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Licht unter Kontrolle

17.06.2019

Forschung im Nano-Institut: Physiker Stefan Maier untersucht die Wechselwirkung von Licht und Materie auf kleinstem Raum. Mit Nanostrukturen versucht er, Prozesse in der Nanowelt zu steuern und Energieumwandlung effizienter zu machen.

Wer Stefan Maier auf die Physik des Lichts anspricht, kann sicher sein, dass er viel zu erzählen hat und das in kurzer Zeit. Maier ist ein renommierter Physiker, vor gut einem Jahr vom Imperial College in London an die LMU berufen worden und gerade damit beschäftigt, den Aufbau seiner stetig wachsenden Forschergruppe am neuen Nano-Institut zu organisieren. Man begegnet vielen jungen Forschern auf den Gängen, der Reinraum steht kurz vor der Freigabe, viele der Labore im dritten Stock sind bereits eingerichtet. „Wir wollen Vorgänge beeinflussen, die mit Licht zu tun haben“, so beginnt Maier seine Erzählung. „Wir wollen Licht mit Materie in Wechselwirkung treten lassen, und zwar in von uns kontrollierter Art und Weise. Uns geht es dabei um die Synthese von Optik und Nanotechnologie.“ Solche Grundlagenforschung verspricht Innovationen in wichtigen Zukunftsfragen: Zum Beispiel geht es Maiers Team um Fragen nachhaltiger Energiekonversion – der Umwandlung etwa der Energie des Sonnenlichts in chemische Energie. Mit Licht aber, betont der Nanophysiker, sei bei seiner Forschung nicht nur das sichtbare Spektrum gemeint, sondern auch UV-Strahlung, Infrarotlicht, Terahertz bis hin sogar zu Mikrowellen – also jegliche Art elektromagnetischer Wellen.

Stefan Maier (Mitte) mit Mitarbeitern

© Jan Greune / LMU

Der Physiker erforscht einen Weg, die Beugungsgrenze zu überwinden oder trickreich zu überlisten. Er arbeitet mit sogenannten „plasmonischen Antennen“. Gemeint sind damit nanometerkleine Metallstrukturen, die speziell auf Lichteinfang in einem bestimmten Wellenlängenbereich ausgelegt sind. Man koppelt mit ihrer Hilfe sozusagen Licht an Elektronenschwingungen in Metall-Nanostrukturen. Je nach räumlicher Struktur dieser winzigen Gebilde lässt sich so eine sehr starke Wechselwirkung erreichen, sie absorbieren oder streuen Licht. „Der Clou ist, dass durch diese neuen Nanostrukturen Licht in einem kleinen Bereich von wenigen Dutzend Nanometern um die Struktur herum konzentriert wird“, sagt Maier. „Man bekommt einen ultrakleinen Lichtfleck, wir nennen das einen Hotspot.“ Damit ist die Beugungsgrenze überwunden. „Vor ein paar Jahrzehnten dachte man noch, das sei mit der nun erzielten Kontrolle unmöglich“, sagt Maier.

Aber es gibt da ein Problem, wenn man wie Maier in seinen Experimenten mit Licht in die Nanowelt vordringen will. Da es sich bei Licht um elektromagnetische Wellen handelt, gibt es das Problem der Beugung und die sogenannte Beugungsgrenze. Dies ist eine physikalische Barriere, die etwa verhindert, dass sich mit Lichtmikroskopen kleinste Strukturen wie Viren oder sogar einzelne Atome oder gar nur wenige Nanometer große Quantenpunkte erkennen lassen. Die Folge: Licht lässt sich somit auch nicht auf einen so kleinen Bereich fokussieren. Lichtmikroskopen ist die Nanowelt schlicht versperrt. Und optische Glasfasern können auch nicht so verkleinert werden, dass sie auf einen Computerchip passen.

Doch als Physiker fasziniert es Maier, Grenzen der Physik zu überwinden. Die Beugungsgrenze ist immer etwa halb so groß wie die Wellenlänge des einstrahlenden Lichts. „Je längerwellig aber die Strahlung wird, desto größer wird das Problem bei den so kleinen Nanostrukturen. Es gibt keine gute Überdeckung von Lichtwellen und Materiestruktur“, sagt Maier. Und damit praktisch keine Wechselwirkung mehr.

Das Geheimnis des alten Kelchs

Aufnahme von Prof. Dr. Stefan Maier

© LMU / Jan Greune

Der Begriff „plasmonische Antennen“ lässt anklingen, dass die Strukturen das Elektronenplasma zur Schwingung anregen. „Den Namen haben wir zu meiner Zeit am Caltech geprägt“, dem renommierten California Institute of Technology in Pasadena, erzählt Maier. „Kurz danach habe ich den wohl ersten Einführungstext zu diesem Thema geschrieben“, sagt Maier. Es wurde sogar ins Russische und Chinesische übersetzt. So seien viele Nachwuchsforscher in aller Welt in die Thematik eingeführt worden.

Doch eigentlich, sagt der Physiker, sei die Methode, die hinter dieser technischen Neuerung steht, ziemlich alt. „Das Verfahren wird schon seit mehr als 1500 Jahren angewendet, und zwar für die Farbgebung von Glas.“ Maier erzählt vom Lycurgus-Kelch, der im British Museum in London zu sehen ist. Er stammt aus der spätrömischen Zeit im 4. Jahrhundert, ein im Licht wunderbar grünlich schimmerndes Gefäß mit aufwendigen Verzierungen, das zeigt, wie König Lycurgus von Ambrosia-Kraut in die Unterwelt gezogen wird. Der Becher birgt ein Geheimnis, das mit dem Glas und Nanotechnologie zu tun hat: Durchstrahlt man den Becher, wirkt er plötzlich rötlich. Das liegt an den im Glas enthaltenen winzigen Metallteilchen.

„Kleine Metallstrukturen aus Gold oder Silber können mit Licht sehr stark wechselwirken“, erklärt Maier. Licht trifft auf die Metallstruktur und regt die Elektronen zu Schwingungen an, eine ganze Elektronenwolke schwingt dann hin und her. Trifft das Licht mit der richtigen Frequenz auf, verstärkt sich die Bewegung der Elektronenwolke. Das verstärkt Lichtstreuung und Lichtabsorption bei dieser Resonanzwellenlänge – und führt dann zum Changieren der Farbe, wenn im Glas solche winzigen Metallstrukturen verteilt sind.

Genau dieses Prinzip steckt auch hinter den plasmonischen Antennen. Nach Jahrzehnten der Grundlagenforschung rücken inzwischen auch Anwendungen ins Blickfeld der Forscher. Damit sie aber Realität werden können, ist es notwendig, das Licht noch detaillierter kontrollieren zu können, denn man muss eine jeweils optimale Licht-Materie-Wechselwirkung in jedem Wellenlängenbereich erreichen. Die Wissenschaftler experimentieren mit verschiedenen Metallen und Antennenformen. Für die Antennen verwenden sie hauptsächlich Gold, Silber, Kupfer und Aluminium, aber auch neue hybride Nanomaterialien. Der Aufbau der winzigen Antennen ist dabei bisweilen sehr komplex. Auch ganz ungewöhnliche Formen gibt es; Maier erzählt von Antennen, die sogar der Form eines Katzenkopfes ähneln, um eine ideale Abstrahlung zu erreichen. Die Formen werden im Rechner modelliert und anschließend im Nanomaßstab gebaut. In der Entwicklung solcher Antennen stecke sehr viel Entwicklungsarbeit, sagt Maier. Daran arbeite nicht nur sein Team, auch andere führende Nanophotonik-Gruppen aus aller Welt forschten daran.

Ohne Probleme bis zum mittleren Infrarotbereich

Die mit viel theoretischem Wissen ausgetüftelten Nanometallstrukturen erlauben es inzwischen, fast alle gewünschten Resonanzfrequenzen vom UV-Licht bis zum niedrigen Infrarotbereich sehr gut einzustellen. „Diese Probleme sind mittlerweile gut gelöst“, sagt Maier. „Nur mittleres Infrarot macht uns noch Probleme“, sagt Maier. Aber da sei seine Gruppe auf einem guten Weg. Im Nano-Institut würde dafür gerade umfangreiches Equipment aufgebaut.

Die Nanofabrikation spielt für die Forschung inzwischen eine Schlüsselrolle. Erst mit Techniken wie der die Elektronenstrahllithographie lassen sich die bis in Kleinste theoretisch ausgearbeiteten Metall-Nanostrukturen auch herstellen. Maier interessiert sich für Strukturen, die er auf einem Chip aufbringen und mit Wellenleitern oder anderen Halbleiterstrukturen kombinieren will. Im Reinraum des Instituts lassen sich direkt vor Ort neue Strukturen und Hybridmaterialien fertigen und in den Laboren dann sofort die Eigenschaften testen.

Damit wird auch der Weg geebnet, der zu neuen Anwendungen führen soll. Der Bedarf ist groß, die Möglichkeiten sind enorm. In der Nanophotonik könnte es eine Reihe von Anwendungen geben, beispielsweise Lichtmodulatoren im Bereich der nicht-linearen Optik. Auch auf dem Gebiet der Energieumwandlung sind die Erwartungen groß, neuartige Solarzellen könnten damit möglich werden. Die chemische Energieumwandlung bietet ebenso ein großes Potential, hiermit beschäftigt sich auch Tenure-Track-Professor Emiliano Cortés an Maiers Lehrstuhl. Ein interdisziplinäres Team von Physikern und Chemikern arbeitet mit plasmonischer Katalyse.

In allen Fällen geht es um die Wechselwirkung von Licht und Materie. Die Forscher versuchen auf unterschiedlichem Weg, die Effizienz von Systemen zu erhöhen. In der Nanophotonik zum Beispiel sind die plasmonischen Antennen im Prinzip in der Lage, etwa die Lichtabstrahlung von Quantenpunkten zu beschleunigen. Damit lässt sich eine Lichtquelle erzeugen, die sich sehr viel schneller modulieren lässt, im Bereich von einigen hundert Picosekunden. Solche Entwicklungen sind im Hinblick auf Quantencomputer und schnelleren Informationstransport interessant. Die Antennen wirken hier wie ein Beschleuniger.

Auch in Fragen der Energieumwandlung ist das Potential groß. Um beispielsweise Solarzellen so billig und so effizient wie möglich zu machen, müsste man sie möglichst dünn und leicht bauen. Doch um Licht überhaupt absorbieren zu können, war bislang aufgrund der Beugungsgrenze eine gewisse Dicke notwendig. Ziel ist es nun, Licht mit Hilfe der plasmonischen Antennen auf einen kleineren Bereich zu konzentrieren, und so dünnere und leichtere Solarzellen möglich zu machen. „Dafür müssen wir Licht an Materieschwingungen koppeln“, sagt Maier. Das Ziel ist beispielsweise, die Stromausbeute von Solarzellen zu erhöhen, indem man den Absorptionsgrad erhöht und sozusagen mehr Licht ins Material bringt. Gelingt dies, steigt der Wirkungsgrad.

Gleiches gilt für die Katalyse, ein chemisches Verfahren, in dem in diesem Fall ebenfalls Sonnenlicht die nötige Energie liefert. Die Forscher testen hier neue Materialien wie Zirkoniumnitrid für die Antennen. Ziel ist es, die Nanostrukturen mit Materialien für die Katalyse zu verbinden. Die Antennen konzentrieren dabei sozusagen das einfallende Sonnenlicht auf die Oberfläche, das dort dann im Rahmen einer Katalyse etwa eine chemische Reaktion auslöst. „Solche hybriden Nanosysteme zu entwickeln, ist eine der Kernaufgaben des Lehrstuhls“, sagt Maier. „Wir müssen Strukturen für die Lichtabsorption mit aktiven Strukturen der Katalyse verbinden, ohne die Ausbeute der Lichtabsorption oder die Funktionalität der Katalyse zu zerstören. Beides muss man verbinden, das ist die Hauptaufgabe.“

Im Detail funktioniert die Kombination nach einer Art Baukastenprinzip. „Das ist wie Lego“, sagt Maier. Die Forscher müssen ausprobieren, welche Antennen zu welchen Katalysatoren passen. Die Herstellungsprozesse zu entwickeln, ist eine chemische und technologische Herausforderung. Manche Materialien lässt sich eher mit Top-Down-Verfahren herstellen, mit Elektronenstrahllithographie etwa, andere eher mit kolloidaler Chemie, wie sie der benachbarte Lehrstuhl von Jochen Feldmann betreibt. „Hier versprechen wir uns gute Synergieeffekte aus der Zusammenarbeit“, sagt Maier.

Überhaupt sei ein Fortschritt in seinem sehr speziellen Arbeitsfeld nur mit interdisziplinärer Zusammenarbeit möglich, sagt Maier. So arbeitet ein junges, internationales Team aus Physikern, Materialwissenschaftlern, Chemikern, Mathematikern sowie Experten für Mikroskopie, Lasertechnik, Computersimulation und Theorie am Institut. Auffallend hoch ist der Anteil junger Forscher, sie kommen aus aller Welt. „Nachwuchsförderung ist mir sehr wichtig“, sagt Maier, der in seiner Zeit am Imperial College London mehr als drei Jahre Director of Postgraduate Studies war. Der interdisziplinäre Ansatz und eine starke Nachwuchsförderung gehörten zur Philosophie des Instituts. Sie seien für ihn wichtige Gründe gewesen, sagt Maier, ans neue Münchner Nano-Institut zu kommen, mitten ins „Herz dieser lebendigen Stadt“.

Prof. Dr. Stefan Maier ist Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik – Hybride Nanosysteme an der LMU. Maier, Jahrgang 1975, studierte Physik an der Technischen Universität München und am Caltech (California Institute of Technology), Pasadena, USA, wo er auch seinen PhD machte. Er war Postdoktorand ebenfalls am Caltech, bevor er nach einer Station an der University of Bath, Großbritannien, ans Imperial College London, Großbritannien, ging. Dort war er zuletzt Inhaber des Lee-Lucas Chair in Experimental Physics; Ende 2017 wurde er an die LMU berufen.

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