Landwirtschaftliche Expansion gefährdet Klima- und Biodiversitätsziele
13.08.2024
Laut einer Studie eines Teams um die LMU-Forschenden Julia Schneider und Florian Zabel ist eine Ausdehnung der Nutzflächen vor allem in den Tropen zu erwarten.
13.08.2024
Laut einer Studie eines Teams um die LMU-Forschenden Julia Schneider und Florian Zabel ist eine Ausdehnung der Nutzflächen vor allem in den Tropen zu erwarten.
Die Expansion landwirtschaftlicher Flächen ist weltweit einer der größten Verursacher für Treibhausgasemissionen, Abholzung und den Verlust von natürlichen Lebensräumen und von Biodiversität. Ohne entschiedene politische Maßnahmen wird sich diese Entwicklung trotz der vielen negativen Auswirkungen aufgrund steigender Nachfrage nach landwirtschaftlichen Rohstoffen für Nahrung, Futtermittel, Faserstoffe und Bioenergie voraussichtlich fortsetzen, zeigt die neue Studie eines Teams um Julia Schneider, Doktorandin an der LMU München. Sie hat zusammen mit Florian Zabel, Privatdozent an der LMU und Senior Researcher am Department Umweltwissenschaften der Universität Basel, und einer interdisziplinären Forschungsgruppe untersucht, welche Gebiete weltweit am stärksten durch zukünftige landwirtschaftliche Expansion betroffen sind.
Um dies herauszufinden, hat das Team ein integratives Landnutzungsmodell entwickelt, mit dem sich unter Berücksichtigung ökonomischer und agrar-ökologischer Kriterien weltweit die profitabelsten Flächen für eine mögliche zukünftige landwirtschaftliche Expansion identifizieren ließen. Anschließend bewerteten die Forschenden, welche ökonomischen und ökologischen Auswirkungen eine Landnutzungsänderung auf diesen Flächen hätte.
Die Ergebnisse ihrer Studie sind nun in der Fachzeitschrift Nature Sustainability erschienen. Sie machen deutlich, dass landwirtschaftliche Expansion zukünftig vor allem in den Tropen zu erwarten ist, wo trotz Klimawandels noch große landwirtschaftliche Potenziale vorhanden sind. Eine von FAO und OECD erwartete Ausweitung der weltweiten Anbauflächen um 3,6 Prozent bis 2030 würde die weltweite landwirtschaftliche Produktion zwar um zwei Prozent erhöhen.
Die damit verbundenen Landnutzungsänderungen würden jedoch langfristig rund 17 Gigagtonnen CO2 freisetzen – das ist fast die Hälfte der derzeitigen jährlichen CO2-Emissionen weltweit – und zu einem Rückgang der biologischen Vielfalt in den betroffenen Gebieten um 26 Prozent führen. „Dies wäre insbesondere für den weltweiten Klimaschutz und die Bemühungen für den Erhalt von Biodiversität eine besorgniserregende Entwicklung“, sagt Florian Zabel.
Wir waren überrascht, dass entgegen unseren Erwartungen sogar einige Regionen von der Ausweisung von Schutzgebieten ökonomisch profitiert haben und insgesamt die landwirtschaftliche Produktion durch die Naturschutzmaßnahmen nur geringfügig verringert wurde.Julia Schneider
Angesichts der jüngsten politischen Bestrebungen zum globalen Schutz von Natur, Wäldern und Biodiversität bewerteten die Forschenden auch die Auswirkungen einer globalen Naturschutzpolitik und die daraus resultierenden Folgen. So konnten sie in der Studie zeigen, dass eine Naturschutzpolitik, die die Ausdehnung landwirtschaftlicher Flächen in Wälder, Feuchtgebiete und bestehende Schutzgebiete verhindert, den Expansionsdruck von den Wäldern auf Grasländer verlagert.
„Wir waren überrascht, dass entgegen unseren Erwartungen sogar einige Regionen von der Ausweisung von Schutzgebieten ökonomisch profitiert haben und insgesamt die landwirtschaftliche Produktion durch die Naturschutzmaßnahmen nur geringfügig verringert wurde“, so Julia Schneider. „Die resultierenden Treibhausgasemissionen konnten zudem erheblich reduziert werden. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass die Verlagerung auf Grasland gegenteilige Auswirkungen auf die biologische Vielfalt haben kann.“
Vor dem Hintergrund des Kunming-Montreal Biodiversitätsabkommens, das unter anderem zum Ziel hat, 30 Prozent der globalen Landoberfläche bis 2030 unter Schutz zu stellen, stellt sich die Frage, welche Flächen prioritär geschützt werden sollen. Hier leistet die Studie einen wichtigen Beitrag, da sie zukünftig besonders bedrohte Regionen identifiziert und die potenziellen Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt aufzeigt. Damit können Schutzgebiete so geplant werden, dass diese eine möglichst breite Wirkung auf möglichst viele Zielsetzungen wie Klima- und Biodiversitätsschutz erreichen und gleichzeitig ökonomische Interessen berücksichtigt werden.
Basierend auf den Ergebnissen könnte die Wirksamkeit von Naturschutzstrategien verbessert werden und landwirtschaftliche Produktion besser mit verschiedenen Umweltschutzzielen in Einklang gebracht werden.
Julia M. Schneider, Ruth Delzeit, Christian Neumann, Tobias Heimann, Ralf Seppelt, Franziska Schuenemann, Mareike Söder, Wolfram Mauser, Florian Zabel. Effects of profit-driven cropland expansion and conservation policies. Nature Sustainability, 2024.