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Meteorologie: Abgeschwächter Polarwirbel macht Wetter berechenbarer

14.03.2024

Bestimmte Ereignisse in der Stratosphäre machen das langfristige Wetter in Nordeuropa leichter vorhersagbar. Das haben Forschende der LMU herausgefunden.

Wetter ist ein chaotisches System. Seinen Verlauf für mehrere Wochen im Voraus vorherzusagen ist deshalb eine große Herausforderung. Nach wie vor ist die Genauigkeit solcher Langzeitprognosen insgesamt eher gering. Selbst kleine Verbesserungen entsprechender Berechnungen können daher von großem Wert für viele Bereiche der Gesellschaft sein. Zum Beispiel wenn es darum geht, optimale Aussaat- und Erntezeiten in der Landwirtschaft zu ermitteln, Schwankungen bei der Erzeugung erneuerbarer Energien vorherzusehen oder sich auf den Ausbruch von Krankheiten wie Malaria oder Dengue-Fieber vorzubereiten, die mit bestimmten Wetterbedingungen korrelieren.

Forschende der LMU sind nun einem Phänomen auf der Spur, das seinen Ursprung in der Stratosphäre hat, derjenigen Schicht unserer Atmosphäre also, die sich 15 bis 50 Kilometer über unseren Köpfen befindet. „Aus früherer Forschung wissen wir bereits, dass die Zirkulationsverhältnisse in der polaren Stratosphäre während des nördlichen Winters nützliche Informationen für genauere Langfristvorhersagen liefern können, insbesondere hinsichtlich des Wetters über dem Nordatlantik und Eurasien“, erklärt Thomas Birner, Professor für Theoretische Meteorologie an der LMU. Besonders wenn sich der Polarwirbel – ein Band starker ostwärts gerichteter zirkumpolarer Strömung in Stratosphärenhöhe – stark abschwäche oder zusammenbreche, neige der nordatlantische Jetstream dazu, sich nach Süden zu verlagern. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit von Kälteeinbrüchen über Eurasien. Derartige Wirbelzusammenbrüche sind relativ selten und treten nur etwa jeden zweiten Winter auf. Im Moment ist es aber wieder einmal soweit: „Ein solches Ereignis findet derzeit statt, mit entsprechenden erwarteten Auswirkungen auf das eurasische Wetter in den kommenden Wochen.“

Und nun zum Wetter: Kalt, aber weniger chaotisch

In einer kürzlich im Fachmagazin Communications Earth & Environment erschienenen Studie heben LMU-Meteorologinnen und -Meteorologen einen weiteren Aspekt des stratosphärischen Einflusses auf langfristige Wettervorhersagen hervor: Auf schwache Polarwirbel wie dem aktuell vorliegenden folgt über Nordeuropa in der Regel eine Phase geringerer Unsicherheit bei den Wettervorhersagen für etwa drei bis fünf Wochen. Die Autoren der Studie stellen fest, dass Vorhersage-Ensembles eine um etwa 25 Prozent verringerte Bandbreite möglicher Wetterbedingungen aufweisen. Solche Ensembles bestehen aus einer großen Zahl einzelner Vorhersagen, die für längere Vorhersagezeiträume stärker oder schwächer streuen. Nach schwachen Polarwirbel-Ereignissen weichen diese Vorhersagen über Nordeuropa also weniger voneinander ab. Das Wetter wird damit vorhersagbarer.

„Wir führen diese verringerte Vorhersageunsicherheit auf die Südverschiebung des nordatlantischen Jetstream zurück“, so Jonas Späth, Doktorand am Meteorologischen Institut der LMU und Erstautor der neuen Studie. Die damit verbundene Verlagerung der Zugbahnen der Winterstürme nach Süden, die in dieser Jahreszeit die Hauptquelle der Vorhersageunsicherheit sind, führt zu einer geringeren Sturmaktivität über Nordeuropa und damit zu einer niedrigeren Unsicherheit der Vorhersagen. Umgekehrt nimmt die Vorhersageunsicherheit über Südeuropa zu.

„Unsere Studie liefert neue Einblicke in meteorologische Phänomene, bei denen die Unsicherheit von Wettervorhersagen mehrere Wochen im Voraus systematisch ab- oder zunimmt“, meint Jonas Späth. „Sie unterstreicht außerdem, wie die praktische Nutzung langfristiger Prognosen von einem tieferen Verständnis der Fernkopplung zwischen verschiedenen atmosphärischen Zonen profitieren kann.“

Jonas Spaeth, Philip Rupp, Hella Garny & Thomas Birner: Stratospheric impact on subseasonal forecast uncertainty in the Northern extratropics. Communications Earth & Environment, 2024.

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