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Deutschlandstipendium: Aus der Sozialbausiedlung ins Elite-Masterprogramm

17.12.2020

Das Deutschlandstipendium fördert Studierende mit hervorragenden Leistungen, aber auch Menschen, die sich sozial engagieren oder Hürden in ihrem Lebenslauf überwinden. Eine von ihnen: Marlia I Gusti Bagus.

Aufnahme der Deutschlandstipendiatin Marlia I Gusti Bagus

Marlia I Gusti Bagus | © LMU / Jan Greune

Marlia I Gusti Bagus wuchs in einer Sozialbausiedlung am Hamburger Stadtrand auf. Der indonesische Vater verließ die fünfköpfige Familie, als sie fünf Jahre alt war. Der Mutter war es nicht möglich, die Wichtigkeit von Bildung zu vermitteln. „Es waren nicht die optimalsten Voraussetzungen, um später einmal erfolgreich zu sein“, sagt die heute 28-Jährige. Doch Marlia kämpfte sich nach oben. Schon in der vierten Klasse träumte sie vom sozialen Aufstieg und wollte entsprechend aufs Gymnasium, obwohl sie dafür jeden Tag allein mit dem Bus ans andere Ende der Stadt fahren musste. Jeder Erfolg gab ihr mehr Selbstvertrauen, sich ein höheres Ziel zu stecken. So ging es von Klasse zu Klasse, von Schuljahr zu Schuljahr. 2010 bestand sie ihr Abitur – als erste und einzige in der Familie. Abschlussnote: 1,9.

Inzwischen studiert Marlia an der LMU Neurowissenschaften auf Master. Dahinter verbirgt sich kurz gesagt alles, was mit dem Gehirn zusammenhängt. Bei ihrer Arbeit erstellt sie Datenmodelle, die auf Neuronenaktivitäten basieren. In Experimenten prüft sie, ob ihre theoretischen Ergebnisse der Praxis standhalten. Die Professorinnen und Professoren kennt sie meist persönlich. Da es in ihrem Studium viel um Machine Learning geht, hat Marlia auch programmieren gelernt. Aktuell entwickelt sie im Rahmen eines Praktikums bei einer IT-Consulting-Unternehmen Machine Learning Algorithmen für verschiedene Datenanalysen. Freunde beschreiben sie als zielstrebig und extrem ehrgeizig. Ihr Biologiestudium schloss sie mit 1,6 ab, das Ergebnis ihrer Bachelorarbeit präsentierte sie vor Medizinern und Neurowissenschaftlern bei einem Symposium in Starnberg. 2019 veröffentlichte sie ihr erstes Paper als Erstautorin.

„Mir macht es Spaß, meine wissenschaftliche Arbeit nach Außen zu tragen und mein Wissen zu teilen“, betont Marlia. Möglich wurde das durch die finanzielle Freiheit durch das Deutschlandstipendium. An finanzieller Unterstützung seitens der Familie war nicht zu denken. Selbst Stiftungen lehnten sie als Stipendiatin ab, weil sie die Zeit zwischen Abitur und Studium „verschwendet“ habe, so die Begründung. „Unfair“, nennt Marlia das. Immerhin leistete sie in dieser Zeit einen Freiwilligendienst in Kolumbien und unterstützte die Pädagogen einer Gehörlosen- und Behindertenschule bei der Arbeit. Seitdem sie 15 Jahre alt war bis zu ihrem Umzug nach München half sie außerdem in einer Elternschule und beim benachbarten Haus der Jugend bei der Kinderbetreuung, organisierte Musikevents oder half beim Jugendaustausch als Dolmetscherin. Ihr soziales Engagement ließ auch während des Studiums nicht nach: Sie ist Mentorin des “Peer-to-Peer-Mentoring“-Programms der LMU und leitet jedes Wintersemester ihr eigenes Tutorium für 16 Studierende.

Im Sommer dieses Jahres erreichte Marlia ein weiteres großes Ziel: Sie wurde am Center for Digital Technology and Management in München angenommen, wo sie einen Master of Honor absolvieren wird. Der Studiengang vermittelt Studierenden der LMU und Technischen Universität München ein besseres Gespür für Technologien, Trends und unternehmerisches Denken. Es wurde vom renommierten US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und der Technischen Universität München initiiert. „Ein tolles Programm“ schwärmt Marlia, der das Beste gerade immer nur gut genug ist.

Ihre Freude an der Wissenschaft, ihre Lust am steten Lernen, ihr Ehrgeiz und nicht zuletzt ihre soziale Herkunft sind Motivation und Motor. Sie hofft, dass ihre Geschichte Antrieb und Inspiration für andere junge Menschen ist, die ähnlich schwierige Startbedingungen haben. „Aufhalten“, sagt Marlia, „wird mich im Leben niemand mehr.“

Jetzt Förderer werden! Das Deutschlandstipendium an der LMU lebt von der Unterstützung von Unternehmen, Stiftungen oder Privatpersonen. Ihre steuerlich absetzbare Spende in Höhe von 150 Euro pro Monat wird von der Bundesregierung verdoppelt und kommt ohne Abzüge bei den Stipendiatinnen und Stipendiaten an. So können sich junge Menschen auch in Krisenzeiten wie diese ohne Geldsorgen um die Zukunftsfragen unserer Gesellschaft kümmern.

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