Alumna Christine Bortenlänger: „Manche Wege versteht man erst unterwegs"
16.12.2025
Börsenexpertin Christine Bortenlänger studierte an der LMU BWL und promovierte hier – doch ihr Traumberuf war ein ganz anderer.
16.12.2025
Börsenexpertin Christine Bortenlänger studierte an der LMU BWL und promovierte hier – doch ihr Traumberuf war ein ganz anderer.
Sie leitete die Bayerische Börse und später das Deutsche Aktieninstitut – aber ihre allererste Aktie war ein Verlustgeschäft. „Während meiner Banklehre kaufte ich ein Wertpapier, das kurz darauf im Kurs fiel“, erinnert sich Dr. Christine Bortenlänger heute. „Aber Fahrradfahren lernt man auch nicht richtig mit Stützrädern – und bei der Geldanlage ist es genauso.“ Man müsse Dinge ausprobieren und auch mal „runterfallen“, um besser zu werden.
Christine Bortenlänger, Alumna der LMU, wuchs im bayerischen Oberland auf. „Zu Bank und Börse hatte ich damals keinerlei Verbindung“, erzählt sie heute. „Während mein jüngerer Bruder schon früh Börsenkurse studierte, wollte ich unbedingt Ärztin werden – oder Landwirtin, am besten mit eigenem Hof, Feldern und Wald.“ Für ein Medizinstudium wurde es jedoch mit der Abiturnote knapp, und von der Idee mit dem Bauernhof rieten die Eltern, selbst aus der Landwirtschaft stammend, stark ab.
„Am Ende schlugen sie mir einen Kompromiss vor: Ich sollte eine Banklehre machen, was damals total im Trend lag. Danach könnte ich studieren, was ich wollte.“ Nach der Lehre war sie allerdings junge Mutter: Ein Medizinstudium mit Nachtdiensten erschien damit schwer zu vereinbaren, ein landwirtschaftlicher Beruf ohne Hof kaum denkbar. „Und die nettesten und lustigsten unter meinen Freunden studierten BWL, also schrieb ich mich auch an der LMU dafür ein – ohne großen Plan.“
Während mein jüngerer Bruder schon früh Börsenkurse studierte, wollte ich unbedingt Ärztin werden – oder Landwirtin, am besten mit eigenem Hof, Feldern und Wald.Christine Bortenlänger
Im Studium – als Stipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung – zeigte sich, wie hilfreich die Banklehre gewesen war. Mit Bilanzen, Buchführung und vielen Grundlagen bereits vertraut, wurde Bankbetriebswirtschaftslehre ihr Schwerpunkt. „Dazu kam Systemforschung – ein sehr mathematisches Fachgebiet mit Modellen und Optimierungen, das mich extrem geprägt und auch herausgefordert hat.“ Es war das erste Mal, dass sie wirklich „kämpfen“ musste, nachdem ihr das Lernen bislang immer leichtgefallen war. „Aber dieses Denken der Systemforschung, nicht einzelne Bereiche zu optimieren, sondern immer die Gesamtheit, hat mich fasziniert.“ Das sei ihr auch später im Berufsleben immer ein Leitgedanke gewesen: „Das Ganze im Blick zu haben, den Kunden mitzudenken und Win-Win-Situationen zu schaffen, statt irgendwelche komischen Kompromisse zu schließen.“ Ihre Abschlussarbeit zu einem Kapitalmarktthema wurde mit dem Förderpreis der Stadtsparkasse München für herausragende Diplomarbeiten in Bayern ausgezeichnet.
Nach dem Studium promovierte Christine Bortenlänger an der LMU in Betriebswirtschaftslehre – und schrieb ihre Dissertation zum Thema „Börsenautomatisierung – Effizienzpotenziale und Durchsetzbarkeit“ in nur zweieinviertel Jahren. Es gibt eine Szene aus dieser Zeit, die ihr noch besonders gut in Erinnerung ist: Frisch am Lehrstuhl angestellt, kam sie an einem Samstag zum Arbeiten an die Uni, in den Flügel gegenüber dem Hauptgebäude. „Ich steckte den Schlüssel in das Schloss dieser großen, schweren, alten Holztür und war kurz darauf ganz allein im Foyer. Es war ein schönes und sehr bewegendes Gefühl, denn dieses Gebäude steht für so viel.“
Ihr Doktorvater war der renommierte Ökonom Professor Arnold Picot, der das Institut für Information, Organisation und Management der LMU leitete. „Mit seiner sehr menschlichen Art zu führen hat er mich sehr geprägt“, erinnert sich Christine Bortenlänger. „Er war einfach eine geniale Persönlichkeit – und ein Doktorvater im besten Sinne.“ Sie erinnert sich auch gern an Professor Hermann Meyer zu Selhausen. „Sein Lieblingsspruch war: ‚Garbage in, garbage out‘ – wo man nur Müll reinsteckt, kommt auch nur Müll raus.“ Aber es seien nicht nur Professorinnen und Professoren gewesen, sondern auch Mitforschende, Assistentinnen und Assistenten, die sie inspiriert hätten. „Es war einfach ein toller Lehrstuhl, an dem man sich sehr wohlwollend begegnete.“
Nach der Promotion führte Christine Bortenlängers Weg zunächst zur Bayerischen Landesbank und später zu einer Strategieberatung, bevor sie 1998 zur Börse München wechselte. Dort übernahm sie zwei Jahre später die Leitung – in einer Zeit, als Börsen digitaler wurden, Handelsplätze sich veränderten und Fragen nach Transparenz ganz neu gestellt wurden.
2012 ging sie an das Deutsche Aktieninstitut nach Frankfurt. Dieses beschreibt sie als eine Organisation, in der „im Grunde alle Akteure zusammenkommen, die für einen funktionierenden Kapitalmarkt gebraucht werden“: börsennotierte Unternehmen, Banken, Börsen, Ratingagenturen, Kanzleien, Wirtschaftsprüfungsunternehmen, aber auch Anlegerinnen und Anleger. Auch dort blieb die Finanzbildung ihre Herzensangelegenheit: „Versicherungen, Kredite, Gehalt, Altersvorsorge – eigentlich muss es dafür ein eigenes Schulfach geben.“
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Wenn sie selbst einen Rat zur Geldanlage geben soll: „Man kann auch mit Aktien handeln und trotzdem gut schlafen“, so die Betriebswirtin. „Dafür muss man langfristig denken, Investitionen breit streuen, Rücklagen behalten, mit einzelnen Aktien etwas wagen – aber auf keinen Fall alles auf eine Karte setzen, denn das wäre wetten.“ Der größte Fehler, den man aus ihrer Sicht aber machen könne, sei es, gar nicht erst anzufangen.
„Leider zeigen zahlreiche Studien, dass Frauen beim Investieren an der Börse deutlich zurückhaltender sind als Männer – unabhängig von Einkommen, Alter oder Bildung.“ Einen Hauptgrund sieht sie in sozialer Rollenprägung. „Viele stellen sich unter einem Aktionär noch immer einen reichen Mann im Anzug vor, der mit Aktien zockt und wahnsinnig viel weiß.“ Doch die Realität verändere sich, auch dank Podcasts, Investment-Clubs und anderen niedrigschwelligen Bildungsangeboten. „Sehr wichtig finde ich auch, ganz einfach regelmäßig zu sparen. Das Kindergeld floss bei uns in einen Sparplan und bezahlte später das Auslandsschuljahr der Kinder."
Nach zwölf Jahren an der Spitze des Deutschen Aktieninstituts schlug Christine Bortenlänger im vergangenen Jahr einen neuen beruflichen Weg ein – um zeitlich flexibler zu sein für die Familie und ihre zahlreichen Aufsichtsratsmandate, etwa bei MTU Aero Engines oder dem TÜV Süd, und für Beratungsfunktionen wie bei Amundi Deutschland. Nicht zuletzt bleibt ihr so mehr Zeit für ihre zahlreichen Ehrenämter – bei UNICEF oder als Mathe-Botschafterin bei der Stiftung Rechnen etwa, wo sie insbesondere Mädchen für Zahlen und Finanzthemen begeistern möchte.
Leider zeigen zahlreiche Studien, dass Frauen beim Investieren an der Börse deutlich zurückhaltender sind als Männer – unabhängig von Einkommen, Alter oder Bildung. Viele stellen sich unter einem Aktionär noch immer einen reichen Mann im Anzug vor, der mit Aktien zockt und wahnsinnig viel weiß.Christine Bortenlänger
Seit dem beruflichen Wechsel liegt ihr Lebensmittelpunkt wieder in München. „Und wenn ich heute am BWLer-Bau der LMU in der Ludwigstraße vorbeifahre, geht mir irgendwie, naja, schon das Herz auf.“ Die LMU sei eben ihre Alma Mater. „Das empfinde ich wirklich so.“ Noch immer sei sie mit vielen Angehörigen ihres Lehrstuhls in Kontakt. „Und dank meiner Kollegin Dr. Rahild Neuburger treffen wir uns auch nach wie vor in großer Runde.“
Bortenlänger hat zahlreiche Bücher zu Aktien und Finanzvorsorge geschrieben, darunter erst im vergangenen Jahr den Kinder-Ratgeber „Alles Money, oder was? Von Aktien, Bitcoins und Zinsen“. Zu ihren Preisen und Auszeichnungen zählen der Bayerische Verdienstorden, das Bundesverdienstkreuz und die Medaille für Verdienste um das Bayerische Finanzwesen.
Einen Lebensweg wie ihren im Voraus zu planen, sei kaum möglich, sagt sie. Entscheidungen, die sich rückblickend wie Wendepunkte anfühlen, seien in dem Moment unspektakulär gewesen. „Manche Wege versteht man erst, wenn man sie schon ein Stück gegangen ist“, so Christine Bortenlänger. „Und man kann auch in einem Feld sehr gut sein und seine Erfüllung finden, das nicht der Traumberuf aus der Kindheit war.“