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Erforschen, wie Demokratien bestehen

03.11.2023

Politologe Alexander Wuttke untersucht, was liberale Gesellschaften gefährdet und stärkt. Um die Perspektive von Bürgerinnen und Bürgern zu erfassen, nutzt er auch digitale Daten und KI.

Alexander Wuttke steht vor mehreren von der Sonne beschienenen Bäumen

Professor Alexander Wuttke

nutzt für seine Forschung zu politischem Verhalten auch Künstliche Intelligenz. | © LC Productions

Warum wählen Bürgerinnen und Bürger Personen oder Parteien, die ihre Rechte untergraben? Das ist eine der Fragen, die Alexander Wuttke umtreiben. Der gebürtige Dortmunder ist seit Oktober 2022 Professor für Digitalisierung und Politisches Verhalten am Geschwister-Scholl-Institut (GSI) der LMU und untersucht, ob sich Menschen von der Politik abwenden und was sie von Politikerinnen und Politikern halten.

„Menschen sind der Idee von Demokratie nicht überdrüssig. Sie ist populär wie eh und je. Auf Demokratie als Gesellschaftsmodell können sich weltweit fast alle einigen. Aber die Praxis ist umstritten. Da gibt es Resignation und Eliten, die diese Stimmung anheizen und meinen, auch mit Systemkritik Wahlen gewinnen zu können“, sagt Alexander Wuttke.

Über einen Umweg zur Professur

Alexander Wuttke, der aus einer bildungsfernen Familie stammt, hat zunächst Wirtschaftswissenschaften studiert – wenig erfolgreich, wie er offen erzählt. „Es war eine der besten Entscheidungen in meinem Leben, dieses Studium an den Nagel zu hängen.“ Und das liegt an der Fächerwahl, die Alexander Wuttke anschließend traf: Er wechselte zu den Politik- und Sozialwissenschaften und ab da ging es schnell. Der Grund: „Das hat mich persönlich begeistert und ich habe gemerkt: Wenn man interessant und wichtig findet, was man lernt, ist man besser in dem, was man tut.“

Entscheidend für seine wissenschaftliche Karriere sei für ihn eine Erfahrung gewesen, die sein eigenes politisches Engagement betraf. Er warb an einem Infostand um Wählerstimmen, als er von einer wissenschaftlichen Untersuchung erfuhr, ob das überhaupt ein zielführendes Vorgehen ist, um potenzielle Wählerinnen und Wähler zu erreichen. „Das hat mir gezeigt, dass es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gibt, die das untersuchen, und dass es dafür überzeugende experimentelle Methoden gibt. In diesem Fall wurde herausgefunden, dass es effizienter wäre, von Haus zu Haus zu gehen. Es war für mich augenöffnend zu sehen, dass wir Traditionen und Überzeugungen hinterfragen müssen und dass es möglich ist, zu gesicherten Erkenntnissen zu kommen auf Fragen, die von praktischer Relevanz sein können.“

Seinen Bachelor absolvierte Alexander Wuttke an der Ruhr-Universität Bochum, den Master an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Das Promotionsstudium nahm er am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung an der Universität Mannheim auf. „Ein Glücksfall“, wie er rückblickend sagt, weil ihm das viele Möglichkeiten eröffnet hat. Das Renommee der Hochschule, an der er sich auch Survey-Methoden widmete, erlaubte ihm unter anderem Auslandsaufenthalte in Montreal und Aarhus. Im Jahr 2020 wurde er mit einer Arbeit promoviert, in der er untersuchte, warum sich manche politisch engagieren und andere nicht. Als Postdoc blieb er in Mannheim und nahm parallel eine Forschungstätigkeit an der University of Oslo auf im Rahmen des Projekts „When will citizens defend democracy?“.

Fachübergreifendes Netzwerk an der LMU

Alexander Wuttke ist nicht nur mit seinen Forschungsthemen nah dran am aktuellen Geschehen. Auch bei seinen Methoden setzt er auf neue Entwicklungen. So ergänzt er die traditionelle Surveybefragung mit digitalen Daten und untersucht den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI), wofür er momentan mit Kollegen aus Statistik und Computerlinguistik zusammenarbeitet. „KI eröffnet ganz neue Möglichkeiten, den bisher bestehenden Trade-off zwischen quantitativen und qualitativen Umfragen aufzulösen.“

„Die LMU ist eines der Zentren in Deutschland zur Forschung in KI und einzigartig, weil hier Grundlagenforschung stattfindet und es auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie mich gibt, die KI in ihrer Forschung zur Anwendung bringen.“ Er erinnert sich an ein fachübergreifendes Treffen zu Künstlicher Intelligenz, an dem 50 LMU-Professorinnen und -Professoren teilgenommen haben, und schwärmt von dem großen interdisziplinären Netzwerk und den Synergieeffekten, die dieses birgt und die er als „große Chance“ erlebt.

Alexander Wuttke motiviert, „wissenschaftlich-analytisch etwas zu tun, um die Demokratie zu stärken. Demokratie scheint uns selbstverständlich, so wie Strom aus der Steckdose kommt. Aber die Erfolge von Politikern wie Trump und Orbán zeigen, dass sie eben nicht selbstverständlich ist.“ Die LMU sei der richtige Ort, um in der Forschung zu diesem Themenfeld beizutragen: „Nach dem Zweiten Weltkrieg hat sich in Deutschland die Politikwissenschaft mit dem Anspruch etabliert, als Wissenschaft zur Demokratie beizutragen. In dieser Tradition sehe ich mich mit meiner Forschung. Sie ist am Geschwister-Scholl-Institut, das diese Mission in seinem Namen trägt, gut angesiedelt.“

Mehr zur Forschung von Prof. Wuttke:

Alexander Wuttke: Website and publications

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