Kirchenrecht interkonfessionell: Neues Zertifikatsprogramm an der LMU
17.09.2025
Das Zusatzstudium „Kirchenrecht interkonfessionell“ macht Studierende verschiedener Fakultäten fit für praktische Fragen der Interkonfessionalität.
17.09.2025
Das Zusatzstudium „Kirchenrecht interkonfessionell“ macht Studierende verschiedener Fakultäten fit für praktische Fragen der Interkonfessionalität.
Ein Krankenhaus in evangelischer und katholischer Trägerschaft, Religionsunterricht für Kinder beider christlicher Konfessionen, Paare, die trotz unterschiedlichen Glaubens kirchlich heiraten: Das Miteinander der Konfessionen führt oft zu ganz praktischen Rechtsfragen.
„Kirchen haben nicht nur ein Bekenntnis, sondern auch eine Rechtsordnung mit langer Geschichte“, erklärt Burkhard Berkmann, Professor für Kirchenrecht an der LMU. „Je mehr sie ökumenisch zusammenarbeiten, desto wichtiger ist die gegenseitige Kenntnis des Rechts."
„Je mehr Kirchen ökumenisch zusammenarbeiten, desto wichtiger ist die gegenseitige Kenntnis des Rechts“, sagt Professor Burkhard Berkmann. | © Foto Sexauer
Tatsächlich schreitet die Ökumene voran. Schon 2007 wurde in der „Magdeburger Erklärung“ die gegenseitige Anerkennung der Taufe festgeschrieben. In Niedersachsen unterrichten evangelische und katholische Lehrkräfte gemeinsam im Schulfach „Christliche Religion“. Manche Stiftungen, Krankenhäuser oder soziale Einrichtungen werden von beiden großen Kirchen getragen, Kirchengebäude zunehmend an andere Konfessionen vermietet. Und in vielen Familien leben Menschen zusammen, die unterschiedlichen Kirchen angehören und verschiedenen Glaubens sind – gesellschaftliche Veränderungen, die neben Toleranz und Offenheit auch Kenntnisse im Kirchenrecht erfordern.
„Weil die Kirchen an Mitgliedern verlieren, rücken sie näher zusammen – und dazu braucht es eine Rechtsgrundlage“, sagt Berkmann. Besonders knifflig sind Fragen des kirchlichen Arbeits- und Vermögensrechts. Aber auch Themen wie Eheverfahren und die Wiederverheiratung katholischer und evangelischer Ehepartner beschäftigen Kirchenrechtler.
Hinzu kommen neue, große Herausforderungen durch Migration: Orthodoxe Gemeinden in Deutschland wachsen und bringen ihre eigenen Traditionen und Rechtsauffassungen mit, verfügen aber noch nicht immer über die nötigen Strukturen, um ihre Religion auszuüben.
Sollen die etablierten Kirchen sie integrieren? Oder dabei unterstützen, ihre Herkunftsidentität zu bewahren? In welcher Sprache sollte ein orthodoxer Gottesdienst gefeiert werden? Kann man dafür das eigene Kirchengebäude zur Verfügung stellen? Und wenn ja: unter welcher Bedingung?
Wir wollen den Blick öffnen für das Recht anderer Konfessionen, um ein vergleichendes Verständnis zu gewinnen.Burkhard Berkmann, Professor für Kirchenrecht an der LMU
Das neue Zusatzstudium richtet sich an Studierende verschiedener Fächer. | © LMU/Jan Greune
Seit dem Sommersemester widmet sich das Zertifikatsprogramm „Kirchenrecht interkonfessionell“ der theoretischen Auseinandersetzung mit solchen Fragen. Getragen von den drei theologischen Einrichtungen der LMU – katholisch, evangelisch und orthodox –, richtet es sich an Studierende der Theologie, der Rechtswissenschaft und Interessierte anderer Fächer. Auch Menschen mit Praxiserfahrungen, die an der LMU studieren, sind im Zusatzstudium ausdrücklich willkommen.
In vier Semestern mit insgesamt acht Lehrveranstaltungen (24 ECTS) lernen die Teilnehmenden, was die Rechtsordnungen der Konfessionen ausmacht. Ziel ist nicht nur der Erwerb theoretischen Wissens, sondern auch die Stärkung der Praxis: Denn wer in kirchlichen Einrichtungen arbeitet, hat immer häufiger mit interkonfessionellen Fragestellungen zu tun.
„Wir wollen den Blick öffnen für das Recht anderer Konfessionen, um ein vergleichendes Verständnis zu gewinnen“, so Berkmann.
Es ist eine Bereicherung, wenn Menschen mit Berufs- und Lebenserfahrung ihre Gedanken zur Gerechtigkeit einfließen lassen.Balthasar Jokisch, Student
Einer der ersten Teilnehmer ist der Jurastudent Balthasar Jokisch. Eine Rundmail machte ihn auf das neue Angebot aufmerksam. „Vom Thema selbst wusste ich zu diesem Zeitpunkt wenig. Genau darum konnte ich es mir als gute Ergänzung zum Jurastudium vorstellen.“
Die ausgefeilten Rechtsordnungen der Kirchen findet der 18-Jährige spannend, die Vorlesung im Sommersemester, eine Einführung in Gerechtigkeitstheorien, kam seinem philosophischen Interesse entgegen.
Dass die anderen Teilnehmenden teils sehr viel älter sind, empfindet er nicht als Nachteil. Im Gegenteil: „Es ist eine Bereicherung, wenn Menschen mit Berufs- und Lebenserfahrung ihre Gedanken zur Gerechtigkeit einfließen lassen.“
Mit einer Wochenstunde plus Hausarbeit war der Aufwand bislang überschaubar. Drei Wochenstunden und ein Blockseminar stehen im Wintersemester zur Auswahl. Balthasar hofft, im Verlauf des Zertifikatsprogramms auch weitere methodische Fähigkeiten, die ihm im Hauptfach Jura zugutekommen, zu gewinnen, und kann sich durchaus vorstellen, das Thema künftig weiter zu vertiefen.
Wie Kirchen trotz aller Unterschiede gemeinsam handeln können; wie man die Balance findet zwischen Tradition und Veränderung: das bleiben spannende Fragen, die den Alltag vieler Menschen auch in säkularen Zeiten betreffen. Nicht zuletzt gehören die Kirchen schließlich noch immer zu den größten Arbeitgebern und Sozialdienstleistern. Je stärker die Zusammenarbeit der Konfessionen, je vielfältiger die religiöse Landschaft, desto wichtiger sind gemeinsame Rechtsgrundlagen – auch für ein friedliches Zusammenleben.
Berkmann prophezeit: „Der Bedarf an Wissen wird weiter zunehmen.“ Ein Zusatzstudium über Kirchenrecht ist dabei weit mehr als eine juristische Fingerübung: „Im Recht konkretisiert sich Theologie.“
Zertifikatsprogramm „Kirchenrecht interkonfessionell“, Anmeldeschluss für das Wintersemester 2025/26 ist der 30.9.2025.
Auftaktworkshop: „Migration und Kirchenrecht“ am 24. Oktober
Anmeldung bis 14. Oktober unter: Sekretariat.Berkmann@kaththeol.uni-muenchen.de