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Funktion prägt Architektur

16.06.2020

Die Architektur der Photosysteme ist laut LMU-Forschern entscheidend für die Leistungsfähigkeit der so wichtigen Photosynthese bei Pflanzen.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Thylakoiden.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Thylakoiden - jeder Kreis ist ein Hochhaus von oben gesehen. | © Wanner / LMU

Die Photosynthese ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde, sie liefert Energie, die Biosysteme und Organismen brauchen. Pflanzen nehmen dafür Sonnenlicht über sogenannte Photosysteme auf, sie besitzen zwei verschiedene Varianten dieser molekularen Sonnenkollektoren: die Photosysteme I und II. Zentrale Bausteine dieser Systeme wiederum sind Membranen, die einen wässrigen Raum umhüllen, in Pflanzen, Algen oder Cyanobakterien sind dies die Chlorophyll-haltigen Thylakoidmembranen. Sie liegen in den Photosystemen I und II jeweils in einzigartigen Architekturen vor und können dadurch jeweils Licht einer bestimmten Wellenlänge besonders effektiv einsammeln.

Bei der Photosynthese müssen zwischen beiden molekularen Apparaten Elektronen transportiert werden. Biologen der LMU um Dario Leister haben zusammen mit einem internationalen Team nun herausgefunden, dass bei dieser Aufgabe vor allem ein kleines Kupferprotein namens Plastocyanin limitierend sein kann, und dabei auch entdeckt, dass für dessen Leistungsfähigkeit die konkrete Architektur der Photosyteme entscheidend ist. „Die Funktion prägt die Architektur“, sagt Leister.

Der Professor am Lehrstuhl für Molekularbiologie der Pflanzen verweist damit auf die besondere Geometrie der sogenannten Thylakoidmembranen, in denen die Lichtreaktion der Photosynthese stattfindet. Das Photosystem II befindet sich in einer Art von Hochhäusern, also gestapelten Thylakoiden, so Leister. Dazwischen lägen Straßen, die die Hochhäuser verbinden, gebildet aus ungestapelten, flachen Thylakoiden. Auf den Verbindungstraßen ist auch das Photosystem I zu finden. Damit Elektronen von Photosystem II zu I kommen können, brauche man Kuriere, also bewegliche Elektronentransporter, um in der Analogie zu bleiben. In Pflanzen übernehmen zwei Moleküle diese Aufgabe, Plastoquinon und Plastocyanin. Das internationale Team konnte nun klären, dass Plastocyanin am wichtigsten für den Transport ist. Zudem ergaben die Experimente, dass das Protein dann am leistungsfähigsten ist, wenn die gestapelten Thylakoid-Membranen, also die Hochhäuser, wie Leister sie nennt, nicht zu hoch werden und eine gewisse Ausdehnung nicht überschreiten. „Sonst kann der Kurier nicht mehr effektiv arbeiten“, sagt Leister.

Bildlich gesprochen hängen also die Leistungsfähigkeit des Kuriers von der Architektur der Photosysteme ab. In den Hochhäusern und Straßen herrsche nun mal „viel Gedränge“. Sowohl die Membranen selbst wie auch der wässrige Innenraum der Pflanzen sind auch mit vielen anderen Molekülen durchsetzt. „Das schränkt die Beweglichkeit der Kuriere erheblich ein“, erklärt Leister.

Frühere Arbeiten von Leister zeigten bereits, dass die Architektur der Photosysteme zentral für die Effizienz der Photosynthese bei verschiedenen Lichtverhältnissen ist. „Um auch bei niedrigen Lichtbedingungen Photosynthese effizient betreiben zu können, muss man offensichtlich Thylakoidmembranen zu Hochhäusern stapeln, die gibt es nur bei Landpflanzen“, sagt Leister. „Um den Kurieren die Arbeit leichter zu machen, dürfen die Hochhäuser nicht zu breit werden. Fertig ist die Architektur, die bei allen Pflanzen weitgehend gleich ist.“

Leister sieht durchaus Möglichkeiten, dieses von der Natur so entwickelte System zu optimieren. Die Schwächen liegen in der Reichweite des Kuriers Plastocyanin. „Es gibt auch andere theoretische Lösungen, die die Natur in der Evolution bislang nicht ausprobiert hat, diese müssen nicht unbedingt schlechter sein“, sagt Leister. „Sie zu testen ist unser Ansatzpunkt für synthetische Biologie.“PNAS, 2020.

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