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Das Covergirl des Behindertensports

28.01.2015

Anna Schaffelhuber war die Überfliegerin bei den Paralympics in Sotschi. Ihre Jurabücher hat die Regensburgerin beim Training und den Wettkämpfen in aller Welt trotzdem immer dabei. Denn wie nebenbei studiert die 22-Jährige noch an der LMU. Ihr Erfolg...

Eine Goldmedaille bei den Paralympics 2014 in Sotschi – das war Anna Schaffelhubers Ziel. Durch ihre Talabfahrten mit bis zu 130 Stundenkilometern gewann die Monoskifahrerin am Ende gleich fünf und wurde so zum Star der Olympischen Winterspiele in Russland. „Ein Wahnsinn“, strahlt die LMU-Studentin, obwohl sie ihren Erfolg immer noch nicht so ganz realisieren kann. „In Sotschi selbst ging alles so schnell, und selbst in der Zeit danach hatte ich keine Gelegenheit, das zu begreifen“, erzählt die 22-Jährige. Seitdem war sie fast nie zu Hause: Training, Pressetermine, Ehrungen und Gespräche mit neuen Sponsoren bestimmten den ganzen Sommer über ihr Leben – und natürlich die Beantwortung der Fanpost. „Für Familie und Freunde war leider sehr wenig Zeit“, resümiert die Sportlerin. Auch der Leistungsdruck sei höher geworden.

Der Sport schenkt ihr die Freiheit Angefangen hat die Regensburgerin mit dem Monoskifahren bereits mit fünf Jahren: „Meine Brüder haben das Skifahren gelernt, und dann wollte ich natürlich auch“, lacht sie. Der Sport schenkte ihr ungeahnte Freiheiten: Auf dem Ski fühlte sie sich unabhängig und beflügelt. „Auf der einen Seite komme ich auf dem Schnee genauso gut zurecht wie alle anderen auf zwei Skiern und habe eine Freiheit, mich überall hinbewegen zu können“, konkretisiert die Sportlerin. Ihren ersten großen Erfolg konnte sie bereits mit 17 Jahren im Super-G bei den Paralympics in Vancouver feiern. Bei der Alpinen Skiweltmeisterschaft der Behindertensportler 2011 in Sestriere gewann Schaffelhuber anschließend drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille. Und bei der Weltmeisterschaft 2013 sicherte sie sich den Titel im Slalom und Silber im Super-G sowie im Riesenslalom. Zudem gewann die gebürtige Bayerbacherin aus dem Landkreis Landshut in der Super Kombination und in der Abfahrt die Bronzemedaille. Ihr Erfolgsrezept ist hartes Training. „Erfolg hat man nicht automatisch, wenn man auch Talent hat“, erläutert Schaffelhuber. Ihre Disziplin zahlte sich aus: 2014 wurde sie zur Behindertensportlerin des Jahres gewählt – bereits zum dritten Mal.

Mit ihrer Querschnittlähmung hat sich Schaffelhuber arrangiert: „Sie ist für mich schon immer ganz normal gewesen“, betont sie. „Sie gehört einfach zu mir wie eine Brille zu jemand anderem.“ Durch ihren Erfolg konnte sie auch viele andere Behinderte zum Sport motivieren. „Viele trauen sich zu wenig, weil sie Angst haben oder sich nicht vorstellen können, das selbst zu machen – aber es geht!“ Anna Schaffelshubers Mutter setzt sich ebenfalls für Inklusion und mehr Barrierefreiheit von Behinderten ein. Sie versucht, Menschen zu sensibilisieren und zeigt an Schulen, Messen oder bei Veranstaltungen den Blickwinkel aus Sicht eines Rollstuhlfahrers. „Man braucht nicht immer die riesigen Umbauten“, verdeutlicht Schaffelhuber. Das lerne man aber erst, wenn man sich selbst in diese Situation begeben habe. An der LMU ist sie mit der Barrierefreiheit grundsätzlich zufrieden, nur die Wege zwischen den Seminarräumen seien manchmal für Rollstuhlfahrer sehr weit. „Bis ich den Weg über viele Umwege zum Vorlesungssaal gefunden habe – das kann dauern.“

Täglich sieben Stunden Training Bei ihrem Jurastudium wird Schaffelhuber aufgrund einer Kooperation der LMU als Partnerhochschule des Spitzensports mit dem Olympiastützpunkt Bayern unterstützt. Leicht hat sie es dennoch nicht: Wegen der vielen Termine im letzten Jahr musste sie sich zusätzlich zum Wintersemester sogar im Sommersemester beurlauben lassen. Normalerweise trainiert sie in der warmen Jahreshälfte nur einen halben Tag und verbringt den anderen Tag an der LMU. Im Winter ist sie nicht in München und verbringt bis zu sechs Stunden pro Tag im Schnee – zuzüglich einer Stunde Konditionstraining. „Wahrscheinlich kennen mich viele Professoren nur von meiner Matrikelnummer“, lacht die Monoskifahrerin. Um ihre Prüfungen zu meistern, hat sie ihre Bücher aber immer dabei. Das sei zwar nicht immer leicht, aber schon in der Schule so gewesen: „Ich hatte im Jahr maximal 25 Schultage – das waren die Klausuren.“ Ihre Professoren sind mit Schaffelhubers Leistung trotzdem zufrieden. „Sie ist eine tolle Studentin und Sportlerin, auf die wir stolz sind“, sagt ihr Mentor an der Juristischen Fakultät, Professor Helmut Satzger. Er ist überzeugt, dass sie auch ihr Studium mit großem Erfolg beenden wird und ihr Ziel – Staatsanwältin – erreicht.

Einen Weg in die Politik wie die ehemalige LMU-Studentin und Biathletin Verena Bentele, die inzwischen als Behindertenbeauftragte der Bundesregierung arbeitet, kann sich Schaffelhuber zumindest in naher Zukunft nicht vorstellen. „Das muss ich auf mich zukommen lassen“, ergänzt sie. Sie kenne Bentele aber gut und treffe sie sogar hin und wieder. Vorerst möchte sich die 22-Jährige neben dem Studium lieber weiterhin voll und ganz auf ihre sportliche Karriere konzentrieren, sich weiter verbessern, „jedes Rennen absolut Vollgas geben und testen, was möglich ist“. Zukünftig möchte sie sogar die Zeiten der Männer angreifen. Wie viele Goldmedaillen es im März bei der Weltmeisterschaft in Kanada werden, will sie aber noch nicht verraten: „Ich will natürlich wieder jedes Rennen gewinnen – wie oft es sich dann ausgeht, werden wir dann sehen.“ Ihr Sehnsuchtsziel Neuseeland muss also weiter warten. dl

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