Digitale Hilfen für Ältere: KI ist für alle da
28.07.2025
Ob virtueller Enkel oder digitaler Gesundheitsassistent: LMU-Studierende haben im Projekt „AI for All” Prototypen entwickelt, die Älteren das Leben erleichtern können.
28.07.2025
Ob virtueller Enkel oder digitaler Gesundheitsassistent: LMU-Studierende haben im Projekt „AI for All” Prototypen entwickelt, die Älteren das Leben erleichtern können.
Im kleinen Hörsaal an der Pettenkoferstraße 11 reichen Ende Juli fünf Minuten aus, um einen Blick in die Zukunft zu werfen. Eine Zukunft, in der Künstliche Intelligenz keine Schreckensszenarien verbreitet, sondern Leben erleichtert – vor allem das von älteren Menschen.
Elf Teams stehen heute bereit, um innerhalb kürzester Zeit ihre Vision einer „AI for All” zu präsentieren. Ein ganzes Semester lang haben sich Masterstudierende des Studiengangs Mensch-Computer-Interaktion und Bachelorstudierende im Fach Kunst und Multimedia gemeinsam Gedanken darüber gemacht, wie Künstliche Intelligenz für alle zugänglich und verständlich gestaltet werden kann. Sie haben Nutzerforschung betrieben, Konzepte entworfen, KI-Modelle ausgewählt und Prototypen gebaut.
Herausgekommen sind elf fünfminütige Präsentationen, die zeigen, was möglich ist: von einer digitalen Gesundheitsassistenz (dem „Care Companion”) bis hin zum Digitalen Helfer, der bei Fragen zu Ticketkauf und Co. zur Verfügung steht; von einer Lampe mit Laserpointer (dem „Virtuenkel”, der immer Zeit für technologische Fragen hat), bis hin zu smarten Crocs mit Sturzerkennung („Smocks”) und einem Storybook gegen die Einsamkeit im Alter.
Wie wir zukünftig mit Technologie leben wollen, sollte genau jetzt diskutiert werden. Wir sollten das nicht den großen Unternehmen überlassen, die dann die Regeln diktieren.Prof. Dr. Alexander Wiethoff, Professor am Institut für Informatik der LMU und Kursleiter „AI for All”
Kursleiter Alexander Wiethoff und Gastdozentin Aida Bakhtiari | © LMU/Johanna Weber
„Wie wir zukünftig mit Technologie leben wollen, sollte genau jetzt diskutiert werden. Wir sollten das nicht den großen Unternehmen überlassen, die dann die Regeln diktieren”, sagt Kursleiter Alexander Wiethoff, LMU-Professor am Institut für Informatik. Den Designworkshop gibt es schon seit mehreren Jahren, die Kooperationen dafür aber wechseln. Dieses Semester hat die LMU mit der „Digitalen Hilfe“ zusammengearbeitet, einer städtisch geförderten Initiative, die älteren Menschen den Alltag mit digitalen Technologien erleichtern will.
Zusammen mit der Künstlerin und Gastdozentin Aida Bakhtiari will Wiethoff mit diesem Kurs einen Beitrag zu einer inklusiven, empathischen und alltagsnahen Integration von KI in die Gesellschaft leisten und den Studierenden zeigen, wie man in interdisziplinären Teams arbeitet. „Dieses Thema betrifft uns alle”, sagt Wiethoff. Bei älteren Menschen sei es noch mit viel Skepsis und Angst verbunden. Was passiert mit meinen Daten? Wie spreche ich mit Technologie? Wie komme ich damit klar? Alles Fragen, mit denen sich die Forschung, die Lehre, die Gesellschaft auseinandersetzen sollten, findet Aida Bakhtiari.
„Es braucht diesen Austausch immer. Das gesellschaftliche Zusammenleben hängt daran”, sagt sie. Bakhtiari engagiert sich bei der „Digitalen Hilfe“ und hat die Kommunikation der Studierenden mit den älteren Menschen vor Ort organisiert. „Die Menschen sollen sich mit ihren Problemen nicht alleine gelassen fühlen”, sagt sie. Erstaunlich viele Seniorinnen und Senioren hätten sich für das Projekt gemeldet, erzählt Bakhtiari. Einige von ihnen sitzen heute sogar im Publikum. Auch sie wollen einen Blick in die Zukunft erhaschen, wollen wissen, was sie erwartet.
Der KI-Assistent hilft weiter, sobald eine Themenkarte in die Box gesteckt wird. | © LMU/Johanna Weber
„Hallo, ich bin eine digitale Hilfebox, stecke eine Themenkarte rein und es kann losgehen”, tönt es aus einer Holzbox. Vor dem Rednerpult stehen Tea Barisic, Jonas Thomsen, Isabel Fisher und Emilia Blättel und stellen ihren Erste-Hilfe-Kasten für Fragen aller Art vor.
Neben der Box sind verschiedenfarbige Themenkarten aufgereiht, die großen Disketten nachempfunden sind. Werden diese in den Holzkasten gesteckt, fängt der KI-Assistent an zu sprechen: „Heute wird gekocht. Rezepte-Tipps, Küchentricks, was darf ich dir verraten?” Neben dem Thema Kochen gibt es auch noch Karten für die Bereiche Reisen, Onlinebanking, Telefon, Smartphone, Internet, Sport und Backen.
Die Gruppe wollte einen Prototyp entwerfen, mit dem man sprechen kann, der Vertrauen schafft und Ruhe ausstrahlt – ein physisches Objekt, das älteren Menschen hilft, ein möglicherweise aufkommendes Gefühl von Überforderung bei technischen Neuerungen zu überwinden.
Thomsen war für die Technik zuständig, er wollte durch das Projekt vor allem herausfinden, welches KI-Sprachmodell die besten und schnellsten Antworten liefert. Mehr als zehn Modelle probierte er aus, am Ende entschied er sich für die Meta-KI Llama 3. „Das Produkt ist praktisch fertig und voll einsatzfähig”, erzählt er. Zudem gebe es keine Datenschutzbedenken, da die KI lokal arbeitet und nicht etwa an eine Cloud angeschlossen ist.
„Man sollte vor KI keine Angst haben”, sagt seine Kollegin Barisic. „In vielen Fällen ist sie dazu da, zu helfen.” Die Gruppe möchte ältere Menschen dazu motivieren, mit KI in Kontakt zu kommen. „Ich wünsche mir so etwas für meine eigenen Großeltern”, sagt Blättel. „Ich fühle mich sicherer, wenn ich weiß, dass meine Angehörigen etwas zu Hause haben, das funktioniert.”
So geht es vielen Studierenden hier. Egal ob digitaler Faktenchecker oder Lernapp („DigiFit”), alle Projekte zielen darauf ab, den Seniorinnen und Senioren im Alltag zu helfen. So unterstützt der „Bürger Buddy“ zum Beispiel per KI-Assistent beim Ausfüllen von digitalen Formularen und die „Digi-Post“ erleichtert die tastaturfreie Kommunikation, indem sie handgeschriebene Briefe scannt und per Mail versendet.
Die Projektgruppe hat sogar Vermarktungsideen für die Zielgruppe entwickelt. | © LMU/Johanna Weber
Eines der zuletzt vorgestellten Projekte bekommt besonders viel Zuspruch. Lisa Deschler, Gaman Thach, Louis Zimmermann und Amy Grindau stellen den „SmartScan“ vor: einen Scanner mit haptischen Buttons, der komplizierte Dokumente scannt und anschließend verständlich erklärt, von der Gebrauchsanleitung bis zum Behördenbrief.
Die Gruppe hat sich auch schon Gedanken um die Vermarktung gemacht und ein Video gedreht, in dem der SmartScan per Teleshopping angepriesen wird, inklusive reduziertem Preisangebot und charmanten Hosts. Social-Media-Marketing würde bei der Zielgruppe nicht ankommen, erklären die Studierenden, deshalb das Video.
Die Reaktion aus dem Publikum erfolgt zugleich: „Gibt es das fertig zu kaufen?”, fragt eine ältere Frau.
Das sind sehr realitätsnahe Prototypen.Alexander Wiethoff, Professor am Institut für Informatik der LMU und Kursleiter „AI for All”
Dozent Wiethoff hofft, dass es bei dem ein oder anderen Prototyp tatsächlich dazu kommt. Technisch sei der Schritt zur Industrialisierung bei vielen Projekten gar nicht so herausfordernd, wie man denken würde, im Gegenteil, er sei greifbar nahe. „Das sind sehr realitätsnahe Prototypen”, sagt er. Für die nächsten Schritte bräuchte es natürlich Investments und Strategien, aber dafür würde es an der LMU gute Mittel und Anlaufstellen geben. „Wir motivieren die Studierenden auch durchaus, das zu tun”, sagt Wiethoff.
Seine Kollegin Bakhtiari würde es freuen. Die Digitale Hilfe sei dem Markt auch ein Stück weit ausgeliefert, erzählt sie, und die bislang erhältlichen Produkte seien nicht immer wirklich geeignet für die Zielgruppe. Die Studierenden hätten sich hingegen stundenlang mit den Menschen vor Ort unterhalten. Wie es scheint, mit Erfolg. Die Präsentationen haben Eindruck hinterlassen, der Seniorenbeirat der Stadt will alle Ideen zugeschickt bekommen. Damit bald noch mehr Menschen erfahren, was mit KI im Alter möglich ist.