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Der richtige Dreh

28.06.2018

Den Hula-Twist gibt es wirklich: LMU-Chemiker weisen erstmals diese spezielle Rotationsbewegung lichtempfindlicher Moleküle direkt nach. Ihre Erkenntnisse sind wichtig für das Verständnis des Sehprozesses und die Entwicklung neuer molekularer Maschinen.

Lichtempfindliche Moleküle, die bei Beleuchtung ihre Form ändern, bilden die Grundlage für den Sehprozess im Auge. Als Mechanismus für die Formänderung wurde eine komplexe Drehbewegung vorgeschlagen: die Hula-Twist Bindungsrotation, so benannt nach dem Hüftschwung beim hawaiianischen Hula-Tanz. Doch ob diese tatsächlich stattfindet, wird seit 30 Jahren in der Wissenschaft diskutiert. Die Antwort darauf ist auch für zahlreiche Anwendungen wichtig, denn diese Art lichtinduzierter molekularer Bewegung kann bei synthetischen Materialien, Nanosystemen oder molekularen Maschinen eine Rolle spielen. LMU-Chemikern um Dr. Henry Dube ist nun ein entscheidender Durchbruch gelungen: Die Wissenschaftler haben ein synthetisches Molekül entwickelt, mit dem sie den Hula-Twist erstmals direkt nachgewiesen haben, wie sie im Fachjournal Nature Communications berichten.

„Bisherige Studien brachten unklare und widersprüchliche Ergebnisse, weil in den untersuchten Systemen nach der Lichtanregung immer eine Vielzahl von Prozessen abliefen und damit die eigentliche Photoreaktion nicht klar zu beobachten war“, sagt Dube. Deshalb hat der Chemiker ein spezielles Molekül entwickelt, das nur wenige Prozesse ausführen kann. Da es zudem nach der Photoreaktion keine weiteren Reaktionen eingeht, konnten die Wissenschaftler präzise analysieren, was in der Photoreaktion passiert. Kernpunkt des Moleküls ist eine Kohlenstoffdoppelbindung mit einer benachbarten Einfachbindung. Unter Lichteinfluss kann es auf drei verschiedene Weisen um diese Bindungen drehen und dadurch seine Geometrie verändern: Es kann nur um die Doppelbindung drehen, nur um die Einfachbindung, oder es führt eine kombinierte Drehung um Einfach- und Doppelbindung durch – den Hula-Twist, dessen Existenz die Wissenschaftler nun mithilfe hochauflösender Spektroskopiemethoden erstmals direkt zeigen konnten.

Dabei ist die Photoreaktion stark temperaturabhängig: „Durch Heizen oder Kühlen kann man sehr gut beeinflussen, welche Drehung bevorzugt wird“, sagt Dube. „Das ist für mögliche Anwendungen sehr interessant, weil man so eine gerichtete Bewegung erzeugen kann.“Für die Zukunft wollen die Wissenschaftler ihr molekulares Setup nutzen, um neue lichtgetriebene molekulare Maschinen zu entwickeln. Im Vergleich zu lichtsteuerbaren Werkzeugen wie „lichtempfindlichen molekularen Pinzetten“, die Dube kürzlich in Nature Communications vorstellte, können molekulare Motoren direktionale Bewegungen ausführen und haben damit mehr Anwendungsmöglichkeiten. Denkbar sind nach Ansicht der Wissenschaftler unter anderem der Molekültransport oder die Bearbeitung bestimmter Materialien auf atomarer und molekularer Ebene.Nature Communications 2018

Mehr zur Forschung von Henry Dube:

Molekularer Motor: DurchschautMolekularer Motor: Unter BeobachtungMolekularer Schalter: Drehung nach Wunsch

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