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Kollateraleffekte des Klimaschutzes vermeiden

27.06.2023

Professorin Marianela Fader, neu an der LMU, erforscht den „Nexus“ von Wasser, Nahrung, Energie und Natur.

„Alles hat mit allem zu tun – das ist die Kernaussage des Nexus-Ansatzes“, erklärt Professorin Marianela Fader. In dem jungen wissenschaftlichen Feld wird das Zusammenspiel der vier Systeme Wasser, Nahrung, Energie und Natur erforscht. „Wir analysieren ihre Verbindungen und Wechselwirkungen und versuchen, sie zu projizieren. Dabei fragen wir uns: Wie kann ich Synergien für alle Sektoren des Nexus ermöglichen – und negative Effekte vermeiden?“ Die Nexus-Forschung sei ein „sehr breites, komplexes Feld“, das von der Grundlagenforschung bis in die Praxis reiche.

Seit Juli 2022 hat Marianela Fader den Lehrstuhl für Physische Geographie und Nexus-Forschung am Geographischen Institut der LMU inne. Nach dem Studium der Geographie in Göttingen hatte sie am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung ihre Doktorarbeit zur Modellierung von Agrar-Ökosystemen und zu Hydrologie geschrieben und ebendort ein Postdoktorat absolviert. Während dieser Zeit beriet sie die Weltbankgruppe im Bereich Klimaförderung und -forschung und wechselte sodann an das Institut Méditerranéen de Biodiversité et d'Ecologie marine et continentale in Südfrankreich.

„Neben den Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensmittel- und Wassersicherheit haben wir auch den Nexus untersucht und gefragt, ob die Bewässerung im Mittelmeerraum künftig mithilfe von Photovoltaikanlagen betrieben werden kann“, erinnert sich Fader. Bei einer weiteren Beratertätigkeit für die Weltbankgruppe analysierte sie daraufhin die Auswirkungen des Klimawandels auf die landwirtschaftlichen Erträge im Nahen Osten und in Nordafrika, um anschließend als Stellvertretende Direktorin ans Internationale Zentrum für Wasserressourcen und Globalen Wandel in Koblenz zu gehen – und vergangenen Sommer schließlich den Ruf an die LMU anzunehmen.

Professorin Marianela Fader steht auf dem Dach des Gebäudes Luisenstraße. Sie trägt eine rotweiß-gemusterte Bluse. Im Hintergrund ist verschwommen der Königsplatz zu sehen.

Professorin Marianela Fader

© LC-Productions

Renaturierung schützt das Grundwasser

Bei der Nexus-Forschung baue man unter anderem auf historische Beispiele. „Die Förderung von Bioenergieplantagen etwa, als Maßnahme gegen den Klimawandel, war prinzipiell eine gute Idee“, so Fader. „Aber das Umsatteln auf Varietäten etwa von Palmöl, Sojabohnen oder Mais, die sich eher für Bioenergie eignen, hat im Endeffekt die Ernährungssicherheit gerade der vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen gefährdet. Dazu waren die Plantagen in einigen Regionen auch noch bewässerungsintensiv und bescherten mehreren Regionen der Welt eine Wasserknappheit.“

Manchmal zeigten sich aber auch positive Nexus-Effekte, etwa bei der Renaturierung, die häufig aus Umweltschutzgründen oder für den Überflutungsschutz geschehe. So filterten Feuchtgebiete auf natürliche Weise Wasser und reinigten damit auch das Grundwasser. „Es gibt mittlerweile einen wissenschaftlichen Konsens, dass Klimaschutz-Maßnahmen sehr häufig auch der Nahrungs-, Wasser- und Energieversorgung dienen.“

Mit verschiedenen Methoden, etwa aus Neurowissenschaften, Physik und Mathematik, versuchen Nexus-Forschende, die Wechselwirkungen und Verhaltensweisen der einzelnen Systeme, die alle für sich genommen komplex sind, auch als „Supra-System“ quantitativ zu beschreiben. „Unser Ziel ist es, ein metakomplexes Nexus-System zu schaffen, das auch externe Einflüsse wie die demografische Entwicklung oder den Klimawandel berücksichtigt“, so Marianela Fader.

„Keine perfekte Lösung“

Mit dem Nexus-Ansatz seien „große methodologische Herausforderungen“ verbunden. „Wie vereinbaren wir die Erkenntnisse von Hydrologen, Agrarwissenschaftlern, Geographen, Ökonomen, Meteorologen und Ingenieuren? Und wie erreichen wir damit politische Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger?“ Ein praktisches Problem sei zudem die oft starke thematische Fragmentierung der staatlichen Verwaltung in Ämtern oder Ministerien. „Trotz des Anspruchs, generalisierbare, transferable Lösungen zu entwickeln, müssen wir uns wohl damit abfinden, dass es keine perfekte Nexus-Lösung für alle Regionen und alle Situationen gibt.“

Das gelte gerade auch im Hinblick auf Länder mit instabilen oder krisengeschüttelten Regierungssystemen. In Entwicklungsländern seien manche Maßnahmen schwieriger umzusetzen – andere aber auch einfacher. „Neu entstehende Institutionen kann man von Beginn an Nexus-adäquat etablieren.“ Zum anderen hätten, etwa in Afrika, bestimmte ungünstige Prozesse gar nicht erst stattgefunden. „Flüsse zum Beispiel wurden bei uns begradigt, befestigt, die Auen verbaut und versiegelt. Das alles hat zu Überflutungen und hohen Wassergeschwindigkeiten, zu Sedimentierung und Erosion geführt“, so Fader. „Bei mehreren Projekten in Afrika versuchen wir, solche Probleme von vornherein zu vermeiden, indem wir eine naturnahe Infrastruktur aufbauen.“

Im Rahmen eines internationalen wissenschaftlichen Netzwerks arbeitet Fader zudem an einem Nexus-Bericht für den Mittelmeerraum. „Diese Region ist nicht nur ökologisch wichtig als Hotspot für Biodiversität, sondern birgt auch zahlreiche soziale und ökonomische Aspekte, gerade im Hinblick auf Migration.“ Außerdem ist sie auch ein Hotspot für die Auswirkungen des Klimawandels. In einem anderen internationalen Projekt projizieren die Forschenden eine Reihe von Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 auf die anderen Nexus-Bereiche, um politische Entscheidungsträger entsprechend zu beraten.

„Vernetzung ein Muss“

An der LMU sieht sie viele Anknüpfungspunkte für ihr Fach. „Die traditionelle Trennung zwischen den Naturwissenschaften, etwa zwischen der Geographie, den Sozialwissenschaften und der Ökonomie, gibt es nicht mehr. Dafür sind Landnutzungswandel und Ernährungssicherheit zu eng verbunden.“ Außerhalb der Geographie will Fader Kontakte insbesondere mit der Informatik aufbauen, etwa beim Modellieren Künstlicher Intelligenz im Umgang mit großen Datenmengen. „Und auch mit der Biologie, Physik, Ökonomie und Statistik könnten sich Schnittstellen ergeben.“

Mit der Technischen Universität München sei sie in „sehr gutem Kontakt etwa im Bereich Wasser und Ernährungswissenschaften“, daneben mit den Max-Planck-Instituten und dem Potsdamer Leibniz-Institut für Klimafolgenforschung. Und auch international gebe es viele Verbindungen. „Den Nexus kann man nicht allein erforschen“, so Marianela Fader. „Vernetzung und Kooperation sind dabei ein Muss.“

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