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Arbeiten am Herzen der Photosynthese

11.05.2021

Neuberufen an der LMU: Hans-Henning Kunz hat seit Juli 2020 den Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Pflanzen am Biozentrum der LMU inne.

Aufnahme von Prof. Dr. Hans-Henning Kunz

Prof. Dr. Hans-Henning Kunz | © LMU

Grasgrüne Kreise inmitten verblichener Felder: Wenn Professor Hans-Henning Kunz in den USA zu einer Konferenz fliegt, sieht er den Schaden oft schon vom Flugzeug aus. „Zum Beispiel an Weizenfeldern, oft in Monokultur angepflanzt, die künstlich und kreisrund bewässert werden.“

Was andere Fluggäste beim Anblick der geometrisch anmutenden Muster nicht ahnen: „Durch den Klimawandel kommt es auch häufiger zu Hitzeperioden. Viele Farmer können sich nur kurzfristig mittels künstlicher Bewässerung behelfen“, so der Pflanzenphysiologe. „Durch die erhöhten Temperaturen steigt jedoch auch die Wasserverdunstung. Als Konsequenz bleiben vermehrt Ionen, Salze also, im Boden zurück.“ In dem nunmehr stark ionischen Umfeld werde es für die Pflanze immer schwieriger, Wasser aus der Erde zu ziehen. „Das Resultat: Ernteerträge sinken, Böden werden unfruchtbar, und die Photosynthese-Leistung fällt ab.“

Letztere ist das Kern-Forschungsgebiet von Hans-Henning Kunz, der seit 1. Juli vergangenen Jahres den Lehrstuhl für Biochemie und Physiologie der Pflanzen am Biozentrum der LMU innehat. „Die Photosynthese ist nun mal die wichtigste Reaktion der Welt, die uns – und den Tieren – das Leben überhaupt möglich macht“, so Professor Kunz. Ihre biochemischen Reaktionen seien weithin bekannt. „Licht wird eingefangen, Wassermoleküle gespalten, Elektronen und Sauerstoff werden freigesetzt, CO2 fixiert … Was wir aber noch immer nicht genau verstehen, ist der molekulare Aufbau des Teiles der Pflanzenzelle, in dem die Photosynthese abläuft: des Chloroplasten.“

In den molekularbiologisch-biochemischen Labors der LMU in Planegg-Martinsried forschen Kunz und sein Team an der Frage, wie die vielfältigen Organismen und komplexen biochemischen Reaktionen im Chloroplasten parallel zueinander ablaufen. „Wir arbeiten am Herz der Photosynthese“, so Kunz. „Um herauszufinden: Was sind ihre Minimalkomponenten? Welche Gene sind involviert? Und was schadet der photosynthetischen Effizienz?“

Von Deutschland in die USA und wieder zurück

Geboren in Regensburg, studierte Kunz zunächst Diplom Biologie an der Technischen Universität Kaiserslautern. In seiner darauffolgenden Promotion an der Universität zu Köln im Bereich der Pflanzenbiochemie konnte er zeigen, dass der nächtliche Abbau von Fettsäuren für adulte Arabidopsis thaliana-Pflanzen überlebensnotwendig ist.

Anschließend ging Kunz als Postdoktorand an die University of California, San Diego. Der vierjährige Aufenthalt wurde anfänglich durch ein Feodor Lynen-Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung und später ein Forschungsstipendium des Human Frontier Science Program unterstützt.

2014 trat Hans-Henning Kunz eine Assistenzprofessur an der Washington State University an. „Meine Frau und ich zogen also vom südlichsten Ende der amerikanischen Westküste an das nördlichste Ende des Landes, von der mexikanischen Grenze in die Nähe der kanadischen.“ Im Sommer 2020 folgte er dem Ruf an die LMU.

„Die Ausschreibung in München war extrem verlockend“, erklärt Professor Kunz. „Schon historisch besteht am Department für Pflanzenwissenschaften ein starker Forschungsfokus auf den Chloroplasten. Es gebe „eine Menge spannender Evolution und Genetik zu entdecken“, unter anderem eingebettet in den DFG-Schwerpunkt TRR175 „The Green Hub: Der Chloroplast als zentraler Knotenpunkt der Akklimatisation bei Pflanzen“.

Kunz’ Vorgänger, Professor Jürgen Soll, hatte zudem auf einem ähnlichen Gebiet gearbeitet: „Er beschäftigte sich mit dem Proteintransport in den Chloroplasten, ich mit dem Ionen-Transport. Die ,Transporter’, die meine Ionen quasi hinein- und hinaus shutteln, sind mit einem Mecha-nismus erst hineingekommen, den Professor Soll entdeckt hat.“

„Von Ionen, also geladenen Teilchen, braucht die Pflanze etwa in Form von Kalium sehr viel – zum Beispiel, um das sogenannte ‚osmotische Potenzial‘ der Zellen und des Chloro-plasten einzustellen und Ladungsausgleiche zu erreichen. Aber Kalium kann immer schlechter von der Pflanze aufgenommen werden, wenn auch Natriumsalze im Boden sind.“ Diese blieben zurück, wenn große Mengen Wasser – wie beim Beispiel in den USA – verdunsten. „Dies sorgt für verminderte Photosynthese-Leistung, aber auch verminderte Wasseraufnahme – und damit für Schädigungen an der Pflanze und schlechtere Erträge.“

Kunz‘ Ansatz sei ein systembiologischer. „Ich versuche, den Chloroplasten und seine Phänomene als System zu verstehen und systematisch aufzuklären.“ Neu eingeführt am Department hat er Methoden der Element-Analyse, und mit einem von ihm an der Washington State University entwickelten Verfahren hat sein Team an der LMU bereits sogenannte „Micro-RNA-Libraries“ aufgebaut. „Mit ihnen können wir Gene und Chloroplasten Proteine sehr schnell ausschalten – und beobachten, was in dem Organell geschieht.“

Im Labor arbeitet man dabei an Modell-Organismen der Arabidopsis thaliana, der Acker-Schmalwand-Pflanze, einer „kleinen, krautigen, nicht sehr spektakulären Pflanze“. Mit ihrem überschaubaren, seit Langem sequenzierten Genom habe sie als Modellorganismus viele Vorteile.

Im Hinblick auf die Pflanzenhaltung gebe es in der Biologie zwei gegensätzliche Bestrebungen: „Einerseits will man die Funktionsweise der Pflanze an sich erforschen – wofür die Bedingungen so konstant und reproduzierbar wie möglich sein müssen.“

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Als Hans-Henning Kunz 2006 seine Promotion begann, habe man noch versucht, unter Idealbedingungen zu forschen. Inzwischen wolle man andererseits auch verstehen, welchen Einfluss Umweltfaktoren wie Temperatur- oder Lichtschwankungen, die es in der Realität nun mal gibt, auf die Pflanze haben. „Wir fragen uns: Wie passt sich die Pflanze an? Und welche Genetik benutzt sie dabei?“ Im Labor simuliere man deshalb mit starken Lichtzirkulationen, was etwa passiert, wenn Wolken sich vor die Sonne schieben oder sie wieder zum Vorschein kommt.

Dabei stellen sich Kunz und sein Team auch immer wieder die Frage, wie man die neuen Ergebnisse ihrer Grundlagenforschung für Bioengineering und Pflanzenzucht verfügbar machen könnte. „In den letzten Jahren wurden hier sehr viele neue Einsichten gewonnen. Durch die Kombination mit den neusten Durchbrüchen in der Genomeditierung (CRISPR/Cas) sowie der Mikroskopie ist gerade wirklich eine sehr spannende Zeit für unsere Forschung angebrochen.“

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