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Kampf dem leeren Blatt

24.04.2015

Immer mehr Universitäten in Deutschland bieten eine Schreibberatung für Studierende an. Doch bringen Aktionen wie die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ oder Workshops zum wissenschaftlichen Schreiben wirklich etwas?

Um 21 Uhr sieht es im Lehrturm der LMU ein wenig so aus wie im Wohnzimmer einer großen WG: Ungefähr 30 Studierende drängen sich im Raum, Pizzaschachteln stehen auf den Tischen, dazwischen liegen Kekstüten und Trinkbecher. Nicht ins Bild passen die vielen Laptops, die vor allen Studenten auf dem Tisch stehen – und der konzentrierte Blick, mit dem sie auf ihre Bildschirme starren. Es ist die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“ an der LMU: Eine Schreibnacht für Studierende, die es nicht schaffen, ihre Hausarbeit rechtzeitig zu Ende zu schreiben.

Einer von ihnen ist Manuel Beck, der auf der Langen Nacht endlich seine Hausarbeit über den Weltklimarat schreiben möchte. Der Nordamerikanistikstudent ist bereits seit halb fünf Uhr da. Sein Ziel: Einfach endlich die letzten Seiten zu Papier bringen. „Dabei ist das Thema der Hausarbeit sehr spannend“, erzählt er. „Aber ich schaffe es Zuhause nicht, anzufangen.“ Denn dort lässt er sich zu leicht ablenken: Zimmer aufräumen, E-Mails checken und Wäsche waschen – alles erledigt Manuel lieber, als sich endlich an den Schreibtisch zu setzen. „Dazu kommt aber auch noch die Angst, seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden“, fügt Manuel hinzu. „Und im Bachelor zählt schließlich jede Note zum Abschluss.“

Die „Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten“, die es an anderen Universitäten schon länger gibt, findet zum ersten Mal an der LMU statt. Initiiert hat sie das Schreibzentrum der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften. Und das Interesse an der Aktion ist riesig: 300 Studierende haben sich für die Veranstaltung angemeldet. Die Organisatoren haben mit so viel Andrang nicht gerechnet und mussten kurzfristig sogar weitere Hörsäle dazubuchen.

Die Idee hinter dem Projekt: eine Nacht lang konzentriert, produktiv und im Austausch mit anderen Studenten in lockerer Atmosphäre zu schreiben – denn anders als in der Bibliothek darf man auf der Langen Nacht essen und trinken und sein Thema zwischendrin mit dem Nachbarn diskutieren. Und wenn man nicht mehr weiterweiß, können sich die Studierenden direkt beraten lassen: Dozenten und Tutoren des Schreibzentrums geben Tipps zum wissenschaftlichen Schreiben oder beantworten konkrete Fragen zur Hausarbeit. Wichtigstes Thema hierbei: Strategien gegen die Prokrastination, besser bekannt als „Aufschieberitis". So gibt es auf der Langen Nacht auch Workshops zu Motivationsstrategien, um mit professioneller Hilfe den eigenen Schweinehund zu überwinden.

Wider die Prokrastination! „Eine Methode, die vielen Studierenden hilft, ist Freewriting“, erklärt Dr. Cornelia Rémi, eine der Schreibberaterinnen der LMU. Dabei setzt man sich vor ein leeres Blatt Papier oder ein neues Dokument und schreibt los – und das möglichst schnell und ohne auf Punkt und Komma zu achten. Auf keinen Fall darf man nun innehalten und einen gerade geschriebenen Satz korrigieren. „Die Idee dabei ist, dass man seinem eigenen inneren Zensor davonschreibt“, erklärt Rémi. „Ist man erst einmal richtig drin, kann man sich ohne Perfektionszwang und Kontrollbremse einfach dem Strom seiner Gedanken hingeben.“ Der Nachteil dieser Methode: Man muss hinterher alles gründlich überarbeiten. Aber man hat immerhin den ersten Satz aufgeschrieben, der Studenten wie Manuel oft sehr schwer fällt. „Freewriting ist eine Methode, um sehr schnell sehr viel Material zu Papier zu bringen.“

Die erste Hürde überwinden und endlich mit seiner Arbeit anfangen muss auch Martin Kasper. Eine letzte Hausarbeit steht noch aus, um sein Bachelor-Studium abzuschließen. „Doch ich prokrastiniere gerade“, gibt der Philosophiestudent zu. „Außerdem bin ich noch auf der Suche nach dem roten Faden in meiner Arbeit: Entweder habe ich ihn verloren oder mir nur eingebildet, dass ich einen hatte.“ Nun will er es mit dem Freewriting versuchen: „Das soll Leuten wie mir helfen.“ Auf dem Schreibtag der LMU im Februar, bei dem ebenfalls mehrmals im Semester Workshops und Beratung zum Schreiben von Hausarbeiten angeboten werden, hat Martin Cornelia Rémis Workshop zu Schreibtypen und Schreibphasen besucht. „Am Anfang des Seminars haben wir einen Test gemacht – und dabei ist herausgekommen, dass ich ein Hüpfer und Abenteurer bin“, erzählt er begeistert. „Aber natürlich nur beim wissenschaftlichen Schreiben.“ Was erst einmal lustig klingt, soll den Studierenden helfen, die eigene Schreibstrategie zu analysieren.

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Die neue MUM liegt ab Donnerstag aus. Apropos MUM: Im neuen Heft kommt auch „Mama Bavaria“ Luise Kinseher kommt zu Wort. Darüber hinaus gibt es ein Treffen mit einer Meerjungfrau, den Simpsons und dem Chronobiologen Till Roenneberg.

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