Die Doktorin und der liebe Film
21.07.2025
Alumni der LMU im Porträt: Schauspielerin Mariele Millowitsch studierte Tiermedizin an der LMU und promovierte in dem Fach.
21.07.2025
Alumni der LMU im Porträt: Schauspielerin Mariele Millowitsch studierte Tiermedizin an der LMU und promovierte in dem Fach.
Wenn im Abspann von Serien wie girl friends, Nikola oder Marie Brand der Name Mariele Millowitsch erscheint, müsste davor eigentlich „Dr. med. vet.“ stehen – denn bevor sie im Fernsehen bekannt wurde, studierte die gebürtige Kölnerin Tiermedizin, und zwar an der LMU.
„Als ich noch klein war“, erinnert sich die Schauspielerin, „stand ich wohl oft mit einem Lappen auf dem Kopf vor unserem Spiegel im Flur und habe gesagt: Ich werde Schauspielerin – und Tierärztin.“ Der Teil mit der Schauspielerei lag in der Familie: Ihr Vater war der Kölner Volksschauspieler Willi Millowitsch; mit seiner Schwester führte er das familieneigene Millowitsch-Theater in Köln, an dem Marie-Luise – „Mariele“ – und ihre Geschwister gewissermaßen aufwuchsen.
Und Tiere waren dabei irgendwie auch immer präsent. „Mein Vater und meine Tante Lucy hatten immer Tiere – zwei Schäferhunde etwa, die kurz hintereinander jeweils zwölf Welpen bekamen.“ Und in dem Stück Drei Kölsche Jungs stand sogar ein Schwein auf der Bühne. „Das fand das Schwein aber, glaube ich, nicht so toll.“ Der Sohn von Tante Lucy, Karl-Peter, war Tierarzt und Zoodirektor in Caracas – vielleicht habe das ihren Berufswunsch beeinflusst.
Nach dem Abitur hatte sie zunächst den Wunsch, auf die Schauspielschule nach Salzburg zu gehen. „Aber als ich dann davorstand, hat mein Instinkt gesagt: Nee. Dabei bin ich ja auf der Bühne groß geworden. Aber wahrscheinlich war es gerade deswegen.“ Denn von älteren Schauspielkollegen habe sie früh gelernt, dass dieser Beruf „wirklich zwei Seiten“ habe – eine künstlerische und eine existenzielle. Und das bedeute neben Ausdruck und Kreativität eben auch viele Absagen, lange Pausen zwischen Engagements und finanzielle Unsicherheit.
Als ich noch klein war, stand ich wohl oft mit einem Lappen auf dem Kopf vor unserem Spiegel im Flur und habe gesagt: Ich werde Schauspielerin – und Tierärztin.Mariele Millowitsch
Sie begann beinahe eine Ausbildung zur Krankengymnastin – doch dann keimte der alte Berufswunsch wieder auf, und Millowitsch begann in den Achtzigerjahren ein Tiermedizin-Studium an der LMU. „Ich bin mit Sack und Pack nach München gezogen, genauer gesagt nach Schwabing, wo damals ja noch die Tiermedizin lag.“ Innerhalb Schwabings zog sie von der Ainmillerstraße in die Fallmerayer- und dann in die Schellingstraße. „Aber ich konnte immer alles zu Fuß erledigen oder bin mit meinem Fahrrädchen durch den Englischen Garten gefahren. Es war eine tolle Zeit.“
Eine Herausforderung sei das Lernen gewesen. „Es gab so viele Testate, und ich musste echt pauken. In der Chemie, die wir in der Schule kaum gehabt hatten, bin ich mehrfach durchgerasselt.“ Eine Nachprüfung musste sie bei den Humanmedizinern ablegen. „Da gab es Multiple-Choice-Fragen – das ist so gar nichts für mich, weil ich mich da nicht wie sonst rausquasseln kann.“ Besonders gut erinnert sich Mariele Millowitsch an den großen Anatomiesaal der Tiermedizin. „Einmal hatten sie eine ganze Reihe von Ziegen dort für uns zum Präparieren aufgebaut – manche mit wirklich schrägen Gesichtern.“
Nach dem Präparieren ging es zum Essen. „Wir saßen beim Italiener in Schwabing, ein paar Kommilitonen und meine Wenigkeit. Und plötzlich denke ich: Ja Gott, was stinkt denn hier so? Aber das waren wir! Du hast die Hände gar nicht mehr entstunken bekommen – von all diesem Formalin und Ziegentod.“ Auch habe man am „Tiermedizin-Tisch“ lernen müssen, leise zu sprechen. „Sonst haben die Leute am Nebentisch rübergeguckt – Anatomie und tote Ziegen sind schließlich nicht jedermanns Sache, gerade beim Essen.“
Gegen Ende des Studiums kam ihr dann das Theater dazwischen. „In der Staatsexamensphase war ich, im Fach Gynäkologie, gerade in einer Übung zu Geburtsstricken“, erinnert sich Millowitsch. Mitten in der Übung klingelte ihr Handy. „‚Ja, hier ist Kay Lorentz!‘ Und ich dachte, mitten in der Tiermedizin: Kay? Der mit den Gänsen heißt doch Konrad – und der lebt doch gar nicht mehr!“ Aber es war Kay Lorentz – Chef des Düsseldorfer Kom(m)ödchens – und er bot Millowitsch einen Part in seinem neuen Ensemble an.
Sie habe sich schnell entschieden, das Angebot anzunehmen. „Das ist so in mir drin, dass ich Entscheidungen schnell und nach Instinkt treffe – und das geht dann auch meistens gut aus.“ Das Staatsexamen schloss sie dennoch ab. „Weil es einfach in meinem Naturell liegt, Dinge zu Ende zu bringen. Wäre ja sonst auch doof gewesen, oder?“
Ein Jahr lang stand sie auf den Bühnen des renommierten politisch-satirischen Theaters. „Wir waren viel auf Tournee mit dem Kom(m)ödchen und da habe ich dann für mich gemerkt: Kabarett – das können andere besser. Das war es dann auch nicht.“
Irgendwie sei sie dann „nicht mehr ganz d’accord“ gewesen mit ihrem Leben – unsicher, welchen Weg sie nun einschlagen sollte. „Und ausgerechnet in dieser Krise meldete sich Professor Köstlin aus München und stieg mir aufs Dach: Wenn Sie jetzt nicht die Doktorarbeit schreiben, dann gebe ich sie ab.“ Also entschloss sie sich – wieder einmal recht spontan – von Köln aus ihre Dissertation an der LMU zu schreiben. „Auf meinem alten Computer musste man noch nach jeder zweiten Seite abspeichern – sonst war alles weg. Oh, was habe ich geschimpft!“
Ihr Thema: „Experimentelle und klinische Untersuchungen zur perkutanen partiellen Diskektomie bei chondrodystrophen Rassen”, einem chirurgischen Eingriff bei bestimmten Hunderassen wie Dackeln. Das passte gut, denn seit ihrer Münchner Zeit hatte Mariele Millowitsch selbst einen „klassischen Rauhaardackel“. „Die Sophie hatte ich von einem Jäger, der meinte: Blöder Hund, die ist nicht schussfest. Wahrscheinlich wurde neben ihr geschossen – was sie nervlich überhaupt nicht ausgehalten hat. Oh, dieses Tier war schreckhaft.“ Ihr wieder Vertrauen beizubringen, sei echte Geduldsarbeit gewesen. Deswegen habe sie ihr auch ihre Doktorarbeit gewidmet.
1991 reichte Mariele Millowitsch ihre Doktorarbeit ein, wurde promoviert – und wandte sich anschließend doch wieder der Schauspielerei zu. „Ich habe erst mal bei Filmproduktionsfirmen ,Klinken geputzt' – München, Berlin, Hamburg, überall …“ Der Durchbruch kam mit der ZDF-Serie girl friends – Freundschaft mit Herz. „Der Produzentin Katharina Trebitsch bin ich dafür bis heute unsäglich dankbar. Ich war ja schon 39 – aber dann ging meine Karriere los.“
Von meiner Zeit in München bereue ich keinen halben Tag – und würde sofort wieder an der LMU Tiermedizin studieren. Sofort wieder.Mariele Millowitsch
Seit Mitte der Neunzigerjahre spielte sie parallel dazu die Krankenschwester Nikola in der gleichnamigen RTL-Sitcom – eine Rolle, die ihr unter anderem den Adolf-Grimme-Preis und den Deutschen Fernsehpreis einbrachte. Später übernahm Millowitsch weitere Titelrollen in zahlreichen Serien – von Die Familienanwältin über die Kriminalkommissarin Marie Brand im ZDF bis zur Bewährungshelferin Klara Sonntag in der ARD. Auch in internationalen Produktionen, wie der französischen Serie Julie Lescaut, spielte sie mit. In ihren Filmen und Serien stand sie dabei auch immer wieder mit Tieren vor der Kamera. Angebote, eine Tierärztin zu verkörpern, habe sie dagegen immer abgelehnt. „Das wäre mir zu einfach gewesen – und viel zu nah.“
„Ich habe viel, viel, viel Glück gehabt in meinem Leben“, resümiert Millowitsch. Als Schauspielerin ist sie ein prägendes Gesicht der deutschen Fernsehlandschaft. Daneben engagiert sie sich unter anderem für Ärzte ohne Grenzen und wurde 2017 von der SPD als Delegierte in die Bundesversammlung berufen, die den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier wählte. Und auch wenn sie als Tierärztin nie praktiziert hat, weil sie nach der Promotion endgültig zur Schauspielerei zurückkehrte: „Von meiner Zeit in München bereue ich keinen halben Tag – und würde sofort wieder an der LMU Tiermedizin studieren. Sofort wieder.“