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Gib Mobbing keine Chance

09.11.2015

LMU-Psychologin Mechthild Schäfer klärt Kinder mit einem Buch darüber auf, wie sie fieses Fertigmachen erkennen und gegensteuern können.

„Linus sucht aufgeregt seine Brille und findet sie nicht. Die anderen Kinder ahnen, wo die Brille ist. In der Toilette.“ Die Szene beschreibt Mechthild Schäfer, Leiterin des Studiengangs Schulpsychologie an der LMU, in einem neuen Sachbuch, das Grundschüler über Mobbing aufklärt und das sie gemeinsam mit dem Juristen Klaus Starch verfasst hat. „Das Buch richtet sich an Acht- bis Zehnjährige, ab diesem Alter sind Kinder in der Lage, die Gruppendynamik bei Mobbing zu verstehen“, sagt Schäfer.

Mobbing ist nie die Tat eines Einzelnen. Damit es funktioniert, braucht der Täter andere, die ihn unterstützen und bestärken. Die Mobbingforschung unterscheidet dabei die Rolle der Assistenten und die der Verstärker, die auf der Seite des Mobbers stehen und seine Aktionen mitmachen oder zumindest gutheißen. Pauline heißt die Mobberin in dem Kinderbuch von Mechthild Schäfer. Sie hat die Brille von Linus nicht selbst ins Klo geschmissen, sondern ein anderes Mädchen, Eva, dazu angestiftet. Eva hat mitgemacht, um zu Paulines Clique dazuzugehören.

„Mobbing kann nur über die Gruppe gelöst werden. Wenn viele in der Klasse dagegen sind, ändert sich etwas“, sagt Mechthild Schäfer. Die Psychologin und ihr Team befragen regelmäßig Schüler, ob es in ihrer Klasse Mobbing gibt und welche Kinder welche Rollen in der Gruppe inne haben. „Die Ergebnisse zeigen immer wieder, dass alle Schüler einer Klasse ein klares Bewusstsein über die Rollenverteilung haben.“ Etwa drei bis vier Prozent der Schülerinnen und Schüler geben an, dass sie mindestens ein Mal wöchentlich gemobbt werden. Bezogen auf die ganze Schullaufbahn, ist jedes zehnte Kind von Mobbing betroffen. „Aber es sind eben nicht nur Opfer und Täter, sondern die ganze Klasse ist involviert, wenn Mobbing stattfindet“, sagt Schäfer.

Klare Regeln und Sanktionen

„Hör auf, lass ihn in Ruhe, das ist gemein!“ Im Kinder-Anti-Mobbing-Buch hat Anja die Rolle der Verteidigerin inne. Sie schafft es, Außenstehende zu mobilisieren und gemeinsam dem Mitschüler, den sich der Mobber als Opfer ausgewählt hat, zu helfen. In einem Viertel der Mobbingvorfälle tut die Klasse von sich aus etwas dagegen und ist damit in drei von vier Fällen erfolgreich, zeigen umfangreiche Evaluationsstudien zu Präventions- und Interventionsprogrammen.

Damit Mobbing keine Chance hat, brauchen Schüler klare Regeln, wie sie miteinander umgehen. „Es ist wichtig, dass eine große Gruppe das moralische Gefüge hochhält. Wenn Anti-Mobbing-Regeln von der Klasse geschützt werden, schauen auch alle hin, wenn jemand dagegen verstößt“, sagt Schäfer.

In ihrem Kinderbuch nimmt der Klassenlehrer den Mobber zur Seite: Wenn dieser sich nicht an die Klassenregeln hält, darf er nicht zum nächsten Ausflug mitkommen. „Nur klare Positionen, die das Opfer direkt unterstützen, und eindeutige Sanktionen führen dazu, dass das Mobbing abnimmt“, sagt Schäfer. Die Aufgabe der Lehrer ist es, sich konsistent zu verhalten und die Klasse zu unterstützen.

„Mobbing ergibt sich aus der Logik des Schulsystems. Es ist hierarchisch, man muss hingehen und ist über mehrere Stunden mit derselben Gruppe zusammen. Da entsteht unweigerlich eine Gruppendynamik“, sagt Schäfer. Damit diese nicht in die falsche Richtung geht, müsse man an den Ressourcen der Kinder ansetzen, „sie haben davon eine Menge“. Die Psychologin erarbeitet zurzeit mit Lehramtsstudierenden Online-Tools, um Lehrern und Kindern auch mithilfe des Internets Mobbing begreifbar zu machen. Wie bei dem Anti-Mobbing-Buch steht dahinter der Gedanke der Prävention, „damit Kinder für die Manipulationen von Mobbern gar nicht erst empfänglich sind.“

Mechthild Schäfer, Klaus Starch: Das Anti-Mobbing-Buch, Carlsen Verlag 2015, Reihe Pixi Wissen Band 91, 1,99 Euro

Mehr zum Thema: Herrschaft der Willkür (In: Einsichten 1/2013, S. 34) Nette Mobber (vom 19.2.2013) Lernen wie die anderen (vom 19.2.2013) Kleine Peiniger (vom 11.3.2008)

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