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Die antike Ordnung der Dinge

24.01.2018

Die Historikerin Babett Edelmann-Singer untersucht, wie sich in kultischen Objekten Herrschaft materialisiert. Jetzt kommt die Forscherin mit einem hochangesehenen Heisenberg-Stipendium der DFG ans Historicum.

Zurückhaltung wäre wohl das falsche Wort. Bei der Siegesparade vor den Toren der Hauptstadt Antiochia ließ es der Herrscher über das Seleukidenreich so richtig krachen. Fast 50.000 Soldaten und Söldner marschierten auf, Tausende davon in römischen Rüstungen, dazu ein paar Hundert Gladiatoren, Dutzende Elefanten. Zum Triumph Antiochos IV., des Königs mit dem Beinamen Epiphanes („der Erschienene“), zogen sie durch den Villenort Daphne, in dem die Reichen Antiochias wohnten – eine pompöse Veranstaltung, die Macht und Reichtum des Herrschers zur Schau stellen sollte und seinen Einfluss, der von Kleinasien und dem heutigen Syrien bis Persien reichte.

Doch einen echten Sieg gab es auf der Siegesparade gar nicht zu feiern. Das Seleukidenheer war weit nach Ägypten eingedrungen, hatte aber vor Alexandria wieder abziehen müssen, auf Druck der Römer. Und so ist diese berühmteste Prozession der Antike im Jahre 166 vor Christus politisch stets vor allem als Antwort auf die Auseinandersetzungen mit Rom gedeutet worden, der aufstrebenden Macht im östlichen Mittelmeer.

Die Althistorikerin Babett Edelmann-Singer, die von Herbst an mit einem hochangesehenen Heisenbergstipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) am Historischen Seminar der LMU forschen und lehren wird, möchte der gängigen Darstellung eine neue Facette hinzufügen. Sie richtet den Blick auf die Objekte der Antike. Was zum Beispiel hat es zu bedeuten, dass rund 300 Städte des Seleukidenreiches und der griechischen Welt nicht nur durch Gesandte repräsentiert wurden, sondern vor allem durch die in der Prozession mitgeführten Götterbilder? Diese Zurschaustellung gerade der religiösen Objekte, sagt die Historikerin, müsse als politisches Programm gedeutet werden: Im Fokus stand weniger der Streit mit Rom als vielmehr die „Selbstkonstruktion seleukidischer Herrschaft“ unter Antiochos IV. Und, so fragt Babett Edelmann-Singer nach einer weiteren Auffälligkeit, waren die Wagen bei der Prozession, von Elefanten gezogen, tatsächlich Streitwagen, die unbedingte militärische Stärke symbolisieren sollten? Oder dienten sie, wofür Überlieferungen ähnlicher Umzüge sprechen, eher dem Herrscherkult und sollten mit Bildnissen der beiden Herrscher eine Nähe von Antiochos IV. zu Alexander dem Großen zelebrieren?

Tableaus des Triumphes

Eine „Materialisierung von Herrschaft“ liest Babett Edelmann-Singer aus den überlieferten Beschreibungen der Prozession und ihrer Objekte heraus und wird dies auch in weiteren Fallstudien untersuchen. So will sie zeigen, wie etwa in römischen Triumphzügen Dinge die Grenze zwischen Subjekt und Objekte verschwimmen lassen: Das berühmteste Beispiel ist wohl das Bildnis der Kleopatra, mit dem der römische Feldherr Octavian den Triumph über die ägyptische Königin inszenieren wollte. Das Bildnis war nur ein Stellvertreter, weil Kleopatra sich durch Selbstmord der Gefangennahme entzogen hatte, aber es war derart mit Bedeutung aufgeladen, dass es regelrecht zu einem Avatar wurde. Es gibt aber auch Beispiele, in denen Menschen bei ähnlichen Anlässen verdinglicht wurden – Gefangene etwa, die nur noch Details in einem Tableau waren, das den Sieg ausstellte.

Die Regensburger Wissenschaftlerin will während ihrer drei Jahre in München also Fälle untersuchen, in denen die Bedeutung der Objekte über eine reine Symbolik hinausgeht. Sie will überprüfen, ob die Theorien unter anderem des französischen Soziologen Bruno Latour auf die Antike Anwendung finden können, der Dingen sogar eine Art Handlungsmacht zuspricht.

Babett Edelmann-Singer hat an der Universität Regensburg und in Leicester, Großbritannien, studiert, wurde in Regensburg promoviert und hat sich dort habilitiert. Nach akademischen Stationen in Passau, Erlangen-Nürnberg und Osnabrück vertritt sie derzeit den Lehrstuhl für Alte Geschichte in Regensburg. Warum sie sich gerade München und die LMU für das Heisenberg-Stipendium ausgesucht hat, ist für sie leicht zu beantworten. „Hier treffe ich auf ein riesiges Feld altertumswissenschaftlicher Fächer“, sagt Babett Edelmann-Singer, „die thematische Ausrichtung bietet ideale Anknüpfungspunkte.“ Das gelte allen voran für die Lehrstühle von Martin Zimmermann (Alte Geschichte), Karen Radner (Alte Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens) und Ruth Bielfeldt (Klassische Archäologie).

Mit Babett Edelmann-Singer beherbergt die Abteilung für Alte Geschichte erneut die Trägerin eines hochangesehenen Wissenschaftspreises. „Mit dieser Konzentration sind wir in einer privilegierten und seltenen Lage“, sagt Karen Radner, die 2014 als Alexander von Humboldt-Professorin mit dem höchstdotierten Internationalen Preis für Forschung in Deutschland ausgezeichnet wurde. Im vergangenen Jahr erhielt der Altorientalist Enrique Jiménez von der Yale University, USA, den Sofja Kovalevskaja-Preis der Alexander von Humboldt-Stiftung; er baut an Karen Radners Lehrstuhl eine Arbeitsgruppe auf, mit der er das wichtige Korpus der babylonischen Keilschriftpoesie zusammenführt und bearbeitet. 2015 hat der Althistoriker Angelos Chaniotis von der Princeton University, USA, den Anneliese-Maier-Forschungspreis der Humboldt-Stiftung erhalten. Die Auszeichnung ermöglicht dem Experten für griechische Epigraphik eine fünfjährige Kooperation mit dem Lehrstuhl von Jens-Uwe Krause (Alte Geschichte).

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