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Gründerinnen ins Rampenlicht

30.04.2021

Noch nie hatte der LMU EC Accelerator einen so hohen Anteil an Gründerinnen. Doch nach wie vor ist die Start-up-Szene für Frauen ein hartes Pflaster.

„So viele Gründerinnen hatten wir noch nie“, freut sich Anna Paulsteiner vom Entrepreneurship Center (EC) der LMU. „Das ist wirklich außergewöhnlich.“ Denn seit Gründung des LMU EC Accelerator, der jungen Start-ups bei der Verwirklichung ihrer Business-Idee zur Seite steht, hat es das laut Paulsteiner, die im operativen Management arbeitet, noch nie gegeben: Im vergangenen Batch waren unter den 17 Gründern und Gründerinnen neun Frauen.

Eine erstaunliche Zahl, insbesondere nach einem Blick in die deutsche Start-up-Szene. Laut Deutschem Startup Monitor wurden im Jahr 2020 lediglich 11 Prozent aller Start-ups von rein weiblichen Teams gegründet. 20 Prozent aller Gründungen entfielen auf gemischtgeschlechtliche Teams, während satte 69 Prozent durch rein männliche Teams erfolgten. Damit liegt die Frauenquote bei deutschen Start-ups aktuell bei 15,7%.

Die Zahl der Gründerinnen ist in acht Jahren nur um zwei Prozent gestiegen

Aber warum gründen so viel weniger Frauen als Männer? „Dafür gibt es vielfältige Gründe“, sagt Paulsteiner, „das fängt schon bei der Erziehung und Sozialisation an. So werden Jungs tendenziell zu mehr Risikobereitschaft, Mädchen hingegen zu Freundlichkeit und Fleiß erzogen. Risikobereitschaft ist aber ein zentraler Charakterzug für die Gründung eines Start-ups.“ Zudem würden die meisten Start-ups im Alter zwischen 30 und 40 Jahren gegründet – und fielen somit mit der Familienphase zusammen, in der Frauen immer noch den Hauptanteil der Kindererziehung und des Haushalts übernähmen.

Daran scheint sich bisher auch wenig zu ändern. „Die Zahl der Female Founders ist seit 2012 um nur ca. zwei Prozent gestiegen, von 13 Prozent auf knapp 16 Prozent“, sagt Paulsteiner. „Das ist also ziemlich wenig Wachstum für acht Jahre.“

Allerdings haben es Frauen mit einer bereits vorhandenen Gründungsidee auch bedeutend schwerer als ihre männlichen Kollegen. So bekommen von Frauen gegründete Start-ups deutlich weniger Investorengelder. „Das liegt daran, dass Frauen eher in den Bereichen Green Economy oder Social Entrepreneurship gründen und weniger in skalierbaren Hightech-Projekten“, erklärt Paulsteiner.

Die Gründerinnen des Batches 2020/2021 des LMU EC Accelerator

  1. Shireen Stengel

Cecilia Chiolerio und Dorothea Haider haben gemeinsam das Start-up „Twostay" gegründet. Ihre Idee: „Wir nutzen Locations, wie zum Beispiel Bars und Restaurants, die tagsüber leerstehen, als Co-Working-Spaces – nicht nur während Corona!“ Weil Twostay durch die Doppelnutzung einen nachhaltigen Charakter hat und auch das Leben im Stadtviertel stärkt, haben die beiden Gründerinnen gleich mal den Münchner Innovationspreis abgeräumt. Die Co-Working-Spaces können in jedem Viertel entstehen und flexibel genutzt werden. Vor allem Start-ups, Studenten und Freelancer frequentieren die Twostay Spaces. Aber in Coronazeiten auch immer mehr Eltern. Mittlerweile gibt es die Co-Working-Spaces in sieben verschiedenen Städten – weitere sollen hinzukommen.

Als Nachhaltigkeitsberaterin liegt Shireen Stengel der Bereich Klimaschutz und Ernährung besonders am Herzen. „Ich erkannte, wie schlecht es um die Situation in Kantinen steht: Die Qualität ist minderwertig, die Herkunft der Lebensmittel unklar und vegetarische/vegane geschweige denn Bio-Gerichte sind kaum erhältlich. Daraus entstand die Idee von Green Canteen.“ Das Start-up funktioniert als digitaler Wochenmarkt, auf dem Kantinen direkt bei kleinen Bio-Bauern und -Bäuerinnen aus der Region einkaufen können. „Dabei übernehmen wir die Abwicklung des gesamten Prozesses inklusive Logistik. Das spart zum einen Zeit und Geld bei den Kantinen und fördert zum anderen den Absatz nachhaltiger Landwirtschaft.“

Das Thema Cybersecurity wird immer wichtiger. Sogenannte Pentester werden daher von Unternehmen engagiert, um potenzielle Sicherheitslücken zu identifizieren und zu schließen. Gründerin Fabiola Munguia bietet mit ihrer Plattform „requestee“ Unternehmen individuelle Angebote von verifizierten ethischen Hackern und vermittelt so vertrauenswürdige Pentesting-Unternehmen.

Niao Wu kam die Idee für ihr Start-up „onyo“, als COVID-19 ausbrach und sie in ihrem Freundeskreis Klagen über Rückenschmerzen und unzulängliche Arbeitsbedingungen im Home-Office hörte. Mit ihrem Start-up möchte sie möglichst vielen ermöglichen, ihr Zuhause mit ergonomischer und hochqualitativer Büroausstattung einzurichten. „Wir machen das Home-Office gesünder, nachhaltiger und bezahlbarer, mit einem Finanzierungsmodell ähnlich wie das Firmenfahrzeug oder das Dienstfahrrad.“

Die ehemalige Unternehmensberaterin Annika Breu hat im Sommer 2020 ihr Start-up „OH MY! FANTASY“ gegründet – mit ihren Paar-Fantasien können Paare neue „Sexperiences“ zusammen erleben und so neue Seiten aneinander entdecken. „Der Bereich Sexual Wellness wächst sehr schnell, und es ist meine Mission, mit meinem Start-up female-centered Produkte zu schaffen. Unsere Sexperiences gehen das Tabu-Thema Sex und Lust in der Partnerschaft an und stellen insbesondere die weibliche Lust in den Vordergrund.“ Bild: © Julia Bombel

Gemeinsam mit Marcello Schreiber und Jacqueline-Amadea Pely (v.l.n.r) hat Dr. Desiree-Jessica Pely „Loyee.io" gegründet, eine Change-Engagement-Software, die jeden Mitarbeiter in den Fokus von Unternehmensveränderung stellt. Mit Behavioral Science und Tech hilft loyee.io den Unternehmen, ihre Veränderungsziele, wie z.B. die der Agilität, Digitalisierung, Diversität und Nachhaltigkeit, zu erreichen.

Jutta Merschen ist die Gründerin des Start-ups „FamilyPunk“, einem digitalen Coach für Eltern. Über eine Audio-Plattform vermittelt FamilyPunk Wissen und erprobte Strategien zu Kindererziehung und Elternsein. „Wir bieten Eltern kurze, knackige Audioinhalte, damit sie ihre Kinder großziehen können, ohne selbst dabei wahnsinnig zu werden.“

Dabei würde sich die Investition in ein von Frauen gegründetes Start-up lohnen. „Studien haben ergeben, dass Frauen aus Investitionen einen deutlich höheren Umsatz generieren als Männer.“ Trotzdem investierten Männer lieber in ihre Geschlechtsgenossen – und weibliche Kapitalgeber seien nach wie vor eher rar gesät.

Um mehr Gründungen von Frauen zu fördern, müsste laut Paulsteiner ein allgemeines, gesellschaftliches Umdenken stattfinden. „Außerdem bräuchte es neben guter Kinderbetreuung flexiblere Arbeitszeiten, um so Gründung und Familie besser vereinbaren zu können. Hilfreich sind zudem auch Frauennetzwerke. Da gibt es schon einige, wie etwa Businettes, WOMEN'S HUB, Women.start.up!, und solche Netzwerke nehmen in der Start-up-Szene auch immer mehr zu. Auch wir haben bereits ein Female Founder Meet-up organisiert und versuchen so, Gründerinnen aktiv zu unterstützen.“

Bei diesem Event wurde zum Beispiel ein Pitch-Training für Gründerinnen angeboten. „Zudem arbeiten wir an verschiedenen Initiativen und Content-Formaten, um gezielt mehr Frauen auf unser Angebot aufmerksam zu machen“, sagt Paulsteiner. „Unser Ziel ist es dabei, Frauen zu bestärken und zu unterstützen, ins Rampenlicht zu treten, um ihre eigenen Gründungsideen zu verwirklichen.“

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