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Green Office: Für mehr Nachhaltigkeit in den Naturwissenschaften

05.05.2025

Molekularbiologie-Studentin Stella Chroni engagiert sich im Green Office auf dem Campus Martinsried – für nachhaltige Laborpraktiken und ein stärkeres Bewusstsein bei Forschenden und Studierenden.

Wenn Stella Chroni im Labor experimentiert, ist sie oft verblüfft darüber, wie viel Plastik, Wasser und Energie sie und andere Forschende verbrauchen. „Unzählige Pipettenspitzen landen nach nur einmaligem Gebrauch im Müll, und im Laboralltag wird extrem viel Energie verschwendet“, erzählt die Masterstudentin der Molekular- und Zellbiologie an der LMU. Um etwas zu verändern, leitet Chroni heute das Green Office auf dem Campus Martinsried und unterstützt Labore dabei, nachhaltiger zu arbeiten. „Ich wollte Bewusstsein schaffen und etwas verbessern – und bei mir selbst anfangen.“

Stella Chroni im Biomedizinischen Zentrum

Stella Chroni betreibt das Green Office - die Anlaufstelle für Nachhaltigkeit und Klimaschutz am Campus Martinsried

Ursprünglich aus Griechenland, kam Stella Chroni zunächst für ein Erasmus-Praktikum in Heidelberg nach Deutschland und kehrte später für ihr Masterstudium an der LMU zurück. Seit September 2024 leitet sie das Green Office – eine gemeinsame Initiative der Stabsstelle Sicherheit, Gesundheit und Nachhaltigkeit der LMU, der Fakultät für Biologie und des Biomedizinischen Centrums (BMC). Das Green Office versteht sich dabei als Anlaufstelle für Nachhaltigkeit und Klimaschutz auf dem Campus Martinsried. „Wir sammeln und geben Tipps für nachhaltiges Arbeiten im Labor, unterstützen Forschungsteams bei der Umsetzung und arbeiten eng mit Studierenden, Mitarbeitenden, Forschenden und grünen Initiativen anderer Universitäten zusammen“, erklärt Chroni.

Nachhaltigkeit – von der Pipette bis zum Strom

Eines der wichtigsten Projekte des Green Office ist die Koordination des Zertifikationsprogramms „My Green Lab“. Von einer US-amerikanischen Non-Profit-Organisation entwickelt, hilft es Forschungslaboren dabei, ihren ökologischen Fußabdruck zu verringern – durch Verbesserungen beim Plastik- und Wasserverbrauch, der Energieeffizienz, der Materialbeschaffung und vielem mehr. Bisher haben 15 Arbeitsgruppen am Biocenter und dem BMC teilgenommen – nur ein kleiner Teil der vielen Labore auf dem Campus. Um die Zahl zu erhöhen, ist Aufklärung entscheidend: „Je mehr über das Programm bekannt ist, desto eher machen die Menschen mit“, sagt Chroni.

Selbst kleine Veränderungen könnten im Laboralltag viel bewirken. Ultratiefkühlschränke zum Beispiel laufen normalerweise bei -80 °C. „Schon eine Erhöhung der Temperatur auf -70 °C kann den Energieverbrauch deutlich senken – ohne die Proben zu gefährden“, so Chroni. Auch die sterilen Luftstromkabinen für Zellkulturen verbrauchen erstaunlich viel Strom. „Viele benötigen so viel Energie wie drei Haushalte am Tag“, sagt sie. Und oft laufen sie auch dann weiter, wenn sie gar nicht benutzt werden.“ Auch Autoklaven – Hochdruckdampfgeräte zur Sterilisation von Labormaterial – erfordern große Mengen an Energie und Wasser.

Ein weiteres Problem ist der in Laboren anfallende Plastikmüll. „Gerade in der Molekularbiologie sind viele Einwegartikel aus Plastik nötig, wie Pipettenspitzen und Mikroröhrchen, etwa für Proben“, erklärt Chroni. „Wir arbeiten mit sehr kleinen Probenmengen, brauchen also auch sehr kleine Gefäße – die in der Regel nur einmal verwendet werden können.“ Chemielabore dagegen arbeiteten oft mit größeren Mengen an Flüssigkeiten und Chemikalien. „Das erlaubt es ihnen, wiederverwendbare Glasgefäße wie Messbecher und Kolben einzusetzen – was für viele Anwendungen in der Biologie, die sterile Bedingungen erfordern, nicht praktikabel ist“, so Chroni. Gerade Zellkulturen erforderten besonders steriles Einwegmaterial.

Weniger Plastik im Labor

Doch vieles hat sich bereits geändert. „Manche Labore befüllen zum Beispiel die Boxen für Pipettenspitzen wieder, anstatt neue zu bestellen“, berichtet Chroni. „Und es wird diskutiert, ob bestimmte Pipettenspitzen gereinigt und wiederverwendet werden können, ohne Kompromisse bei Sicherheit und Kontaminationsschutz zu machen.“ Auch beim Recycling lasse sich ein positiver Wandel beobachten. „Immer mehr Teams trennen Papier und Plastik, Handschuhe und Tücher und nutzen Rücknahmeprogramme für bestimmte Kunststoffarten wie PET-Flaschen.“

Ein wichtiger Partner des Green Office ist die interne „Green Lab Initiative“ am BMC – eine selbst organisierte Gruppe von Forschenden, die sich regelmäßig trifft, um nachhaltige Praktiken im Laboralltag zu diskutieren und umzusetzen. „Solches ‚Engagement von unten‘ ist unglaublich wertvoll“, sagt Chroni. „Es schafft einen Raum, in dem Menschen aus unterschiedlichen Karrierephasen – von Promovierenden bis zu Professorinnen und Professoren – gemeinsam Ideen und Lösungen entwickeln.“

Das Engagement im Green Office fügt sich gut in Stella Chronis persönlichen Lebensstil ein. „Ich selbst esse zum Beispiel wenig Fleisch und gehe meistens zu Fuß zur Uni“, erzählt sie. „Bevor ich etwas kaufe, überlege ich, ob ich es wirklich brauche. Ich versuche, Dinge wiederzuverwenden – und recycle natürlich.“ Im Labor sei umweltbewusstes Handeln oft schwieriger als zu Hause: „Wegen der Sicherheitsvorgaben müssen sich Forschende beim Experimentieren ohnehin schon an viele Regeln halten – dann noch an die Nachhaltigkeit zu denken, kann einen schonmal überwältigen“, so Chroni. „Gerade deshalb ist eine institutionelle Unterstützung und klare Orientierung so wichtig.“

Zwischen Ideal und Alltagstauglichkeit

Auch von immer mehr Forschungsförderern wird Nachhaltigkeit mittlerweile eingefordert. „Sowohl die EU als auch die DFG erwarten in Förderanträgen zunehmend, dass ökologische Aspekte berücksichtigt werden“, sagt Chroni. „Das zeigt, dass Nachhaltigkeit in der Wissenschaft nicht mehr nur Privatsache ist, sondern zur strukturellen Anforderung wird.“ In manchen historischen Gebäuden der LMU geraten Nachhaltigkeitsmaßnahmen mit den Anforderungen des Denkmalschutzes in Konflikt, so Chroni: „Viele Uni-Gebäude sind wunderschön, aber energetisch schwer zu sanieren. Da prallen Nachhaltigkeitsziele und der Schutz des kulturellen Erbes aufeinander.“

Auch privat pflegt Stella Chroni einen nachhaltigen Lebensstil: Sie isst wenig Fleisch, geht meistens zu Fuß zur Uni und recycelt, wo es möglich ist.

Die Herausforderungen in den Naturwissenschaften unterschieden sich zudem stark von denen in den Geisteswissenschaften, wo deutlich weniger Ressourcen verbraucht werden. „In Fächern wie Geschichte, Philosophie oder Literatur wird hauptsächlich mit Büchern, Archiven und digitalen Quellen gearbeitet – nicht mit energieintensiven Geräten und Einwegmaterialien“, sagt Chroni. Hier gehe es vor allem darum, Papier zu sparen, digitale Bibliotheken auszubauen und Dienstreisen zu reduzieren.

Für die Zukunft wünscht sich Stella Chroni, dass das Green Office weiterwächst – sowohl an Personal als auch an Sichtbarkeit. Zugleich erhofft sie sich ähnliche Einrichtungen in anderen Fachbereichen, mehr Veranstaltungen für Studierende und eine stärkere Vernetzung mit den Umweltinitiativen anderer Hochschulen. „Eine Idee, die schon im Raum steht, ist eine gemeinsame Nachhaltigkeitsmesse. Ein Instagram-Kanal, den sie kürzlich eingerichtet hat, soll mehr Studierende und Forschende der LMU erreichen und für nachhaltiges Arbeiten im Labor sensibilisieren. Mit bunten Illustrationen zeigt Chroni dort zum Beispiel, wie Zentrifugen, Heizplatten und andere Laborgeräte im Standby-Betrieb unnötig Strom verbrauchen.

Klimafreundlich essen mit dem KlimaTeller

Auch Tipps für den Alltag finden sich auf dem Kanal – vom empfohlenen Mehrwegbecher für den Kaffee über Zurückhaltung beim Drucken bis hin zur Wahl vegetarischer Gerichte in der Mensa. „Es ist hilfreich, dass Mensen und Cafeterien rund um München inzwischen kennzeichnen, welchen CO₂- und Wasserverbrauch ihre Gerichte verursachen“, so Chroni. Besonders klimafreundliche Speisen sind als „KlimaTeller“ markiert.

Für Stella Chroni ist das Green Office mehr als nur ein Job. Einerseits gibt es ihr das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, andererseits aber auch eine mögliche Zukunftsperspektive. „Ich habe viel darüber gelernt, wie man plant, koordiniert und kommuniziert. Und auch wenn ich die Laborarbeit liebe, kann ich mir vorstellen, später als Nachhaltigkeitsmanagerin zu arbeiten“, sagt sie. „Es geht darum, Schritt für Schritt achtsamer zu werden – und irgendwo anzufangen.“

Die LMU unterstützt die Etablierung von Green Offices an weiteren Standorten. Weiterführende Informationen stellt das Sustainability Office zur Verfügung.

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