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„Beim CO2-Removal gibt es keine Wunderwaffe”

19.01.2023

Welche Techniken helfen im Kampf gegen den Klimawandel? Geowissenschaftler Felix Havermann über neue Methoden, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen

Aufforstung hilft, der Atmosphäre klimaschädliches Kohlendioxid zu entziehen. Wie sieht es mit anderen Methoden aus? | © Dave Reede / All Canada Photos / Picture Alliance

Um die Erderwärmung auf „deutlich unter 2 Grad Celsius“ zu begrenzen, wie es das Pariser Abkommen fordert, ist es notwendig, nicht nur die CO2-Emissionen rasch und deutlich zu reduzieren, sondern Kohlendioxid auch aktiv aus der Atmosphäre zu entfernen. Zu diesem Schluss kommt der gerade veröffentlichte „State of Carbon Dioxide Removal“-Bericht, geleitet von der Universität Oxford. Dr. Felix Havermann, Postdoktorand am Lehrstuhl für Landnutzungssysteme, erläutert konventionelle und neuere Methoden.

Der Atmosphäre Kohlendioxid entziehen – mit welchen Techniken soll das gelingen?

Zunächst einmal macht das natürlich jeder Baum, der aufwächst. Das gilt aufgrund ihrer Photosynthese-Eigenschaften für alle Pflanzen – Bäume, Gräser, aber auch Algen und Phytoplankton im Meer. Sie alle binden CO2. Forstet man etwa Wälder gezielt auf, kann zusätzlich Kohlendioxid entzogen werden. Eine weitere bewährte Methode ist das Bodenmanagement. Dabei wird die Eigenschaft etwa von Äckern, Kohlendioxid zu speichern, durch spezielle Arten der Bewirtschaftung erhöht. Zum Beispiel pflügt man sie weniger intensiv um oder arbeitet Pflanzenreste in die oberen Bodenschichten ein. So wird mehr Kohlenstoff im Boden aufgenommen, als in die Atmosphäre emittiert wird. Beides – Bewaldung und Aufforstung sowie Bodenmanagement – zählt zu den konventionellen Carbon-Dioxide-Removal-Methoden (CDR).

Was sind neuere Methoden?

Etwa die Herstellung von Biokohle. Diese wird aus Pflanzenresten insbesondere aus der Landwirtschaft durch Verbrennung unter Ausschluss von Sauerstoff, durch Pyrolyse, hergestellt. Sie kann dort dann auch wieder verwendet werden, etwa um die Speicherkapazität von Wasser oder von Pflanzennährstoffen im Boden zu verbessern.

Bei der sogenannten BECCS-Methode (Bioenergy with Carbon Capture and Storage) verbrennt man zum Beispiel Holz, Pflanzenreste oder daraus entstandenes Biogas auf herkömmliche Weise, um Bioenergie herzustellen, filtert das CO2 aber durch moderne Technologien direkt nach dem Verbrennungsprozess in der BECCS-Anlage heraus und führt es einem Speicher zu.

Beim Entziehen durch DACCS (Direct Air Capture with Carbon Storage) saugen spezielle technische Anlagen Umgebungsluft an und filtern sie. Das abgeschiedene CO2 wird auch hier auf geeignete Weise gespeichert.

Eine weitere Möglichkeit ist die beschleunigte Verwitterung von Gestein. Als natürlicher geologischer Prozess würde diese Methode Millionen von Jahre dauern, um der Atmosphäre größere Mengen an CO2 zu entziehen. Um ihn zeitlich zu beschleunigen, mahlt man Gestein, vergrößert seine Oberfläche damit extrem und verstreut das Pulver auf Ackerflächen oder dem Meer, wo es CO2 chemisch bindet.

Neu sind auch sogenannte Ozean-Methoden. Dabei wird etwa das Säurebindungsvermögen des Meerwassers erhöht, indem Stoffe wie Kalkgestein zugegeben werden. So kann der Ozean, ohnehin ein großer CO2-Speicher, noch mehr aufnehmen. Zudem wird versucht, in den Meeren künstlich Tiefenwasser heraufzutreiben. Dieses kalte, nährstoffreiche Wasser regt daher das Wachstum pflanzlichen Planktons an – welches wiederum CO2 speichert. Dazu kommen sogenannte „Blue Carbon-Methoden an der Schnittstelle von Wasser und Land – wie etwa die Aufforstung von Mangroven-Wäldern.

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Welche Methoden wird es in Zukunft geben?

Zwei Methoden, die wir im BMBF-geförderten Forschungsprogramm CDRterra unter Leitung von Professorin Julia Pongratz erforschen, sind die künstliche Photosynthese und Carbonfasern mit Stein als Baumaterial. Bei der künstlichen Photosynthese bilden wir quasi die natürliche nach und erstellen dabei ein Material – zum Beispiel Oxalat oder Kohlenstoffflocken –, das CO2 sehr langfristig speichern kann. So könnte es in wiederverwendbare Produkte verwandelt oder vergraben werden. Eine andere noch in der Forschung befindliche Methode ist die Herstellung von Kohlenstofffasern zusammen mit Stein für die Baubranche. Statt aus Stahl und Beton könnten Häuserwände dann aus einem Zusammenspiel von verschiedenen Methoden hergestellt werden. Dabei können Algenöl, Abscheidungen aus DACCS-Anlagen, Gesteinsmehl für die beschleunigte Gesteinsverwitterung, aber auch Biokohle eingesetzt werden.

Ein langer Katalog von Techniken. Welche Kriterien müssen CDR-Methoden, ob konventionell oder modern, erfüllen?

Wichtig ist nicht nur eine hohe Aufnahme-, sondern auch beständige und sichere Speicherfähigkeit – an Land, im Ozean, in künstlichen Speicheranlagen, geologischen Formationen oder Produkten für Baubranche und Möbelindustrie. Ein Baum – oder ganzer Wald – speichert das CO2 ja in seiner Biomasse und reduziert dadurch das CO2 in der Atmosphäre. Brennt er ab, wird das CO2 wieder in die Atmosphäre entlassen. Sähe man es nur unter diesem Langfristaspekt, könnte man es für sicherer halten, das Holz zu fällen und für Produkte zu verwenden.

Was sind demnach die Grenzen klassischer und neuerer CDR-Methoden?

Grenzen setzen nicht nur ökologische und technologische Aspekte, sondern auch Einflüsse auf die Umwelt und Gesellschaft vor Ort, Finanzierbarkeit, politische Umsetzbarkeit, aber auch Energie- und Materialbedarf. Nicht zuletzt kommt es zu Zielkonflikten, weil Land- und Ozeanraum begrenzt sind. Bewaldung, als Beispiel, benötigt sehr viel Fläche, was zum Beispiel mit Nahrungsanbau, Wohnflächen oder Räumen für Biodiversität kollidiert.

Welche der Methoden sind nach aller Abwägung derzeit besonders vielversprechend?

Es gibt nicht die eine Wunderwaffe unter den CDR-Methoden. Die Frage ist, wie sich jede einzelne, mit ihrem Entnahmepotenzial und allen Vor- und Nachteilen, so stark hochskalieren lässt, dass wir der Atmosphäre wirklich viele Milliarden Tonnen CO2 entziehen können. Als wissenschaftlicher Koordinator des vom BMBF geförderten Forschungsprogramms CDRterra entwickle ich derzeit einen Bewertungsrahmen für unterschiedliche Methoden, aber auch ganze Portfolios. Denn am Ende wird man auf ein breites Spektrum zurückgreifen müssen. Manche der Methoden können wohl erst in den nächsten Jahrzehnten oder gegen Ende des Jahrhunderts angewendet werden.

Inwieweit kann CDR demnach zu den Klimazielen des Pariser Abkommens beitragen?

Bislang wird der Atmosphäre noch extrem wenig CO2 aktiv entnommen. Darauf weist auch der aktuelle „State of Carbon Dioxide Removal“-Bericht hin, an dem Forschende aus CDRterra beteiligt waren. Mit Aufforstung, Wiederbewaldung und Aufbau des Kohlenstoffspeichers im Boden entzieht man heute 2 Gigatonnen CO2 pro Jahr der Atmosphäre, nur 0,002 Gigatonnen dagegen durch neuere Methoden. Zum Vergleich, man geht davon aus, dass 5-15 Prozent der derzeitigen globalen Emissionen von 40 Gigatonnen jährlich aus der Atmosphäre entfernt werden müssen. Da besteht noch eine sehr große Kluft.

Um bis 2050 innerhalb Deutschlands und der gesamten EU klimaneutral zu werden, wird CDR allein auf keinen Fall reichen. Allerhöchste Priorität sollte die massive Reduktion der Treibhausgas-Emission an sich haben.

Dr. Felix Havermann ist Postdoktorand in der Lehr- und Forschungseinheit Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU und ist unter anderem wissenschaftlicher Koordinator des Projektes CDRSynTra, das die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanzierten Großverbunds CDRterra zusammenführt. CDRterra untersucht Methoden des Carbon Dioxide Removals bezüglich ihrer großskaligen Umsetzung in Deutschland und Europa.

Weitere Informationen und Bericht zum State of Carbon Dioxide Removal

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