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Institut für Chemische Epigenetik wird gebaut

11.06.2018

Die LMU erweitert ihren HighTechCampus in Großhadern/Martinsried um ein zentrales Element. Bis zum Jahr 2020 soll dort ein Neubau entstehen, in dem Forscher wichtige Mechanismen genetischer Steuerung untersuchen.

Architektonisch wird der Neubau seinem Nachbarn sehr ähneln, die Formensprache aber setzt eigene Akzente – so wie die Forschung in dem Gebäude ihre ganz eigene inhaltliche Fokussierung haben wird. Am nordwestlichen Eck des Campus Großhadern entsteht jetzt das Institut für Chemische Epigenetik (ICE-M). In dem Neubau werden vor allem Forschergruppen arbeiten, die mithilfe chemischer Methoden wichtige Fragen genetischer Steuerung untersuchen. Dabei wird die Entwicklung und Herstellung neuer Substanzen mit großem Anwendungspotenzial im Vordergrund stehen.

Die Analyse des sogenannten epigenetischen Codes und seiner chemischen Sprache, so sagt Thomas Carell, Professor für Organische Chemie und Beauftragter für den Neubau, sei ein Forschungsfeld mit großem Innovationspotenzial für die Chemie und die an die Chemie angrenzenden Lebenswissenschaften. Der Standort Martinsried-Großhadern gilt als eine der weltweit ersten Adressen für Naturwissenschaften – eine nahezu einmalige Ballung renommierter Wissenschaftseinrichtungen. Dieses Umfeld bietet eine herausragende Infrastruktur und damit beste Voraussetzungen für hochkarätige interdisziplinäre Forschung.

Rund 34 Millionen Euro zuzüglich der Erstausstattung wird der Bau des neuen Instituts für Chemische Epigenetik kosten. Der Freistaat Bayern übernimmt gut 20 Millionen Euro der Gesamtprojektkosten in Höhe von 39,6 Millionen Euro, der Bund beteiligt sich mit 19,4 Millionen Euro. Im Jahr 2020 soll das Gebäude bezugsfertig sein; am heutigen Montag ist die Grundsteinlegung im Beisein der Bayerischen Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Professor Marion Kiechle.

Grundsteinlegung des ICE-M: Elena Schirnding de Almeida vom Staatlichen Bauamt München 2, die Bayerische Wissenschaftministerin Professor Marion Kiechle, Professor Martin Wirsing, Vizepräsident für den Bereich Studium der LMU, Architekt Aslan Tschaidse von Fritsch&Tschaidse sowie Professor Thomas Carell, Baubeauftragter für das ICE-M (von links)

Zur Forschung am ICE-M Warum unterscheiden sich Nervenzellen von Haut- oder Muskelzellen, wenn doch alle Zellen eines Menschen mit der identischen kompletten DNA-Sequenz ausgestattet sind? Wie entstehen die unterschiedlichen Formen und Funktionen? Warum sehen sich eineiige Zwillinge oft nicht so ähnlich, wie man es angesichts des gleichen Erbguts erwarten könnte? Und warum sind sie auch sonst oft alles andere als ein perfektes Double? Nicht alle Gene sind in jeder Zelle aktiv; und in jeder Zelle gibt es eine Art Schaltplan, ein höheres Programm, das festlegt, welche dieser vielen genetischen Bauanleitungen die Zellmaschinerie nutzen kann. Dabei handelt es sich um ein äußerst dynamisches System, keinen starren Bauplan, wie er im eigentlichen Gencode festgeschrieben ist. Der Organismus kann damit sogar auch kurzfristig reagieren. Es ist gleichsam „die Sprache, in der das Erbgut mit der Umwelt kommuniziert“, wie Forscher sagen. Wer also wissen will, wie das System Mensch funktioniert, wer wissen will, wie ein Organismus sich entwickelt und arbeitet, wie er biologisch auf die Umwelt reagiert und was ihn anfällig und krank macht, der muss diesen Schaltplan, den sogenannten epigenetischen Code, lesen lernen.

Im neuen ICE-M werden LMU-Forscher vor allem die chemischen Prozesse im Zusammenhang mit dem epigenetischen Code untersuchen. Sie werden hierzu neue Detektionsreagenzien entwickeln und Moleküle entwerfen, mit denen sich der epigenetische Code von außen verändern lässt. So viel ist klar: Der Code besteht aus einem Muster chemischer Markierungen, zum Beispiel sogenannten Methyl-, Hydroxymethyl- oder Formylgruppen, die zusätzlich an der Erbsubstanz hängen. Wie kleine Fähnchen markieren sie einzelne Bausteine des DNA-Stranges. Sie signalisieren der Zellmaschinerie, welche Gene – meist nur vorübergehend – stillgelegt sind. Zusammengenommen bilden die Mini-Label ein komplexes Muster, das sich als eine Art genetischer Zusatzcode über die eigentliche Erbinformation legt, über den endlosen genetischen Text mit seinem Alphabet der vier Buchstaben A, C, G und T. Häufig sind für diesen Zusatzcode die Bausteine der DNA und der sehr ähnlichen RNA ganz massiv chemisch verändert. Während in der DNA bislang nur vier Basenvarianten gefunden wurden, beziffern die Forscher die Anzahl der modifizierten Basen in der RNA auf über 150. Nach Ansicht von Experten könnte es darüber hinaus noch weitere bis heute unbekannte Modifikationen geben. Die Forscher am ICE-M haben sich zum Ziel gesetzt, diese Varianten, die chemische Sprache der Veränderungen sozusagen und ihre Funktionen, zu entschlüsseln. Die Substanzen, die sie dafür entwickeln werden, haben ein enormes Anwendungspotenzial. Die Forschungsarbeiten in dem neuen Gebäude haben daher eine Brückenfunktion zwischen der Grundlagenforschung und der direkten Anwendung in der Medizin.

Zum Bau Das neue vierstöckige Gebäude wird über eine Hauptnutzfläche von über 3580 Quadratmeter verfügen. Es entsteht am nordwestlichen Ende des LMU-Campus Großhadern – neben seinem baulichen „Bruder“, dem BioSysM, das bereits 2016 eröffnet wurde, an der Ecke von Würmtal- und Butenandtstraße. Das ICE-M-Gebäude wird ebenfalls durch abgerundete Ecken charakterisiert sein. Die Fassade wird durch eine horizontal umlaufende Fensterbänderung gegliedert.

Die Vorentwurfsplanung stammt vom Staatlichen Bauamt München 2, die vom Architekturbüro Fritsch und Tschaidse, München, weiterentwickelt wurde.

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