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Klimawandel: Ein Wettlauf gegen die Zeit

29.10.2021

Beim Bemühen, die Erwärmung der Erde zu stoppen, spielt auch die Landnutzung eine wichtige Rolle, ebenso wie Methoden, der Atmosphäre Kohlendioxid zu entziehen. Julia Pongratz forscht über beides.

Folgen des Klimawandels

Hohe Temperaturen, Wassermangel, Borkenkäfer: abgestorbene Fichten in einem Wald in Nordrhein-Westfalen | © IMAGO / Jochen Tack

Es ist der Versuch, an der Uhr zu drehen. Trotz aller Appelle und Vereinbarungen, den Klimawandel zu begrenzen und die Erwärmung der Erde bei 1,5 Grad zu stoppen, stößt die Menschheit immer noch zu viel Kohlendioxid (CO2) aus. „Wir haben keinen Puffer mehr. Wir haben unser Emissionsbudget quasi schon verbraucht“, sagt Julia Pongratz.

Julia Pongratz ist Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU und beschäftigt sich in ihrer Forschung mit einem Thema, auf das zurzeit große Hoffnungen gesetzt werden: „Carbon Dioxide Removal", also der Entnahme von Kohlendioxid aus der Atmosphäre und anschließender Nutzung oder Speicherung in möglichst langlebigen Reservoiren.

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Beim Weltklimagipfel in Glasgow wird Julia Pongratz Ergebnisse ihrer Forschung präsentieren und am 12. November an einem Livestream teilnehmen. Als Mitglied des Lenkungsausschusses des Global Carbon Projects, einem weltweiten Zusammenschluss von Klimaforscherinnen und -forschern, wird sie die jährliche Bilanz der globalen Kohlendioxid-Emissionen vorstellen. Auch im vergangenen Jahr stieg die atmosphärische CO2-Konzentration weiter auf neue Rekordwerte – der Rückgang der fossilen CO2-Emissionen infolge der Coronapandemie war bei Weitem nicht genug, um den CO2-Anstieg zu stoppen.

Mit Sorge beobachteten Klimaforscherinnen und -forscher seither zudem, dass viele der wirtschaftlichen Wiederaufbaupläne, die infolge von Corona beschlossen wurden, im Widerspruch zu nationalen Klimaschutzzielen standen.

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Der natürliche Kohlenstoffkreislauf reguliert die Menge von CO2 in der Atmosphäre, die mindestens die letzten zwei Millionen Jahre unter den heutigen Werten lag. Der Mensch hat diesen Kreislauf massiv aus dem Gleichgewicht gebracht. Durch seinen CO2-Ausstoß von inzwischen gut 40 Gigatonnen pro Jahr stieg die CO2-Konzentration rapide an. Den Großteil der menschengemachten Kohlendioxid-Emissionen verursachen der Energiesektor und die Industrie. „Die fossilen Emissionen sind seit Mitte des 20. Jahrhunderts das größere Problem in Bezug auf den Klimawandel, das ist ganz klar. Aber auch die Landnutzung hat einen substanziellen Anteil an den Treibhausgasemissionen“, sagt Julia Pongratz. Bei CO2 sind das ungefähr 15 Prozent. Wenn man alle Treibhausgase einbezieht, also auch Methan und Lachgas, die durch Viehzucht und Düngung entstehen, liegt der Anteil bei etwa 25 Prozent.

In ihrer Forschung berechnet Julia Pongratz, wie sich die weltweiten Emissionen aus der Land- und Forstwirtschaft bestmöglich abschätzen lassen. Denn was der Mensch anbaut und ob er dafür Wälder rodet, wirkt sich auf den CO2-Ausstoß aus. Julia Pongratz untersucht auch, wo Potenziale liegen, der Atmosphäre wieder CO2 zu entziehen. Dazu gehören traditionelle Maßnahmen wie die Wiederaufforstung, aber auch neue Technologien, wie zum Beispiel die Speicherung von Kohlendioxid in Gestein. Aber alle Maßnahmen bergen auch Risiken und Nebeneffekte, so Pongratz. Vor allem fehle bislang „ein einheitlicher Rahmen, in dem wir die möglichen Konflikte zwischen Biodiversität, Wasserverfügbarkeit, Erholungsaspekten, ökonomischem Nutzen und vielem mehr gegeneinander abwägen können.“

Porträtaufnahme von Julia Pongratz, Inhaberin des Lehrstuhls für Physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU

Klimaforscherin Julia Pongratz

forscht darüber, wie sich die weltweiten Emissionen aus der Land- und Forstwirtschaft bestmöglich abschätzen lassen und wo Potenziale liegen, der Atmosphäre wieder Kohlendioxid zu entziehen | © LMU

Deutschland hat sich beim Klimaschutz nicht nur zum Ziel gesetzt, bis 2045 treibhausgasneutral zu werden, das heißt, nicht mehr CO2 auszustoßen, als gebunden werden kann. „Auch für ‚negative Emissionen', die Deutschland nach Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045 anstrebt, müssen Wege gefunden werden, wie CO2 dauerhaft der Atmosphäre entzogen wird", sagt Julia Pongratz. „Und dies in einer Form, die gesellschaftlich akzeptabel und ökologisch sowie ökonomisch sinnvoll ist."

Bislang haben sich die Menschen Zeit gelassen, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die vereinbarten Klimaschutzziele zu erreichen, mit denen die Erwärmung der Erde aufgehalten werden könnte. Einen wirklichen Aufschub versprechen jedoch auch die Ideen zur Entnahme von Kohlendioxid nicht.

Klimaforscherinnen und -forschern wie Julia Pongratz wird wohl auch weiterhin die Rolle zukommen, bei aller Aufklärung über ihre Forschung, auch zu mahnen: „Wir wissen, dass wir noch immer zu viel CO2 emittieren und ohne schnelle, substanzielle und anhaltende Emissionsreduktion nicht die Klimaschutzziele des Abkommens von Paris einhalten werden.“

Der Weltklimagipfel findet vom 31. Oktober bis 12. November in Glasgow statt. Am 12. November spricht Julia Pongratz im Livestream: Zur Registrierung

Beim Klimagipfel werden auch die neusten Ergebnisse des Global Carbon Projects vorgestellt werden.

Aktuelle Veröffentlichung: Minx, J. C., Lamb, W. F., Andrew, R. M., Canadell, J. G., Crippa, M., Döbbeling, N., Forster, P. M., Guizzardi, D., Olivier, J., Peters, G. P., Pongratz, J., Reisinger, A., Rigby, M., Saunois, M., Smith, S. J., Solazzo, E., and Tian, H.: A comprehensive and synthetic dataset for global, regional, and national greenhouse gas emissions by sector 1970–2018 with an extension to 2019, Earth Syst. Sci. Data, 13, 5213–5252, https://doi.org/10.5194/essd-13-5213-2021, 2021.

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