ERC Synergy Grants: Großer Erfolg für LMU-Forschende
06.11.2025
Drei Forschende haben mit der LMU hochdotierte Synergy Grants des Europäischen Forschungsrats eingeworben. Die geförderten Projekte beschäftigen sich mit Nanomaschinen aus DNA, den Proteinfabriken der Zelle und der Physik von Wolken.
Der Physiker Professor Tim Liedl, der Biochemiker Professor Roland Beckmann und der Meteorologe Professor Fabian Hoffmann haben an der LMU in Kooperation mit internationalen Forschungsteams jeweils einen Synergy Grant eingeworben – eine der angesehensten Auszeichnungen des Europäischen Forschungsrats (ERC).
Mit den hochkompetitiven Synergy Grants fördert der ERC Projekte, die nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit von zwei bis vier Teams von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu bewältigen sind und zu „Fortschritten an der Grenze des Wissens“ führen. Die Fördersumme pro Projekt beträgt bis zu 14 Millionen Euro für eine Laufzeit von bis zu sechs Jahren.
Ich freue mich außerordentlich über den Erfolg unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die mit ERC Synergy Grants ausgezeichnet wurden. Dies ist eine eindrucksvolle Bestätigung der wissenschaftlichen Exzellenz unserer Forschenden und der innovativen Kraft unserer Universität.
Matthias Tschöp, Präsident der LMU
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Der Bau von Nanomaschinen, also winziger Geräte, die Atom für Atom aufgebaut werden, war lange Zeit Stoff für Science-Fiction-Geschichten. Der mit rund 9 Millionen Euro geförderte neue ERC Synergy Grant DNA4RENOMS (DNA for Reconfigurable Nano-Opto-Mechanical Systems), der an die Professoren Jeremy Baumberg (Universität Cambridge), Tim Liedl (LMU München) und Peer Fischer (Universität Heidelberg) vergeben wurde, soll dies nun Wirklichkeit werden lassen.
Moderne Technologien wie Smartphones, Projektoren, Beschleunigungssensoren oder medizinische Implantate basieren auf mikro- und nanoelektromechanischen Systemen (MEMS und NEMS). Dabei handelt es sich um mikroskopisch kleine Maschinen, die in Siliziumchips eingraviert sind und Bewegungen erfassen, Tinte ausstoßen oder Licht in optischen Geräten lenken können. Trotz ihres Erfolgs ist ihre Herstellung nach wie vor teuer und mit hohem Material- und Energieverbrauch verbunden. Zudem stößt ihre weitere Miniaturisierung mit herkömmlichen Produktionsmethoden an ihre Grenzen.
Das neue Projekt verfolgt daher einen radikal anderen Ansatz. Anstatt Silizium wie ein Steinmetz Schicht für Schicht abzutragen, wird das Team seine Nanomaschinen von der molekularen Ebene aus aufbauen. Die Forscher werden die selbstorganisierenden Eigenschaften der DNA nutzen – desselben Moleküls, das genetische Informationen kodiert –, um so rekonfigurierbare nano-opto-mechanische Systeme (NOMS) zu schaffen. Durch die Kombination dieser DNA-Gerüste mit optischer Steuerung will das Team Geräte bauen, die sich auf der Nanoskala bewegen, wahrnehmen und reagieren. „Im Wesentlichen werden wir DNA mit Lasern zupfen – und ihrem Knacken lauschen“, sagt LMU-Physiker Tim Liedl, Mitglied der Exzellenzcluster e-conversion und BiosysteM.
Diese optisch gesteuerten Nanomaschinen könnten die Grundlage für eine neue Klasse von Sensoren, mechanischen Verstärkern und sogar künstlichen Muskeln bilden. Sie könnten in der Medizin, Robotik und nachhaltigen Fertigung zum Einsatz kommen. Da DNA-Strukturen zerlegt und wieder aufgebaut werden können, verspricht dieser Ansatz auch ein neues Modell für atomar effiziente, recycelbare Nanotechnologie – ein entscheidender Schritt hin zu nachhaltigeren Materialien und Geräten. „Es geht nicht nur darum, etwas Kleines herzustellen”, sagt Liedl. „Es geht darum, eine völlig neue Art der Maschinenherstellung zu erfinden – eine, die die Natur selbst gutheißen würde.“ Der ERC Synergy Grant bietet langfristige Unterstützung für diese ehrgeizige Zusammenarbeit, die Fachwissen aus den Bereichen DNA-Assemblierung, optische Manipulation und Nanomechanik vereint.
Proteinfabriken der Zelle entschlüsseln
Roland Beckmann, Professor für Biochemie am Department Chemie/Genzentrum und Mitglied in den Exzellenzclustern NUCLEATE und BioSysteM, untersucht grundlegende Prozesse des Lebens. Sein besonderes Interesse gilt der Struktur und Funktion von Ribosomen, den Proteinfabriken der Zelle, und wie diese zentralen zellulären Maschinen Gesundheit und Krankheit beeinflussen.
Die Bildung neuer Ribosomen ist ein streng regulierter Prozess, der sich während der Evolution kaum verändert hat und für das Wachstum aller Lebewesen notwendig ist. Damit er korrekt abläuft, wirken Hunderte zellulärer Faktoren zusammen. Darunter sind auch sogenannte kleine nukleoläre Ribonukleoproteine (snoRNPs). Störungen oder Defekte der snoRNP-Expression sind beim Menschen mit Knochenmarkerkrankungen, Neurodegeneration und Krebs verbunden.
„Wir haben eine spezielle Klasse von snoRNPs entdeckt, die eine bisher unterschätzte Rolle beim Ribosomenaufbau spielt“, sagt Beckmann. Diese sogenannten assembly-promoting (ap-)snoRNPs besitzen einzigartige Komponenten, die jeweils bestimmte Schritte der Assemblierung steuern und deren Struktur und Funktionsweise bisher kaum bekannt sind. In seinem mit einer Summe von rund 10 Millionen Euro geförderten Konsortium snoOPERA (Beyond Modification: Defining Hidden Roles of snoRNPs in Ribosome Assembly) will Beckmann in Kooperation mit Professorin Brigitte Pertschy (Universität Graz), Dr. Antony Henras (French National Centre for Scientific Research CNRS, Paris) und Professorin Sara Woodson (Johns Hopkins University, USA) diese Lücke schließen. Die Forschenden werden verschiedene moderne Technologien integrieren, um ap-snoRNPs aus Hefe und Menschen zu charakterisieren.
Dabei sollen deren Bestandteile und 3D-Strukturen bestimmt, ihre biologischen Funktionen beschrieben und die physikalischen Mechanismen geklärt werden, durch die sie den Ribosomenaufbau unterstützen. „Mit unseren Ergebnissen wollen wir ganz neue Einblicke in die Rolle von snoRNPs beim Ribosomenaufbau eröffnen und dazu beitragen, deren Bedeutung für menschliche Gesundheit und Krankheit besser zu verstehen“, erklärt Beckmann.
Turbulente Wolken besser verstehen
Fabian Hoffmannist Professor für Atmosphärenwissenschaften am Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin. Bis September 2025 war er Leiter einer Emmy-Noether-Nachwuchsforschungsgruppe am Meteorologischen Institut der LMU. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Physik von Wolken in verschiedenen Maßstäben, unter anderem in Bezug auf Mikrophysik, Dynamik und die Rolle von Wolken im Klimasystem der Erde.
Veränderungen in der weltweiten Wolkendecke könnten dazu führen, dass sich der Klimawandel weiter verschärft. Das Ausmaß dieses Effekts ist aktuell jedoch noch sehr unklar. Der flächenmäßig dominierende Wolkentyp der Erde ist Stratocumulus. Diese tief liegenden, flachen und horizontal ausgedehnten Wolken bedecken ein Fünftel der Erdoberfläche. Eine der größten Herausforderungen in der Klimawissenschaft besteht darin, vorherzusagen, wie sich Wolken im Allgemeinen und Stratocumuli im Besonderen in einer sich erwärmenden Welt verändern werden.
Das mit einer Summe von 13,7 Millionen Euro über sechs Jahre geförderte ERC-Synergy-Projekt TurPhyCloud (The role of Turbulence in the Physics of Clouds) bringt Expertinnen und Experten aus der Experimental- und Theoretischen Physik sowie der Meteorologie zusammen, um die gesamte Bandbreite der Prozesse zu untersuchen, die die Bildung dieser Wolken beeinflussen. Neben Fabian Hoffmann sind Professor Eberhard Bodenschatz (MPI für Dynamik und Selbstorganisation), Professor Bernhard Mehling (Universität Göteborg) und Professor Pier Siebesma (Universität Delft) am Projekt beteiligt.
Das Team wird dazu extrem hochauflösende Messungen auf der finnischen Insel Utö durchführen, welche die gesamte Komplexität von Stratocumulus-Wolken erfassen – von Prozessen auf der Kilometer- bis hin zur Mikrometer-Skala. Daraus wollen die Forschenden statistische Modelle für turbulente Prozesse in der Wolkenphysik ableiten, die herkömmliche Simulationen in Bezug auf Genauigkeit und Auflösung übertreffen. „Unser Ziel ist es, ein neues Simulationsmodell zu entwickeln, das sich an den Ergebnissen der Feldkampagnen orientiert und durch diese validiert wird“, erklärt Hoffmann. Dieses Modell soll dann in Wetter- und Klimamodelle eingebettet werden. „Durch die Kombination einzigartiger Messungen mit realistischen Simulationen wird TurPhyCloud Klimaprognosen und Wettervorhersagen maßgeblich verbessern“, so der Meteorologe.