News

Groß angelegte Panelstudie für sozialwissenschaftliche Umweltforschung

21.03.2024

Auftakt für das neue Langfristprojekt GLEN: Die erste deutsche Längsschnittstudie für die sozialwissenschaftliche Umwelt- und Klimaforschung startet im April 2024.

Was fördert die Akzeptanz umweltpolitischer Initiativen und den Protest für oder gegen Klimapolitik? Das ist nur eine der Fragen, über die die Panelstudie GLEN Aufschluss geben soll. Klimaprotest in München, März 2023.

© Lorenz Mehrlich / SZ-Photo / picture alliance

Der Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft hin zu mehr ökologischer Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität stellt Politik, Wirtschaft und Bevölkerung vor große Herausforderungen. Doch wie denken die Menschen darüber? Ein neues Langfristvorhaben soll Antworten auf solche zentralen gesellschaftlichen Fragen liefern: Welche Faktoren verändern Umwelteinstellungen und -verhalten? Welche Dynamiken stehen hinter der Akzeptanz umweltpolitischer Initiativen und dem Protest für oder gegen Klimapolitik? Welchen Einfluss haben Maßnahmen der Klimapolitik auf die CO2-Emissionen von Haushalten? Welche sozialen Gruppen werden dadurch besonders belastet? Welche sozialen Konsequenzen ergeben sich durch umweltpolitische Maßnahmen oder deren Unterlassung? Welchen Einfluss auf das Umweltbewusstsein und -handeln haben Umweltbedingungen am Wohnort, etwa Lärmbelastung und Luftverschmutzung, aber auch Verfügbarkeit von Verkehrsinfrastruktur und Grünflächen? Gibt es strukturelle Bedingungen, die klimafreundliches Handeln ermöglichen, und welche Rolle spielen dabei Unterschiede in soziodemographischen Merkmalen?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der LMU, der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) und der Universität Leipzig starten jetzt gemeinsam die erste Längsschnittstudie zum Thema in Deutschland und schaffen damit eine neue Datengrundlage für die sozialwissenschaftliche Umwelt- und Klimaforschung. Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Langzeitprojekt wird Daten für eine Vielzahl an Forschungsfragen aller sozialwissenschaftlichen Disziplinen liefern. Gefördert wird die „German Longitudinal Environmental Study“ (GLEN) zunächst für drei Jahre mit einer Fördersumme von knapp sechs Millionen Euro. Über die gesamte Laufzeit von zwölf Jahren ist ein Volumen von rund 20 Millionen Euro vorgesehen.

Qualitativ hochwertige Längsschnittdaten

„Nur mit guten Daten sind die Sozialwissenschaften in der Lage, zentrale Impulse für Klimawissenschaften durch ein besseres Verständnis menschlicher Verhaltensweisen zu setzen“, erklärt Prof. Dr. Katrin Auspurg, Projektleiterin an der LMU. „Für viele Fragen sind neben Makrodaten zu Umverteilungseffekten vor allem Trend- und Paneldaten zu Einstellungen und Verhalten der Bevölkerung wichtig.“

Nur mit der Befragung derselben Personen über einen längeren Zeitraum hinweg lässt sich abschätzen, wie sich Ungleichheiten, Umweltbewusstsein oder -handeln, mögliche Polarisierungen und das Protestverhalten in der Bevölkerung über die Zeit hinweg verändern. „Ohne die Perspektive auf den Menschen wird es kaum möglich sein, die Erfolgsaussichten, die sozialen Folgen und die Verteilungswirkung von Klimaschutz und Umweltpolitik abzusehen“, äußert sich Prof. Dr. Henning Best, Projektleiter an der RPTU.

Entscheidend für die Beantwortung der genannten und zahlreicher weiterer Forschungsfragen sind die Qualität der Daten und innovativen Methoden. „Der Ruf nach hochwertigen Individualdaten ist laut in der sozialwissenschaftlichen Umweltforschung“, sagt Dr. Christiane Bozoyan, die zu den Projektleiterinnen am Standort München gehört und gleichzeitig die Studie koordiniert.

GLEN ist eine auf zwölf Jahre angelegte, halbjährlich stattfindende Befragung der in Deutschland lebenden Bevölkerung ab 18 Jahren mit einer Ausgangsstichprobe von über 20.000 Personen. Das umfassende Frageprogramm wird mit experimentellen Methoden kombiniert und mit Regionaldaten angereichert. Weiter wird mit den GLEN+ Studien für lokale Akteure wie Gemeinden und Regionen die Möglichkeit geschaffen, die GLEN-Daten mit einer eigenen Stichprobe zu ergänzen und so mit einer deutschlandweiten Benchmark zu vergleichen. Daneben sind Kooperationen mit Partnern aus Wissenschaft oder Verwaltung vorgesehen, die einen experimentellen Schwerpunkt setzen.

Alle mit den GLEN-Daten produzieren Ergebnisse bilden schließlich die Grundlage für eine evidenzbasierte Politikberatung. „Mit GLEN und den GLEN+ Projekten wird eine umfassende und kritische wissenschaftliche Evaluation vieler politischer Maßnahmen möglich sein. Insbesondere wird das Panel Antworten auf die Frage geben, welchen Einfluss Maßnahmen der Klimapolitik auf die CO2-Emissionen von Haushalten haben und welche sozialen Gruppen dadurch besonders belastet werden.“, erklärt Prof. Dr. Andreas Diekmann, Projektleiter an der Universität Leipzig.

Arbeits- und Forschungsschwerpunkte der drei Projektstandorte

An der RPTU Kaiserslautern ist Prof. Dr. Henning Best der verantwortliche Projektleiter. Die Kaiserslauterer Arbeitsgruppe ist schwerpunktmäßig für die Regionalisierung der Datensätze verantwortlich und betreibt das Safe Data Center, in dem sensible Daten sicher und datenschutzkonform durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler genutzt werden können. Inhaltlich hat das Team der RPTU einen Schwerpunkt auf Forschung zu Klimaskeptizismus und politischem Protest sowie zur räumlich und sozial ungleichen Verteilung von Umweltbelastungen und Klimawandelfolgen.

Das Team an der LMU stellt drei Projektleiterinnen: Prof. Dr. Katrin Auspurg ist für die Forschung zur Akzeptanz umwelt- und klimapolitischer Maßnahmen und für die methodische Begleitung von Experimenten verantwortlich, mit denen beispielsweise die Akzeptanz von CO2-Steuern in Abhängigkeit von der konkreten Umsetzung und Entlastung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen untersucht werden soll. Dr. Christiane Bozoyan und Dr. Claudia Schmiedeberg leiten und koordinieren das Forschungsdatenzentrum mit dem operativen Team, das die Erhebung und Aufbereitung der Daten umsetzt. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt unter anderem auf umweltbezogenen Einstellungen und ihren Veränderungen im Lebensverlauf sowie auf Zusammenhängen von Umwelt und Gesundheit.

Prof. Dr. Andreas Diekmann leitet das Projekt an der Universität Leipzig. Der Aufgabenschwerpunkt dort ist die Erstellung eines CO2-Fußabdrucks der befragten Personen sowie die Erforschung individueller und struktureller Einflussfaktoren auf die Treibhausgasemissionen der Menschen.

Mit Hilfe eines interdisziplinären wissenschaftlichen Beirates sollen Perspektiven aus Soziologie, Ökonomie, Psychologie, Kommunikations- und Gesundheitswissenschaften sowie weiteren Sozialwissenschaften berücksichtigt werden. Regelmäßig wird es zudem für Wissenschaftler*innen außerhalb des GLEN-Teams die Möglichkeit geben, im Rahmen offener Module eigene Forschungsideen zu realisieren. „Mit dem geplanten Stichprobenumfang und dem breiten interdisziplinären Themenspektrum aus Verhalten und Einstellungen mit Bezug auf Umwelt und Klima wird unser Datenangebot weltweit einzigartig sein“, sagt Dr. Claudia Schmiedeberg, Projektleiterin und Koordinatorin des Projekts an der LMU. Mit dem Release der ersten Welle 2026 werden die Daten für die wissenschaftliche Fachöffentlichkeit freigegeben.

Wonach suchen Sie?