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Brüchige Zweisamkeit

25.05.2018

Die Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien kann Pflanzen einen ökologischen Vorteil verschaffen. Trotzdem ging diese Symbiose im Lauf der Evolution mehrfach wieder verloren, darunter auch in den Vorfahren von Kulturpflanzen wie Erdbeeren, Brombe...

Alle Pflanzen benötigen für ihr Wachstum eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen wie Stickstoff. Eine Symbiose mit stickstofffixierenden Bakterien kann ihnen daher einen ökologischen Vorteil verschaffen: Die Bakterien werden von den Pflanzen in speziellen Wurzelknöllchen beherbergt und mit Kohlenstoffquellen versorgt. Dafür gewinnen sie den begehrten Stickstoff aus der Luft und stellen ihn den Pflanzen zur Verfügung. Trotzdem ging im Lauf der Evolution die Fähigkeit zu dieser Partnerschaft mehrfach wieder verloren. Dies zeigt ein Vergleich von 37 Pflanzengenomen, die Wissenschaftler der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Helmholtz Zentrums München (HMGU) in Kooperation mit französischen und chinesischen Kollegen durchführten. Über ihre Ergebnisse berichten die Forscher im renommierten Fachmagazin Science.

Die zur Wurzelknöllchensymbiose fähigen Arten stammen aus insgesamt vier verwandten Blütenpflanzen-Ordnungen (Fabales, Fagales, Cucurbitales, und Rosales), zu denen viele landwirtschaftlich wichtige Arten gehören, beispielsweise Bohnen, Erbsen und Soja. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass genetische Veränderungen bei einem gemeinsamen Vorfahren die Evolution dieser Symbiose innerhalb dieser Verwandtschaftsgruppe grundsätzlich möglich gemacht haben. „Trotzdem können nur zehn der insgesamt 28 Pflanzenfamilien der Gruppe stickstofffixierende Wurzelknöllchen ausbilden. Und sogar in neun dieser zehn Familien leben die meisten Gattungen nicht symbiontisch“, sagt der LMU-Genetiker Professor Martin Parniske, der die internationale Kooperation initiierte. Um die genetischen Ursachen dieses verstreuten Vorkommens der Wurzelknöllchensymbiose aufzuklären, trug das Konsortium DNA Proben von zehn Arten mit unterschiedlichen Knöllchentypen, bakteriellen Symbionten und Infektionsstrategien zusammen. Diese wurden vom BGI in China sequenziert. Die so entschlüsselten Genome wurden in enger Zusammenarbeit zwischen der LMU und HMGU in einen genomweiten Vergleich von insgesamt 37 Pflanzenarten einbezogen. Die Münchener Forscher konnten durch diese Analysen zu ihrer großen Überraschung nachweisen, dass viele Mitglieder der Verwandtschaftsgruppe die Fähigkeit zur Symbiose wieder verloren haben, darunter wertvolle Kulturpflanzen wie Erdbeeren, Brombeeren oder Äpfel.

„Wir konnten zeigen, dass das für die Wurzelknöllchensymbiose essenzielle NODULE INCEPTION (NIN)-Gen in verschiedenen Linien mehrfach unabhängig voneinander mutiert ist. Diese Fähigkeit war in einem gemeinsamen Vorläufer der Linien also wohl vorhanden, ging aber durch evolutiven Druck in großem Umfang wieder verloren“, sagt Erstautor Maximilian Griesmann, Doktorand an der LMU, der am HMGU für diese Analysen eng mit Manuel Spannagl, Georg Haberer und Klaus F.X. Mayer, Leiter der Abteilung Genomik und Systembiologie pflanzlicher Genome am HMGU, zusammenarbeitete. „Dies war ein völlig unerwarteter Befund, denn in vielen terrestrischen Ökosystemen begrenzt die Stickstoff-Verfügbarkeit das Pflanzenwachstum, sodass man eigentlich erwarten würde, dass die Symbiose einen Selektionsvorteil bringt“, ergänzt Parniske.

Ein möglicher Grund für diesen Verlust könnten nach Ansicht der Wissenschaftler parasitische Bakterien sein, die die Wurzelknöllchen besiedeln und der Pflanze Energie entziehen, ohne Stickstoff zurückzugeben. In diesem Fall wäre der Verlust der Symbiose eine evolutive Anpassung an die für die Pflanze ungünstige Situation. Auch andere Szenarien, in denen die Symbiose keinen Vorteil mehr bringt, könnten zu deren Verlust führen, etwa ein dauerndes Überangebot an Stickstoff oder wenn andere Faktoren limitierend sind, beispielsweise Wasser oder Phosphat.

In der synthetischen Biologie gibt es Ansätze mit dem Ziel, die Wurzelknöllchensymbiose auf Nutzpflanzen zu übertragen, die ursprünglich keine Partnerschaft mit stickstofffixierenden Bakterien eingehen, um Stickstoffdünger zu sparen. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass es eine evolutive Selektion zuungunsten der Wurzelknöllchensymbiose gibt. Dies sollten derartige Projekte zukünftig berücksichtigen“, schließt Mayer.Science 2018

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