielen Gebieten der Astrophysik und der Relativitåtstheorie Bahnbrechendes leistete.

Die Zeit zwischen den Kriegen und erst recht die Zeit des „Dritten Reiches“ führten zum weitgehenden Stillstand. Erst der Bau des neuen Institutsgebäudes unter Peter Wellmann in den 1960er Jahren und die wissenschaftliche Ausrichtung auf die moderne stellare Astrophysik unter Rolf-Peter Kudritzki in den 1980er Jahren begründeten den Erfolg der heutigen Sternwarte. Mit Ralf Bender wurde dann in den 1990ern das wissenschaftliche Spektrum um die extragalaktische Astronomie und Kosmologie erweitert. Ebenso erfuhr der Instrumentenbau einen neuen Aufschwung, der der USM nun auch auf diesem Feld wieder internationales Ansehen verschafft hat. Dabei ist die USM als Bestandteil der Fakultät für Physik, zu der sie seit 1937 gehört, heute in ein wissenschaftliches Umfeld eingebettet, das in der Astrophysik weltweit herausragend ist: In Garching vor den Toren Münchens sind die Max-Planck-Institute für Astrophysik und für extraterrestrische Physik, das Headquarter der Europäischen Südsternwarte sowie der Exzellenzcluster Universe der TUM und der LMU etabliert, an dem die USM maßgeblich beteiligt ist. „Wir decken hier das gesamte Portfolio ab“, sagt Ralf Bender. „Von der Astrophysik über die Forschung zur Entstehung von Planeten bis zur Kosmologie.“ Durch die enge Anbindung an die Physik ist es daher auch nur folgerichtig, dass die USM zusammen mit der Fakultät für Physik auch nach Schwabing ziehen soll. Um von der Leopoldstraße dorthin zu kommen, braucht man dann kein Fahrrad. Da reichen Schusters Rappen.

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