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COVID-19: Vitamin-D-Spiegel während der Pandemie gesunken

17.10.2025

Routinedaten aus Laboren offenbaren einen messbaren Rückgang der Vitamin-D-Spiegel während der COVID-19-Pandemie, vor allem bei älteren Frauen und bei Stadtbewohnern.

Mann blickt aus geschlossenem Fenster nach draußen

Möglicherweise haben Lockdowns, Homeoffice und veränderte Freizeitgewohnheiten die Sonnenexposition vieler Menschen verringert. | © IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Die COVID-19-Pandemie hatte Auswirkungen auf die Gesundheit weit über Infektionen hinaus. Ein Forschungsteam um die LMU-Epidemiologin Professorin Eva Grill zeigt nun erstmals auf Bevölkerungsebene, dass auch die Vitamin-D-Spiegel während der Pandemie signifikant niedriger waren als zuvor.

Für ihre in Nature Communications veröffentlichte Studie analysierten die Forschenden anonymisierte Routinedaten von 292.187 Patientinnen und Patienten aus ganz Bayern, sowohl aus dem ambulanten als auch aus dem stationären Bereich. Die Daten stammen aus Laborinformationssystemen als Teil einer datenschutzkonformen Forschungsplattform.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen Laborwerte zwei Jahre vor der Pandemie (März 2018 bis Februar 2020) und zwei Jahre während der Pandemie (März 2020 bis Februar 2022). Ihre Ergebnisse zeigen, dass der mittlere Serumspiegel an 25-Hydroxyvitamin D in diesem Zeitraum von 26,7 µg/l auf 26,0 µg/l gesunken ist. Gleichzeitig erhöhte sich der Anteil aller Personen mit Vitamin-D-Mangel (unter 20 µg/l) von 31,2 auf 35,2 Prozent.

Signifikanter Rückgang der Vitamin-D-Werte während der Pandemie

Diese Unterschiede waren statistisch hochsignifikant (p < 0,001) und blieben auch nach Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und Jahreszeit bestehen.

„Eine mögliche Erklärung ist, dass Lockdowns, Homeoffice und veränderte Freizeitgewohnheiten die Sonnenexposition vieler Menschen verringert haben“, erklärt Grill.

Zur Absicherung der Ergebnisse kamen drei verschiedene statistische Verfahren zum Einsatz – klassische deskriptive Analysen, Propensity-Score-Matching und maschinelles Lernen. Alle Methoden bestätigten unabhängig voneinander die Abnahme der mittleren Vitamin-D-Spiegel und die Zunahme der Mangelraten.

Ältere Frauen, junge Erwachsene und Stadtbewohner besonders betroffen

Die Auswertung zeigte zudem deutliche Unterschiede zwischen Bevölkerungsgruppen. Ältere Frauen über 60 Jahren waren besonders deutlich vom Rückgang der Vitamin-D-Spiegel während der Pandemie betroffen. Aber auch bei jüngeren Erwachsenen im Alter von 18 bis 39 Jahren zeigte sich eine starke Zunahme des Vitamin-D-Mangels – ihre Mangelrate stieg von 34,6 auf 37,8 Prozent. Vitamin D ist nicht nur entscheidend für die Knochengesundheit, sondern wirkt auch immunmodulatorisch. Ein Mangel kann das Risiko für Infektionen, Autoimmunerkrankungen und Knochenbrüche erhöhen.

Hinzu kommt ein Stadt-Land-Gefälle: In urbanen Regionen waren Mangelraten durchweg höher als in ländlichen Gebieten. „Städtische Lebensbedingungen – weniger Sonnenlicht durch Bebauung, eingeschränkte Grünflächen, höhere Luftverschmutzung – erschweren die Vitamin-D-Synthese zusätzlich“, so Grill.

Die Forschenden interpretieren ihre Daten auch vor dem Hintergrund geschlechtsspezifischer Verhaltensunterschiede. Frauen nehmen insgesamt häufiger Vitamin-D-Präparate ein als Männer, hatten aber zugleich stärkere Einbußen während der Pandemie. Dies könne, so Grill, „ein Hinweis darauf sein, dass gesellschaftliche und psychologische Faktoren wie Mehrbelastung, Stress und eingeschränkter Zugang zu Vorsorgeangeboten bei Frauen eine Rolle gespielt haben.“

Routinedaten als wertvolles Instrument für die Public-Health-Forschung

Die Studie liefert nicht nur überraschende Einblicke. „Unsere Arbeit zeigt, dass Routinedaten aus der medizinischen Versorgung ein Frühwarnsystem für Public Health sein können“, betont Grill. „Sie erlauben es, Trends wie den Rückgang bestimmter Nährstoffe oder die Zunahme von Risikofaktoren schnell zu erkennen – ohne auf zeitaufwendige Erhebungen warten zu müssen.“

Grill sieht im Design der Studie auch eine Perspektive für die zukünftige Gesundheitsberichterstattung. Durch die Integration von Labor-, Abrechnungs- und Versorgungsdaten ließen sich Entwicklungen etwa bei Mikronährstoffen, Stoffwechselparametern oder Impfquoten zeitnah nachvollziehen – ein wichtiger Schritt hin zu einer datengetriebenen Präventionspolitik.

Lea Skapetze, Daniela Koller, Andreas Zwergal, Stefan Feuerriegel, Anna Rubinski & Eva Grill: Monitoring changes in vitamin D levels during the COVID-19 pandemic with routinely-collected laboratory data. Nature Communications (2025).

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