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Auf dem Weg zur optischen Kernuhr

19.04.2018

Wissenschaftler konnten erstmals grundlegende Eigenschaften des Thorium-229 Isomers messen und sind damit der Entwicklung einer Kernuhr einen wichtigen Schritt näher gekommen.

Exakte Zeitmessungen spielen in unserem Alltag eine bedeutende Rolle. Sie ermöglichen es uns verlässlich zu navigieren, präzise zu experimentieren und sorgen für einen weltweiten synchronisierten Datenaustausch. Die von einem Forscherteam der PTB in Braunschweig, der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), des Helmholtz-Instituts Mainz (HIM) und des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung Darmstadt durchgeführten Experimenten bilden einen entscheidenden Schritt vorwärts zur möglichen Entwicklung einer Kernuhr. Eine solche Kernuhr könnte die Präzision herkömmlicher Atomuhren deutlich übertreffen. Der Kern des Thorium-229 besitzt den einzigen bekannten, für diese Anwendung geeigneten Anregungszustand bei einer Energie, die so außerordentlich tief ist, dass sie für optische Techniken, wie sie in Atomuhren verwendet werden, zugänglich ist. In ihren aktuellen Experimenten, an denen PD Dr. Peter Thirolf und sein Team vom Lehrstuhl für Experimentalphysik – Medizinische Physik der LMU maßgeblich beteiligt waren, gelang es den Wissenschaftlern, erstmals grundlegende Eigenschaften dieses Kerns im angeregten, isomeren Zustand zu messen und damit wesentliche Merkmale einzugrenzen. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im Fachmagazin Nature.

Bereits vor etwa 15 Jahren entwickelten Wissenschaftler an der PTB das Konzept einer neuen Atomuhr mit einzigartigen Eigenschaften: Taktgeber der Uhr soll nicht eine Übergangsfrequenz zwischen zwei Zuständen in der Elektronenhülle von Atomen sein, also Schwingungen in der Elektronenhülle von Atomen, wie es bei allen heutigen Atomuhren der Fall ist. Stattdessen soll eine Übergangsfrequenz im Atomkern selbst den Takt angeben. Die Protonen und Neutronen im Atomkern sind um viele Größenordnungen dichter gepackt und fester gebunden als die Elektronen in der Atomhülle und damit weniger empfindlich gegen äußere Störungen, die ihre Übergangsfrequenzen ändern könnten; gute Bedingungen also für eine Uhr von hoher Genauigkeit. Normalerweise liegen die Frequenzen von Kernübergängen allerdings im Bereich von Röntgenstrahlung und damit viel höher als diejenigen von Hüllenübergängen. Deshalb sind sie für Atomuhren, die bisher ausschließlich auf Mikrowellen oder Laserlicht basieren, nicht nutzbar. Die einzige bekannte Ausnahme ist der Kern Thorium-229. Dieser besitzt einen quasi-stabilen, sogenannt isomeren Kernzustand bei außerordentlich geringer Anregungsenergie. Der Übergang zwischen dem Grundzustand und diesem Isomer liegt im Frequenzbereich von ultraviolettem Licht und ist noch mit einer Lasertechnik erreichbar, wie sie ähnlich auch in heutigen optischen Atomuhren verwendet wird. Mehr als zehn Gruppen weltweit arbeiten derzeit an Forschungsprojekten zur Realisierbarkeit einer solchen Thorium-229-Kernuhr. Bei dieser experimentell äußerst schwierigen Fragestellung erzielte Thirolf 2016 und 2017 wichtige Fortschritte, als es ihm mit seinem Team und weiteren Kollegen aus Mainz und Darmstadt gelang, den Kernuhren-Übergang in Thorium-229 erstmalig direkt nachzuweisen und die Eigenschaften des Kernübergangs genauer zu bestimmen sowie seine Lebensdauer zu messen. Allerdings ist es bis heute nicht gelungen, den Kernübergang mit optischen Methoden zu beobachten, da die exakte Anregungsenergie des Isomers bisher nur grob bekannt ist. Der Übergang ist – wie für die Uhr erwünscht – extrem scharf und kann nur beobachtet werden, wenn die Frequenz des Laserlichts exakt zur Energiedifferenz der beiden Zustände passt. Das Problem gleicht damit der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Nun ist ein wichtiger Durchbruch gelungen: Die Forscher konnten erstmals grundlegende Eigenschaften wie Größe und Form der Verteilung der Protonen im isomeren Zustand des Th-229-Kerns messen. „Dafür wurden die Th-229-Kerne nicht, wie zukünftig in der Uhr, vom Grundzustand aus mittels Laserlicht angeregt, sondern in einer von der LMU entwickelten Apparatur aus dem Alpha-Zerfall von Uran-233 gewonnen. Anschließend wurden die Kerne abgebremst und in einer Ionenfalle als Th2+-Ionen gespeichert“, sagt Thirolf. Bereitgestellt wurde das Uran-233 von den Gruppen in Mainz und Darmstadt. Mit Lasersystemen, die für die Spektroskopie dieser Ionen an der PTB entwickelt wurden, konnten die Wissenschaftler Übergangsfrequenzen in der Elektronenhülle der Th2+-Ionen präzise vermessen. Da diese Frequenzen von den Kerneigenschaften direkt beeinflusst werden, lassen sich daraus Informationen über Eigenschaften des Kerns erhalten.

Theoretische Modelle allein waren bisher nicht in der Lage, vorherzusagen, wie sich die Struktur des Th-229 Kerns bei diesem ungewöhnlich niederenergetischen Übergang verhält. Ferner kann nun die laserspektroskopisch leichter messbare Struktur der Elektronenhülle genutzt werden, um eine Laseranregung des Kerns nachzuweisen. Die Suche nach der optischen Resonanzfrequenz des Th-229-Kerns als der Nadel im Heuhaufen ist damit noch nicht abgeschlossen, aber die Wissenschaftler wissen nun viel genauer, wie diese Nadel eigentlich aussieht.Nature 2018

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