News

Eine Farm neben dem Studium

25.02.2022

LMU-Informatikstudentin Barbara Böhm hat die Onlinesemester genutzt, um eine Farm in Ghana zu gründen. Sie setzt auf Nachhaltigkeit, soziale Fairness und die Zusammenarbeit mit klugen Köpfen vor Ort.

LMU-Informatikstudentin Barbara

"Schritt für Schritt" zum Ziel: Informatikstudentin Barbara Böhm auf ihrer Farm. | © privat

Als Informatikstudentin Barbara Böhm vor etwa einem Jahr beschloss, ein Stück Land in der Nähe der ghanaischen Stadt Cape Coast zu kaufen, war das auch eine Art Rückkehr zu ihren familiären Wurzeln. Die Mutter der 23-jährigen Münchnerin kommt aus Ghana und verbringt viel Zeit in ihrer alten Heimat. Barbara wuchs in Deutschland auf und besuchte mit 18 Jahren zum ersten Mal Ghana. Vielleicht hat es auch mit Erzählungen über ihren ghanaischen Opa zu tun, dass sie gerade auf die Idee kam, eine Farm aufzubauen, denn er betrieb Landwirtschaft und pflanzte Kakaobäume an. Doch vor allem ging es Barbara bei ihrem Projekt darum, sich sozial zu engagieren und zugleich eine Existenz für sich und ihre Mitarbeitenden in Ghana aufzubauen – mit einer Farm, die durch langfristige Arbeitsplätze, nachhaltige Landwirtschaft und regionale Lebensmittelproduktion auch für die Menschen in der Umgebung ein Gewinn ist. Insbesondere Frauen aus den umliegenden Dörfern will Barbara eine berufliche Perspektive verschaffen, sei es durch die Arbeit auf der Farm oder beim Verkauf der Produkte.

Vor einem Jahr ging es los mit der Farm, Barbara begann, Pläne zu schmieden. Ein guter Freund half vor Ort bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück und den ersten Angestellten. Schon zu Beginn der sommerlichen Regenzeit wurden Kokosnusspalmen angepflanzt und Okra, Wassermelonen und Mais wuchsen auf den Feldern. „Eine Lernphase “, sagt Barbara. „Die ersten Anpflanzungen waren vor allem zum Ausprobieren da und um erstes eigenes Saatgut zu gewinnen.“ Das wird in der nun bevorstehenden Saison zum Einsatz kommen.

Sich neben dem Studium von München aus um die Finanzierung des Projekts, das Management und die Buchhaltung zu kümmern, ist eine Herausforderung: „Gutes Zeitmanagement, eine Vertrauensperson vor Ort und viel Gespür für Kultur und regionale Besonderheiten sind da sehr wichtig.“ Dabei gilt es, die Arbeit für die Farm mit dem Studium und ihrem Nebenjob als Tennislehrerin zu vereinbaren. Barbaras Erfolgsrezept dabei: „Alles Schritt für Schritt.“ Und sie ist froh, dass ihre Mutter sie vor Ort tatkräftig unterstützt.

Wann immer es ihr Studium zulässt, fliegt Barbara für einige Wochen nach Ghana auf ihre Farm. Sie ist im fünften Semester, ihr Studium war daher stark durch die pandemiebedingten Einschränkungen geprägt. „Ich hatte kaum Kontakt zu Kommilitonen, kenne nur wenige persönlich.“ Allerdings hat es ihr die fehlende Präsenzlehre auch erleichtert, ihr Projekt in Ghana voranzutreiben. „Die Online-Vorlesungen haben mir da viel Freiraum und Flexibilität ermöglicht.“ So kann sie auch von Ghana aus an Lehrveranstaltungen teilnehmen oder die ein oder andere Vorlesung einfach abends nachhören, wenn der Betrieb sie tagsüber auf Trab hält.

Nachhaltigkeit und soziale Fairness

Um die Farm für die Zukunft gut aufzustellen, macht sich Barbara viele Gedanken über geeignete Strategien. Neben Pflanzen, die bewässert werden müssen und nur in der Regenzeit kultiviert werden können, möchte Barbara auch Arten anbauen, die gut mit Trockenheit zurechtkommen. Kokospalmen zum Beispiel: „Man muss sie nur in der Anfangsphase nach dem Pflanzen mit Wasser versorgen, aber danach kommen sie ohne Bewässerung aus“, sagt Barbara, wobei sie auch an den Klimawandel denkt. Denn auch in Ghana ist zunehmende Trockenheit ein Problem. Ein zusätzlicher Vorteil: Kokospalmen liefern ganzjährig Früchte, sodass man immer etwas ernten kann.

Inzwischen haben das ganze Jahr über etwa fünfzehn Mitarbeitende eine feste Anstellung auf Barbaras Farm, zur Haupterntesaison werden noch ein paar mehr Hände gebraucht. Neben Nachhaltigkeit ist Barbara soziale Fairness wichtig: Sie unterstützt ihre Arbeitskräfte über das Gehalt hinaus, indem sie teure Lebensmittel wie Reis und Öl verteilt. Außerdem hat sie für jeden Mitarbeiter ein Fahrrad gekauft, denn viele haben einen weiten Arbeitsweg. Jetzt ist sie dabei, Smartphones zu organisieren: „Ich finde es sehr wichtig, dass meine Angestellten Zugang zum Internet haben und ich mit allen persönlich in Kontakt sein kann.“ Da die Farm noch keine größeren Einnahmen erwirtschaftet, ermöglichen momentan Spenden aus ihrer GoFundMe-Kampagne diese Unterstützung ihrer Mitarbeiter.

Kluge Köpfe zusammenbringen

Wie vielseitig Barbara ist, zeigt auch die Wahl ihrer Studienfächer: Informatik mit dem Nebenfach SLK – Sprache, Literatur, Kultur – zu kombinieren, ist eher ungewöhnlich. „Mir ist aber aufgefallen, dass Linguistik und informatische Disziplinen wie Formale Sprachen und Natural Language Processing durchaus Gemeinsamkeiten haben.” In Zukunft möchte Barbara im Informatik-Bereich arbeiten, am liebsten in Ghanas Hauptstadt Accra, wo sich inzwischen große IT-Unternehmen angesiedelt haben und auch viele kleine Start-ups entstehen. Von der Landwirtschaft will sich Barbara aber nicht verabschieden, im Gegenteil: „Ich möchte viele kluge Köpfe in Ghana zusammenbringen und gemeinsam an Innovationen für die dortige Landwirtschaft arbeiten.“

Schon jetzt versucht Barbara, Studierende der Agrarwissenschaften der Uni in Cape Coast in das Projekt einzubinden, um noch mehr über den Anbau von tropischen Obst-, Gemüse- und Getreidesorten zu lernen. „Ich will traditionelle Anbaumethoden mit neuen, modernen und nachhaltigen Ideen verbinden“, sagt Barbara und möchte dabei möglichst viele junge Menschen und Frauen einbinden.

Die Farm soll sich langfristig selbst tragen, ihr soziales Engagement möchte Barbara gern noch ausweiten. „Naturgemäß läuft bei einem solchen Projekt nicht alles wie geplant, kleinere Schwierigkeiten wird es immer geben.“. Bisher habe sie aber sehr gute Erfahrungen in Ghana gemacht. „Das Land bietet viele Möglichkeiten, gemeinsam mit den Wissensträgern vor Ort und der richtigen Mischung von Tradition und Moderne wirtschaftlich erfolgreiche Unternehmen aufzubauen.“ So möchte Barbara mit ihrem Projekt auch zu mehr Eigenständigkeit der Menschen vor Ort und nachhaltiger Entwicklung beitragen.

Wonach suchen Sie?