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Auf Kollisionskurs

12.09.2018

Motorproteine in Zellen können sich auf unterschiedliche Art und Weise bewegen und blockieren sich dabei gegenseitig. LMU-Physiker haben ein neues Modell entwickelt, das zeigt, dass es zum Partikelstau kommt, obwohl theoretisch noch Platz wäre.

Jeder kennt das Phänomen aus einer überfüllten Fußgängerzone: Während manche Passanten sich durch die Menge schlängeln, versuchen andere, geradewegs durchzustoßen – und kommen dabei einander in die Quere. Einen ähnlichen Effekt kann es auch beim Proteintransport in der Zelle geben, wenn molekulare Motoren mit unterschiedlichen Bewegungsmustern gleichzeitig unterwegs sind. Das zeigen Simulationen von LMU-Physikern um Professor Erwin Frey, über die sie im Fachmagazin PRX berichten. Die Wissenschaftler haben ein Modell entwickelt, das das kollektive Verhalten unterschiedlicher Motoren widerspiegelt und Einblicke in die daraus resultierenden komplexen Phänomene ermöglicht.

Zellen sind von vielen faserförmigen Filamenten durchzogen, die das Zellskelett bilden. Entlang dieser Strukturen transportieren zahlreiche molekulare Motoren Proteine zu ihrem Einsatzort – ein für die Zelle essenzieller Prozess. Dabei können sich unterschiedliche Motorproteine auf unterschiedliche Arten fortbewegen: Einige schrauben sich auf unterschiedlichen Spiralbahnen um das Filament herum, andere laufen geradlinig daran entlang. „Die kollektive Bewegung einer Mischung unterschiedlicher Motoren kann durch bisher gängige Modelle nicht abgebildet werden“, sagt Emanuel Reithmann, gemeinsam mit Patrick Wilke Erstautor des Papers und Doktorand in Freys Gruppe.

Die Wissenschaftler haben diese Einschränkung nun überwunden und ein theoretisches Modell für eine Mischung zweier Teilchen-Spezies entwickelt: Eine Teilchenart folgt dabei einer geraden Bahn entlang eines zylindrischen Gitters, die zweite bewegt sich spiralförmig um den Zylinder. Die Simulationen der Forscher zeigten, dass sich die Teilchen in dieser Situation gegenseitig behindern. Aufgrund der unterschiedlichen Bewegungsrichtungen wird die konkrete Anordnung der Teilchen auf dem Gitter wichtig: Da ein Motor nur bestimmte Bewegungen ausführen kann sind auch seine Möglichkeiten zum Positionswechsel eingeschränkt. Andere Teilchen können aus mehreren Richtungen nachdrängen, doch dem Motor, der die Position gegenwärtig besetzt, bietet sich womöglich kein Weg zum Verlassen. „Deshalb kann ein Teilchen mehrere andere blockieren und es kommt zu einem Partikelstau, obwohl theoretisch noch Platz wäre“, sagt Frey. „Dieser Effekt erzeugt eine Kaskade überraschender Phänomene, wie zum Beispiel die Anordnung der Teilchen in Mustern, die man aus vorherigen Modellen bislang nicht kennt."PRX 2018

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