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Kartoffel-Genom erstmals entschlüsselt – Öffnung neuer Wege in der Züchtung

08.03.2022

Forschende der LMU und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln haben erstmals das hochkomplexe Genom der Kartoffel komplett entschlüsselt.

Die Kartoffel wird weltweit immer mehr zum Bestandteil der Grundernährung. Selbst in asiatischen Ländern wie China, wo Reis das traditionelle Grundnahrungsmittel ist, gewinnt sie immer mehr an Einfluss. Mit unserer Studie können wir nun die genombasierte Züchtung neuer Kartoffelsorten unterstützen. Kartoffelsorten, die produktiver und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel sind - das könnte einen enormen Einfluss auf die weltweite Ernährungssicherheit in den kommenden Jahrzehnten haben", sagt LMU-Genetiker Prof. Korbinian Schneeberger.

Kartoffeln mit Pflanzen und Blüten im Hintergrund

Kartoffeln mit Pflanzen und Blüten im Hintergrund

Bevor die Kartoffel als essbar erkannt wurde, wurde sie in Europa als Zierpflanze angebaut. Die Pollen in den großen Blüten werden normalerweise von Hummeln zur Bestäubung aufgesammelt. In der vorliegenden Studie wurden die Genome aus einzelnen Pollenkörnern analysiert, um so die erste, komplette Karte eines Kartoffelgenoms zu erstellen.

© Ulrich Pollmann

Wenn man heute auf einem Wochenmarkt Kartoffeln kauft, geht man unter Umständen mit einer Sorte nach Hause, die es so schon vor mehr als 100 Jahren auf unseren Märkten zu kaufen gab. Traditionelle Kartoffelsorten sind beliebt. Und doch wird an diesem Beispiel auch ein Mangel an Vielfalt unter den vorherrschenden Kartoffelsorten deutlich. Neben fehlender Auswahl macht diese geringe Diversität die Kartoffelpflanzen aber auch anfällig für Krankheiten. Besonders drastisch wurde das während der irischen Hungersnot in den 1840er Jahren klar, wo nahezu die gesamte Kartoffelernte über mehrere Jahre hinweg noch im Boden schlecht wurde und Millionen Menschen in Europa Hunger litten. Und das nur, weil eine einzige Kartoffelsorte, die angebaut wurde, nicht resistent gegen die neu aufgetretene Knollenfäule war.

Während der Grünen Revolution in den 1950er und 1960er Jahren gelang es Pflanzenzüchtern, die Erträge vieler Grundnahrungsmittel wie Reis oder Weizen erheblich zu stabilisieren. Bei der Kartoffel jedoch gab es bis heute keine vergleichbare Entwicklung. Alle Bemühungen, neue Sorten mit höheren Erträgen zu züchten, sind weitgehend erfolglos geblieben. Der Grund dafür ist einfach: Anstatt je eine Kopie jedes Chromosoms vom Vater und von der Mutter zu erben (wie es bei uns Menschen der Fall ist), erbt die Kartoffel zwei Kopien jedes Chromosoms von jedem Elternteil, so dass sie vier Kopien von jedem Chromosom besitzt. Vier Kopien jedes Chromosoms bedeuten auch vier Kopien jedes Gens, was die gezielte Erzeugung neuer Sorten, mit einer gewünschten Kombination individueller Eigenschaften, extrem schwierig und zeitaufwändig macht. Auch die Rekonstruktion des Kartoffelgenoms war aufgrund der vielen Chromosomen-Kopien eine weitaus größere technische Herausforderung, als das beim menschlichen Genom der Fall war.

Forschende um den LMU-Genetiker Korbinian Schneeberger konnten nun mit einem einfachen, aber eleganten Trick diese seit langem bestehende Hürde überwinden und das erste vollständige Genom der Kartoffel zusammensetzen. Anstatt die vier oft sehr ähnlichen Chromosomenkopien voneinander zu unterscheiden, umging Korbinian Schneeberger zusammen mit Hequan Sun und weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dieses Problem, indem sie die DNA nicht wie üblich aus dem Blattgewebe entnahmen, sondern die Genome einzelner Pollenzellen analysierten. Im Gegensatz zu anderen Zellen enthält jede Pollenzelle nur zwei Kopien jedes Chromosoms und kann so die Rekonstruktion des Genoms erleichtern.

Das Verständnis über die vollständige DNA-Sequenz der Kartoffel kann die Züchtung erheblich erleichtern und ist bereits seit vielen Jahren ein Ziel in der Pflanzenzüchtung. Mit diesen Informationen können Forschende nun leichter Genvarianten identifizieren, die für erwünschte oder unerwünschte Eigenschaften verantwortlich sind - ein erster Schritt, sie in die Züchtung mit einzubeziehen oder auszuschließen.

Hequan Sun, Wen-Biao Jiao, Kristin Krause, José A. Campoy, Manish Goel, Kat Folz-Donahue, Christian Kukat, Bruno Huettel & Korbinian Schneeberger. Chromosome-scale and haplotype-resolved genome assembly of a tetraploid potato cultivar. Nature Genetics 2022.

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