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Biodiversität der Tiefsee vor Neuseeland artenreicher als gedacht

17.09.2021

Ein Team um den LMU-Geobiologen Gert Wörheide entdeckte bei einer Tiefsee-Expedition vor Neuseeland sechs neue Arten von Glasschwämmen.

Ein trichterförmiger Schwamm am Meeresboden

Eine der Neuentdeckungen: Bathydorus Poculum | © GEOMAR

Die Tiefsee unseres Planeten ist eine einzigartige Lebenswelt, deren Biodiversität nur unzureichend dokumentiert und verstanden ist, die aber extrem wichtig für den Lebensraum Ozean und die biogeochemischen Zyklen auf unserem Planeten ist. Anfang 2017 brach das deutsche Forschungsschiff Sonne im neuseeländischen Auckland zu einer Expedition auf, im Gepäck den bis in Tiefen von 6000 Metern einsetzbaren Tauchroboter KIEL6000 vom Kieler Institut GEOMAR. Ziel der Expedition war es, die sogenannte benthische Fauna zu erkunden, also die am Boden lebenden Tiere zu untersuchen. Der Fokus lag dabei auf der Analyse von Schwämmen und Korallen. Gibt es dort bisher unbekannte Arten und Gattungen? Wie verhält sich die Mikrobenflora, die mit ihnen assoziiert ist, und welche Naturstoffe sind in den Schwämmen zu finden?

LMU-Geobiologie Professor Gert Wörheide und Professor Peter Schupp von der Universität Oldenburg leiteten die Forschungsfahrt, nun stellte das Team um Wörheide einen Teil der Forschungsergebnisse vor: sechs neue Schwammarten und zwei Erstfunde in neuseeländischen Gewässern konnten die Wissenschaftler beschreiben, sowie eine neue Gattung. „Ein großer Erfolg“, sagt Wörheide, „denn damit wurde die Anzahl der aus Neuseeland bekannten Arten der Schwammfamilie Rossellidae fast verdoppelt, von neun bekannten Arten in fünf Gattungen auf 17 Arten in acht Gattungen.“

Wörheide betont auch, wie wichtig derartige umfangreiche Untersuchungen der Tiefseewelten sind: „Bei der Dokumentation mit dem Tiefseeroboter und unseren Funden haben wir festgestellt, dass der Lebensraum Tiefsee um Neuseeland wesentlich artenreicher ist als ursprünglich angenommen, das sind sehr wichtige Basisdaten, die Bemühungen zum Schutz dieser besonderen Lebensräume im Kontext von geplantem Tiefseebergbau oder Tiefseefischerei unterstützen können“.

Ein Schwamm aus Glas

Ein Schiff im Hafen

Das Forschungsschiff der Expedition. | © Gert Wörheide, LMU

„Die Expedition war eine sehr intensive Erfahrung“, erzählt Wörheide. „31 Tage waren wir mit 45 Forschenden auf der Sonne unterwegs und ich habe während dieser Zeit nur ein einziges anderes Schiff in der Ferne gesehen. Diese Unberührtheit der Natur war faszinierend.“ Der Geobiologe vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften und dem GeoBio-Center der LMU erforscht die Anfänge des tierischen Lebens auf der Erde. Dazu untersucht er die einzigartigen Lebensgemeinschaften wirbelloser Tiere in der Tiefe des Ozeans, die seit mehr als 550 Millionen Jahren auf der Erde existieren. Die Forscher setzen dabei molekularbiologische Methoden ein, um den Stammbaum des Lebens zu rekonstruieren. Wörheide konnte so nachweisen, dass Schwämme einer der ältesten Tierstämme sind.

Mit Hilfe eines Tauchroboters konnten die Forscher und Forscherinnen während der Sonne-Expedition nun mehr als 200 Exemplare von Schwämmen sammeln, darunter Vertreter der Glasschwamm-Familie Rossellidae. Glasschwämme bestehen, wie ihr Name schon verrät, zu großen Teilen aus Silikat, also Glas. Das ist ihnen auch deutlich anzusehen, das Skelett ist meistens durchsichtig, oftmals fast weiß, die Silikat-Nadeln bilden dünne, fast faserige Verbindungen. Derartige Schwämme tauchen im Fossilbericht gesichert im frühesten Kambrium vor rund 535 Millionen Jahren auf und waren einmal weit verbreitet. Warum sie heute fast nur noch in der Tiefsee lebend zu finden sind, ist noch umstritten.

Sechs neue Arten von Glasschwämmen entdeckt, zwei neu für Neuseeland beschrieben

#nachgefragt bei einem Korallenforscher

Sechs neue Arten der Glasschwamm-Familie Rossellidae konnten die Geobiologen beschreiben, und sogar eine neue Gattung. Über die Silikat-Nadeln lassen sich die unterschiedlichen Arten und Gattungen von Schwämmen differenzieren, diese Arbeiten von Teammitgliedern aus Neuseeland und Kanada erfolgten nach einer ersten systematischen Einordnung mittels DNA-Analysen durch Martin Dohrmann, Postdoktorand im Labor von Wörheide. Durch dieses Vorgehen konnten die Forscher beispielsweise die neue, für Neuseeland endemische Gattung Nubes definieren und zwei neue Spezies in dieser Gattung beschreiben.

Bedauerlicherweise verstarb während der Untersuchungen der weltweit führende taxonomische Spezialist für Glasschwämme, Dr. Henry Reiswig aus Kanada, im Alter von 83 Jahren. Er hat die Artbeschreibungen in der aktuellen Publikation federführend durchgeführt. Ihm ist daher diese Arbeit gewidmet.

Publikation:
Rossellid glass sponges (Porifera, Hexactinellida) from New Zealand waters, with description of one new genus and six new species. Reiswig HM, Dohrmann M, Kelly M, Mills S, Schupp PJ, Wörheide G (2021) ZooKeys 1060: 33–84. https://doi.org/10.3897/zookeys.1060.63307

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