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Marketing: Vom Wert der Dinge

29.09.2025

Als Konsument die Welt retten? Betriebswirt und Verhaltenswissenschaftler Martin Paul Fritze untersucht, wie Erkenntnisse aus der Konsumforschung dazu beitragen können, gesellschaftliche Herausforderungen zu stemmen.

Prof. Martin Paul Fritze

Martin Paul Fritze

untersucht technologischen Wandel auch unter Marketing-Gesichtspunkten. | © LMU/Johanna Weber

Was bestimmt, welche Dinge Menschen haben wollen? Wie treffen sie ihre Kaufentscheidungen? Das sind typische Forschungsfragen im Marketing. Betriebswirt und Verhaltenswissenschaftler Martin Paul Fritze, der seit November 2024 die Professur für Marketing mit Schwerpunkt Konsumentenverhalten an der LMU innehat, geht einen Schritt weiter: „Die individuelle Entscheidungsebene ist nicht nur der Schlüssel dafür, Produkte, Marken und Unternehmen zum Erfolg zu führen, sondern auch dafür, gesamtgesellschaftliche Entwicklungen und Herausforderungen zu adressieren.“

Daraus lässt sich demnach ableiten, wie aktuelle Probleme, etwa die Notwendigkeit, nachhaltiger zu leben, angegangen werden können. „Die politische Kommunikation dazu ist bislang auf plakativer Ebene verblieben: Mach das! Konsumier weniger! Aber der Mensch reagiert auf solche Appelle nicht wie gewünscht. Wir haben bestimmte Grundbedürfnisse, dazu zählt Autonomie. Wenn uns in unsere Entscheidungen hineingeredet wird, und sei es nur wahrgenommen so, kann es zu Abwehrhaltungen kommen.“

Weg in die Wissenschaft: Fragen stellen, den Blick weiten

Martin Paul Fritze hat nach einem Studium zum Wirtschaftsingenieur an der Berufsakademie in Sachsen Dienstleistungsmanagement an der Universität Rostock studiert, wo er anschließend auch promoviert wurde. „Im Promotionsstudium habe ich versucht, so viele andere Institutionen wie möglich zu besuchen, und war dafür viel im Ausland. Dadurch habe ich weitere Einblicke darin gewonnen, was es bedeutet, in der Wissenschaft tätig zu sein“, erzählt Fritze über diese für seinen weiteren Lebensweg entscheidende Zeit. „Was in meiner Schulzeit nicht so gut ankam – das ewige Fragenstellen –, fand in der Forschung plötzlich seinen Platz. Als Wissenschaftler hat man dann auch die Freiheit, sich seine Fragen selbst zu beantworten. Das ist sehr erfüllend.“

Martin Paul Fritze entschied sich also, in der Wissenschaft zu bleiben, und begann direkt nach der Promotion als Juniorprofessor an der Universität zu Köln. Im Anschluss wechselte er auf den Lehrstuhl für Marketing an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen, bevor er zum Wintersemester 2024/25 an die LMU kam. „Ich bin hier sehr gut angekommen. Die LMU schafft ein hervorragendes Umfeld, das Exzellenz fordert und fördert.“ Fritze verweist auch auf das wirtschaftliche Umfeld in München: „Die Unternehmen sind sehr interessiert an Kontakten zur Wissenschaft. Sie wertschätzen unter anderem die Vogelperspektive, die wir in der Forschung einnehmen können. Es ist ein toller Austausch, der für beide Seiten unglaublich bereichernd ist.“

Die Studierenden erlebt Martin Paul Fritze als „sehr motiviert“. In der Lehre geht es ihm darum, mit ihnen bestehendes Wissen über Konsumentenverhalten kritisch zu reflektieren und auf konkrete Herausforderungen der Unternehmenspraxis anzuwenden. Bei der Betreuung von Doktorandinnen und Doktoranden kommt es ihm darauf an, diese zu befähigen, eigenes Wissen aufzubauen und ihnen zu zeigen, „wie aus einer Idee eine Studienreihe für ein Paper wird, das Resonanz erzeugt.“

Von Sharing-Economy zu Blockchain: Neue Formen des Konsums

Martin Paul Fritze interessiert in seiner Forschung insbesondere das Konsumentenverhalten im Kontext technologischer Transformationen und dabei vor allem „die Brücke zwischen digitalen und physischen Lebenswelten“: „Bei Konsum denken wir zum Beispiel oft an physische Besitztümer, die wir haben und halten wollen. Die Sharing-Economy hat das aufgelockert, auch in Bereichen, in denen man es zuvor nicht erwartet hätte.“ Daneben forscht Fritze zum Beispiel auch zu virtuellen Realitäten sowie Kryptowährungen und interessiert sich für die Technologien wie Algorithmen und Blockchain, die zwischen virtueller und realer Welt vermitteln.

Um seine Forschungsfragen zu beantworten, führt der LMU-Professor vorranging Experimente durch. „Da es immer darum geht, kausale Beziehungen aufzudecken, ist die Kern-Methodik das Experimental-Design. Man versucht dabei durch systematische Variationen und kontrollierte Messungen bestimmter Variablen tiefere Einblicke in das menschliche Verhalten in Konsumkontexten zu bekommen.“ Dafür arbeitet Martin Paul Fritze stark interdisziplinär, kombiniert den ökonomischen Blick mit der Perspektive der Psychologie und setzt auch auf die empirische Philosophie. So hat er das Center for Empirical Philosophy and Behavioral Insights mit ins Leben gerufen. In aktuellen Projekten forscht Fritze zum Beispiel darüber, welche Rolle die Lebenszufriedenheit dafür spielt, wie oft Menschen in virtuellen Welten unterwegs sind. In einer weiteren Studie untersucht er, inwiefern Vorstellungen von Freiheit Personen bei ihren Einstellungen zu Marken und Produkten beeinflussen.

Im Grunde gehe es in seiner Forschung um Materialität, also den Wert, der Dingen innewohnt und den Menschen ihnen zuschreiben. Auf den Marketing-Experten gegenüber oft geäußerten Vorwurf, sie perfektionierten nur Techniken, um Konsumenten zum Kaufen zu verleiten, sagt Fritze: „Natürlich kennt man im Marketing konkrete Anknüpfungspunkte dafür, Verhalten zu beeinflussen. Aber man kann keine grundsätzlichen Bedürfnisse wecken. Im Marketing geht es vielmehr darum, Wert zu schaffen.“ Und beendet das Gespräch mit einem philosophischen Gedanken: „Es ist gar nicht so einfach, dem eigenen Leben Bedeutung zu geben. Wir können froh sein, wenn wir in der Lage sind, Dingen einen Wert zuzuschreiben. Ist es nicht schön, wenn man dabei manchmal ein bisschen Hilfe bekommt?“

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